Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle

 

 

Nr. 56/2000

 

Bundesgerichtshof entscheidet über die Höhe von Krankenhaus-Wahlleistungsentgelten

Der für das Dienstvertragsrecht zuständige III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat zum ersten Mal zur Frage der zulässigen Höhe der von einem Krankenhaus verlangten Zuschläge für die Unterbringung in einem Einbett- oder Zweibettzimmer Stellung genommen.

Begibt sich ein Patient zur stationären Behandlung in ein Krankenhaus, so hat er bzw. seine Krankenkasse die nach Maßgabe der Bestimmungen des Krankenhausfinanzierungsgesetzes und der Bundespflegesatzverordnung zwischen den Krankenkassen und dem Krankenhausträger ausgehandelten Entgelte zu bezahlen. Üblicherweise fallen je Unterbringungstag "tagesgleiche Pflegesätze" an, und zwar jeweils ein Pflegesatz für die ärztliche und pflegerische Versorgung (Abteilungspflegesatz) und ein solcher für die sonstigen Krankenhausleistungen, zu denen insbesondere Unterkunft und Verpflegung gehören (Basispflegesatz). Neben den mit diesen Pflegesätzen abgegoltenen allgemeinen Krankenhausleistungen können die Krankenhäuser aufgrund besonderer Vereinbarung mit einem Patienten gesondert zu berechnende Wahlleistungen erbringen. Zu diesen Wahlleistungen gehört vor allem die Unterbringung in einem Einbett- oder Zweibettzimmer anstatt - wie weitgehend üblich - in einem Mehrbettzimmer. Nimmt ein Patient diese Wahlleistung in Anspruch, so "erkauft" er sich für einen bestimmten, zu den Pflegesätzen hinzukommenden Betrag - Einbett- oder Zweibettzimmerzuschlag - das Recht des Alleinseins

bzw. den Vorzug, das Krankenzimmer nur noch mit einer weiteren Person teilen zu müssen.

Nach § 22 Abs. 1 Satz 3 1. Halbs. der Bundespflegesatzverordnung (BPflV), dürfen die Entgelte für Wahlleistungen in keinem unangemessenen Verhältnis zu den Leistungen stehen. Dieser das Wahlleistungsentgelt nach oben hin begrenzenden Bestimmung steht § 22 Abs. 1 Satz 3 2. Halbs. BPflV gegenüber. Danach müssen diese Entgelte mindestens die hierfür bei der Ermittlung der pflegesatzfähigen Kosten abzuziehenden Beträge abdecken. Bezogen auf die Wahlleistung Unterkunft bedeutet dies, daß ein Krankenhaus bei der Unterbringung in einem Einbettzimmer vom Patienten einen Zuschlag in Höhe von mindestens 65 v.H. und bei der Unterbringung in einem Zweitbettzimmer einen solchen in Höhe von mindestens 25 v.H. des Basispflegesatzes verlangen muß. Gehört die Unterbringung im Zweibettzimmer zu den allgemeinen Krankenhausleistungen - hat also das Krankenhaus überhaupt keine Zimmer zur Verfügung, in denen mehr als zwei Personen untergebracht sind -, kommt ein Zweibettzimmerzuschlag nicht in Betracht; das Mindestentgelt für ein Einbettzimmer beträgt in diesem Falle 35 v.H. des Basispflegesatzes.

Der im vorliegenden Rechtsstreit beklagte Landkreis ist Träger von sechs Krankenhäusern, bei denen die Patienten für Unterkunft und Verpflegung einen Basispflegesatz von durchschnittlich ca. 135 DM täglich zu zahlen haben. Der Beklagte verlangt bei Unterbringung in einem Zweibettzimmer einen Zuschlag von durchschnittlich ca. 175 DM täglich, also einen Betrag, der den Mindestpreis von ca. 34 DM um mehr als das Fünffache übersteigt. Bei Unterbringung in einem Einbettzimmer ist ein Zuschlag in Höhe von ca. 270 DM zu bezahlen, also eine Summe, die den Mindestpreis von ca. 88 DM um mehr als das Dreifache übersteigt.

Der klagende Verband der privaten Krankenversicherung ist der Auffassung, daß die vom Beklagten verlangten Entgelte für die Wahlleistung Unterkunft unangemessen hoch sind und daher gegen § 22 Abs. 1 Satz 3 1. Halbs. BPflV verstoßen. Er verlangt, wozu er nach § 22 Abs. 1 Satz 5 BPflV ausdrücklich befugt ist, vom Beklagten Herabsetzung dieser Entgelte, und zwar auf einen Betrag von 113 DM täglich bei Unterbringung in einem Zweibettzimmer und auf 177 DM täglich bei Unterbringung in einem Einbettzimmer. Hierbei handelt es sich nach der Behauptung des Klägers um die Preise, die im Bundesgebiet durchschnittlich verlangt werden.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, daß § 22 Abs. 1 Satz 3 1. Halbs. BPflV lediglich eine Ausprägung des allgemeinen Wucherverbots sei. Deshalb sei die Preisgestaltung des Beklagten nur dann zu beanstanden, wenn zwischen dem verlangten Preis und dem Wert der Wahlleistung ein auffälliges Mißverhältnis bestehe. Davon könne nicht ausgegangen werden.

Der im Wege der Sprungrevision angerufene Bundesgerichtshof ist dieser Meinung nicht gefolgt. Er ist der Auffassung, daß bereits ein "einfaches" Mißverhältnis zwischen dem objektiven Wert der Wahlleistung und dem dafür zu entrichtenden Entgelt genügt, um den verlangten Preis als unangemessen hoch zu verwerfen. Er hat deshalb das Urteil des Landgerichts aufgehoben.

Hinsichtlich der - noch weiter zu klärenden - Frage, nach welchen Maßstäben die Angemessenheit der für die Wahlleistung Unterkunft verlangten Preise eines Krankenhauses zu überprüfen sind, hat der Bundesgerichtshof die folgenden Grundsätze aufgestellt:

1. Für die Beurteilung der Angemessenheit eines Wahlleistungsentgelts kann wegen der Eigengesetzlichkeiten des "Krankenhausmarktes" nicht auf Vergleichspreise außerhalb dieses Bereiches zurückgegriffen werden; insbesondere sind die in der Umgebung des Krankenhauses verlangten Preise im Hotelgewerbe kein Gradmesser.

2. Die von vergleichbaren Krankenhäusern verlangten Entgelte sind ebenfalls nur bedingt aussagekräftig, weil zu vermuten ist - was auch der Einschätzung des Gesetz- und Verordnungsgebers bei Schaffung der geltenden Preisvorschriften entspricht -, daß sich die für die Wahlleistung Unterkunft verlangten Entgelte insgesamt auf einem (zu) hohen Niveau befinden.

3. Ausgangspunkt für die Angemessenheitsprüfung ist daher vor allem die in § 22 Abs. 1 Satz 3 2. Halbs. BPflV enthaltene Mindestpreisregelung.

a) Unter Zugrundelegung eines nicht unerheblichen Gestaltungsspielraums, der nach Auffassung des Senats mit ca. 20 v.H. zu veranschlagen ist, können im allgemeinen ohne Rücksicht auf irgendwelche Komfortvorteile Wahlleistungsentgelte in Höhe von 30 v.H. des Basispflegesatzes bei Zweibettzimmern und in Höhe von 80 v.H. bei Einbettzimmern als noch angemessen angesehen werden (regelmäßige untere Angemessenheitsgrenze).

Hält sich ein Krankenhaus in diesem Rahmen, so hat ein Patient oder - wie hier - der Verband der privaten Krankenversicherung näher darzulegen, warum das verlangte Entgelt gleichwohl als unangemessen hoch zu verwerfen sein soll.

b) Weisen die angebotenen Einbett- und Zweibettzimmer gegenüber den sonstigen Mehrbettzimmern des Krankenhauses ein höheres Unterkunftsniveau auf - worüber allein das Krankenhaus näheren Aufschluß geben kann -, so rechtfertigt dies entsprechende Preisaufschläge. Dabei ist es bereits in der Mindestpreisregelung des § 22 Abs. 1 Satz 3 2. Halbs. BPflV angelegt, daß die Höhe des Basispflegesatzes auch bei der Angemessenheitsprüfung dieser "Komfortzimmer" bedeutsam bleibt.

Das bedeutet, daß dann, wenn eine Wahlleistungsunterkunft gegenüber den sonstigen Mehrbettzimmern ein deutliches zusätzliches Qualitätsmerkmal - wie etwa eine eigene Sanitärzone mit Dusche und WC - aufweist und die regelmäßige untere Angemessenheitsgrenze nur maßvoll überschritten wird, schon allein dieses Merkmal genügt, um die Einhaltung des Angemessenheitsgebots zu belegen. Demgegenüber sind um so höhere Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast des Krankenhauses hinsichtlich der Beachtung dieses Gebotes zu stellen, je weiter sich das geforderte Entgelt vom Mindestpreis entfernt.

 

Urteil vom 4. August 2000 - III ZR 158/99 -

Karlsruhe, den 4. August 2000

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