Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle

 

 

Nr. 85/2000

 

Bundesgerichtshof zum Abfindungsanspruch des Miterben,

der nicht Hoferbe geworden ist

 

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat entschieden, daß der Abfindungsanspruch des Miterben, der nicht Hoferbe geworden ist, in entsprechender Anwendung des § 12 Abs. 2 Satz 3 der Höfeordnung nach billigem Ermessen zu erhöhen ist, wenn die Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse in der für die Abfindung maßgeblichen Bemessung des Hofeswertes nicht mehr hinreichend zum Ausdruck kommt.

Die Höfeordnung, die in den Ländern Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein gilt, sieht vor, daß ein als Hof im Grundbuch eingetragener landwirtschaftlicher Besitz als Teil der Erbschaft nur einem der Erben (dem Hoferben) zufällt (Ausnahme von dem Grundsatz, daß die Erbschaft allen Erben gemeinschaftlich zufällt). Die Miterben, die nach dieser Regelung nicht Hoferben geworden sind, werden in Geld abgefunden. Dieser Geldanspruch bemißt sich nach dem Hofeswert im Zeitpunkt des Erbfalls, wobei als Hofeswert das Eineinhalbfache des zuletzt festgesetzten Einheitswertes (im Sinne des § 48

BewertungsG) gilt. Von diesem Hofeswert (nach Abzug der Nachlaßverbindlichkeiten, die der Hoferbe zu tragen hat) erhalten die Miterben dann einen ihrem Anteil entsprechenden Geldanspruch gegen den Hoferben. Sind sie als Erben testamentarisch ausgeschlossen, bestimmt sich der Abfindungsanspruch nach ihrem Pflichtteilsrecht.

Da der Einheitswert auch heute noch auf der Grundlage der allgemeinen Wertverhältnisse zum 1. Januar 1964 festgesetzt wird, entspricht der Hofeswert zumeist nicht mehr den heutigen Ertragswertverhältnissen, so daß die Abfindungsansprüche, gemessen am Ertragswert des Hofes, relativ gering ausfallen können. Im zu entscheidenden Fall ist der Einheitswert für den Hof zuletzt auf 73.600 DM festgesetzt worden. Die Klägerin, die Schwester des Beklagten, der Hoferbe geworden ist, meint, der wahre Hofeswert (Ertragswert) liege über 1 Mio. DM. Sie begehrt auf der Grundlage dieses Wertes (unter Berücksichtigung eines Pflichtteils von 1/16) Zahlung von knapp 90.000 DM. Die Vorinstanzen (LG Bonn/OLG Köln) haben ihr auf der Grundlage des Einheitswertes lediglich 2.300 DM zugesprochen. Der Bundesgerichtshof hat das angefochtene Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Er hält eine Erhöhung des Abfindungsanspruchs für geboten, wenn der auf der Grundlage des Einheitswertes 1964 ermittelte Hofeswert im Zeitpunkt des Erbfalls deutlich hinter dem Wert zurückbleibt, der sich bei einer aktuellen Einheitswertfestsetzung ergeben würde. Der Gesetzgeber der Höfeordnung sei im Jahre 1976 bei der Festlegung des Abfindungsanspruchs davon ausgegangen, daß das Eineinhalbfache des Einheitswertes in etwa dem wirklichen Ertragswert des Hofes entspreche und daß dies auch in der Folgezeit so bleiben werde. Das Gesetz sah nämlich vor, daß die Einheitswerte in Zeitabständen von sechs Jahren an die wirtschaftliche Entwicklung anzupassen waren (§ 21 BewertungsG). Eine solche Anpassung ist jedoch unterblieben. Soweit dadurch eine erhebliche Schieflage eingetreten ist, hält es der BGH für geboten, daß der auf der bisherigen Grundlage ermittelte Abfindungsanspruch mit einem Zuschlag zu versehen ist, damit der Vorstellung des Gesetzgebers von einem einigermaßen ausgewogenen Verhältnis zwischen Hofeswert und Ertragswert Rechnung getragen werden kann. Grundlage für die Gewährung eines solchen Zuschlags ist § 12 Abs. 2 Satz 3 Höfeordnung, der in direkter Anwendung für die Gewährung eines Zuschlags nur die besonderen Umstände des Einzelfalls vorsieht, der jedoch - so der BGH - bei Veränderung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse entsprechend anzuwenden ist. Zur Ermittlung der für die Abfindung maßgeblichen Werte ist der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen worden.

Urteil vom 17. November 2000 - V ZR 334/99 -

Karlsruhe, den 17. November 2000

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