Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle

 

 

Nr. 90/2000

 

 

DaimlerChrysler gewinnt Prozeß um E-Klasse

- Bundesgerichtshof setzt Spekulationsmarken Grenzen -

 

Der u.a. für Markensachen zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hatte sich erstmals mit der Frage zu befassen, unter welchen Voraussetzungen Privatpersonen Rechte an von ihnen angemeldeten Marken geltend machen können.

Der in Frankreich lebende Beklagte, der seinerzeit keinen Geschäftsbetrieb unterhielt, meldete am 24. November 1992 in Frankreich das Zeichen "Classe E" (u.a.) für Kraftfahrzeuge an, das auch eingetragen wurde. Im November 1995 erfolgte auf Antrag des Beklagten vom 19. April 1993 die internationale Registrierung der Marke für Deutschland. Seit Mitte des Jahres 1993 verwendet die Klägerin in der Werbung und in ihren Preislisten für die Fahrzeuge ihrer mittleren Baureihe zusammenfassend die Bezeichnung "E-Klasse". Sie benennt daneben andere Modellreihen u.a. mit den Bezeichnungen "C-Klasse" und "S-Klasse", in letzterem Fall bereits seit mehr als 20 Jahren.

Im Juli 1993 trat der Beklagte an die Klägerin heran und wies auf die für ihn in Frankreich registrierte Marke hin. Nach Verhandlungen zahlte die Klägerin für eine ausschließliche Lizenz an der französischen Marke 150.000 DM und für die auch in der Schweiz registrierte Marke einen Betrag von nahezu 50.000 DM. Zu einer Lizenzvereinbarung für Deutschland kam es nicht. Die Klägerin wies die Forderungen des Beklagten zurück und begehrt im vorliegenden Verfahren die Feststellung, daß dem Beklagten aus der Marke "Classe E" keine Ansprüche gegen sie zustehen. Sie hat sich u.a. darauf berufen, daß das Verhalten des Beklagten rechtsmißbräuchlich sei; er lasse ohne eigenen Geschäftsbetrieb eine Vielzahl von Marken für unterschiedliche Warenklassen schützen, um systematisch Gewerbetreibende als Geldquelle auszunutzen.

Das Landgericht Frankfurt am Main und das Oberlandesgericht Frankfurt am Main haben - wie von DaimlerChrysler begehrt - festgestellt, daß dem Beklagten keine Ansprüche gegen die Klägerin zustehen. Die Revision ist erfolglos geblieben. Der Bundesgerichtshof hat ausgeführt, daß das Entstehen eines Markenrechts nach der neuen Rechtslage zwar nicht mehr an einen Geschäftsbetrieb gebunden ist, so daß grundsätzlich auch Werbeagenturen, Markendesigner und jede Privatperson Markenrechte erwerben können. Die formale Rechtsstellung dürfe allerdings nicht rechtsmißbräuchlich ausgenutzt werden. Dies gelte auch für Marken, die zu Spekulationszwecken angemeldet werden.

Der Bundesgerichtshof hat die Auffassung des Berufungsgerichts gebilligt, daß vorliegend jedenfalls die Ausübung des Markenrechts gegenüber DaimlerChrysler rechtsmißbräuchlich ist und es daher offenbleiben kann, ob bereits der Rechtserwerb zu beanstanden ist. Ein rechtsmißbräuchliches Vorgehen könne in Betracht kommen, wenn ein Markeninhaber (1) eine Vielzahl von Marken für unterschiedliche Waren oder Dienstleistungen anmeldet, (2) hinsichtlich der in Rede stehenden Marken keinen ernsthaften Benutzungswillen hat - sei es zur Benutzung in einem eigenen Geschäftsbetrieb oder für dritte Unternehmen aufgrund eines bestehenden oder potentiellen konkreten Beratungskonzepts - und (3) die Marken im wesentlichen zu dem Zweck gehortet werden, Dritte, die identische oder ähnliche Bezeichnungen verwenden, mit Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen zu überziehen.

Das Berufungsgericht hatte hierzu festgestellt, daß diese Voraussetzungen im Streitfall vorlagen: Der Beklagte habe die Marke nicht ernsthaft in einem eigenen Geschäftsbetrieb nutzen oder sie der Nutzung durch Dritte im Rahmen eines Beratungskonzeptes zuführen wollen; er habe in erster Linie bezweckt, zumindest einen Teil seiner ca. 50 Marken in Bereitschaft zu halten und darauf zu warten, daß dritte Unternehmen, wie von ihm erhofft und erspürt, die Benutzung identischer oder ähnlicher Bezeichnungen aufnehmen, um diese dann mit Unterlassungs- und Geldforderungen zu überziehen. Von diesen tatrichterlichen Feststellungen hatte der Bundesgerichtshof angesichts der insoweit beschränkten Nachprüfungsmöglichkeiten in der Revisionsinstanz auszugehen.

 

Urteil vom. 23. November 2000 - I ZR 93/98 -

Karlsruhe, den 23. November 2000

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