Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle

 

 

Nr. 62/1999

 

Bundesgerichtshof entscheidet in Preismißbrauchssache

 

Heute hat der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs in der Kartellverwaltungssache des Bundeskartellamtes gegen die Deutsche Lufthansa AG über die Rechtsbeschwerde des Amtes in einer Preismißbrauchaufsichtssache (§ 19 Abs. 4 Nr. 3 GWB) mündlich verhandelt.

Das Bundeskartellamt hatte der Lufthansa 1997 untersagt, auf der Luftverkehrsstrecke zwischen Berlin und Frankfurt am Main für die Passagierbeförderung (einfacher Flug) von ihren Abnehmern ein Entgelt zu fordern, das um mehr als 10,-- DM über dem Preis liegt, den sie für gleichartige Flüge zwischen Berlin und München von ihren Kunden verlangt. Nach den Tarifen vom Stand November 1997 bedeutete dies, daß Lufthansa gehalten gewesen wäre, den Preis in der "Business"-Klasse um 115,-- DM und in der "Economy"-Klasse um 100,-- DM zu senken. Die Lufthansa war auf der Strecke Frankfurt/Berlin zunächst keinem Wettbewerb ausgesetzt. Seit Mai 1997 befliegt diese Strecke auch die Eurowings mit einem Anteil am Passagieraufkommen von ca. 11%. Auf der Strecke München/Berlin steht die Lufthansa seit 1993 in einem scharfen Preiswettbewerb mit der Deutschen BA, die eine Verlustpreisstrategie betreibt, deren dabei entstehenden Defizite von ihrer Muttergesellschaft Britisch Airways getragen werden. Das Bundeskartellamt vertritt die Ansicht, daß Lufthansa die höheren Preise auf der Flugstrecke zwischen Frankfurt und Berlin nur wegen ihrer beherrschenden Stellung durchsetzen könne, während sie sich auf der vergleichbaren München-Strecke Wettbewerbsdruck ausgesetzt sehe und deswegen geringere Entgelte fordere. Diese Preisspaltung auf vergleichbaren Märkten hält das Bundeskartellamt für mißbräuchlich. Dagegen hat Lufthansa geltend gemacht, nicht einmal die höheren Preise auf der Frankfurt-Strecke vermöchten ihre hier entstehenden Kosten zu decken, es fehle deswegen an einem preismißbräuchlichen Verhalten; darüber hinaus sei die München-Strecke wegen der Verhaltensweise der Deutschen BA kein vergleichbarer Markt.

Das Kammergericht hat die Untersagungsverfügung des Bundeskartellamtes auf die Beschwerde von Lufthansa aufgehoben. Dies greift das Bundeskartellamt mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde an.

Der Kartellsenat hat den angefochtenen Beschluß aufgehoben und die Sache an das Kammergericht zurückverwiesen. Nach seiner Entscheidung stellen die beiden Flugstrecken Frankfurt/Berlin und München/Berlin vergleichbare Märkte i.S.d. genannten Vorschrift dar. Die von dem marktbeherrschenden Unternehmen Lufthansa vorgenommene Preisspaltung begründet daher die Vermutung, daß ein Mißbrauch vorliege, den das Bundeskartellamt nach § 32 GWB - vor allem im Interesse der betroffenen Verbraucher - untersagen kann. Eine derartige Maßnahme scheidet nur dann aus, wenn es für die unterschiedliche Preisgestaltung sachlich gerechtfertigte Gründe gibt. Bei der Prüfung dieser sachlichen Rechtfertigung trifft das preisspaltende Unternehmen eine gesteigerte Mitwirkungspflicht.

Da kein, nicht einmal ein marktbeherrschendes Unternehmen gezwungen werden kann, seine Leistungen zu nicht kostendeckenden Preisen zu erbringen, führt die Preisspaltung nicht zwangsläufig zu einem Mißbrauch der marktbeherrschenden Stellung im Sinne von § 19 Abs. 4 Nr. 3 GWB, falls Lufthansa - wie sie behauptet hat - auch auf der Frankfurt-Strecke mit Verlusten abschließt, die nicht auf unternehmensindividuelle Entscheidungen zurückzuführen sind. Ob dies jedoch tatsächlich der Fall ist, hat das Kammergericht nicht geklärt, sondern stattdessen das Ergebnis der in ihrem Gedankengang nicht eindeutigen und obendrein lückenhaften Berech-

nungen der Fluggesellschaft übernommen. Diese Prüfung ist nachzuholen. Außerdem wird im Rahmen des wieder eröffneten Beschwerdeverfahrens zu prüfen sein, ob der Preisunterschied deswegen gerechtfertigt ist, weil Lufthansa sich auf der München-Strecke - will sie nicht aus dem Markt gedrängt werden - genötigt sieht, sich der Verlustpreisstrategie der Deutschen BA zu stellen.

 

Beschluß vom 22. Juli 1999 – KVR 12/98

Karlsruhe, den 22. Juli 1999

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