Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle

 

 

 

Nr. 52/1999

 

Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Fall Lacour

 

 

Das Landgericht Saarbrücken hat den Angeklagten, einen französischen Staatsbürger, in einem Indizienprozeß wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt und die besondere Schwere der Schuld festgestellt.

Der Angeklagte hatte am 22./23. August 1985 in Alsting (Frankreich) den deutschen Staatsbürger Heinz W., dessen Leiche nie gefunden wurde, aus Habgier entweder eigenhändig umgebracht oder dessen Tötung durch andere veranlaßt.

Nachdem dem Angeklagten im Jahre 1987 in Deutschland die Flucht aus der Untersuchungshaft gelungen war, wurde er wenig später in Frankreich festgenommen. Auf Ersuchen der deutschen Strafverfolgungsbehörden hatte Frankreich die weitere Strafverfolgung übernommen. Am 15. März 1990 stellte die Anklagekammer des Appellationsgerichtshofs in Metz (chambre d'accusation de cour d'appel de Metz) das Verfahren ein ("ordonnance de non-lieu"), weil dem Angeklagten eine Tatbeteiligung nicht nachzuweisen sei. Nach zwischenzeitlicher Haft in Österreich wurde der Angeklagte aufgrund internationalen Haftbefehls im Jahre 1994 an die Bundesrepublik Deutschland ausgeliefert und vom Landgericht Saarbrücken am 10. März 1997 verurteilt.

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hatte über die Frage zu entscheiden, ob einer Strafverfolgung des Angeklagten in Deutschland ein Verfahrenshindernis nach Art. 54 des am 26. März 1995 in Kraft getretenen Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ) entgegensteht, mit der Folge, daß das Strafverfahren einzustellen wäre. Der Bundesgerichtshof hat diese Frage verneint:

Art. 54 SDÜ bestimmt, daß derjenige, der in einem der Vertragsstaaten des Schengener Übereinkommens "rechtskräftig abgeurteilt" worden ist, wegen derselben Tat in einem anderen Vertragsstaat nicht verfolgt werden darf. Nach einer vom Senat beim französischen Justizministerium eingeholten Rechtsauskunft steht die in Frankreich getroffene Entscheidung über die Einstellung des Verfahrens aus tatsächlichen Gründen einer rechtskräftigen Aburteilung nach durchgeführter Hauptverhandlung jedoch nicht gleich. Der Senat teilt diese Auffassung. Danach liegt eine endgültige Sachentscheidung, die im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland in Anwendung des Schengener Durchführungsübereinkommens einen Strafklageverbrauch zur Folge hätte, nicht vor.

Da die von der Verteidigung erhobenen weiteren Verfahrensbeschwerden keinen Erfolg haben konnten und das angefochtene Urteil auch im übrigen keinen Rechtsfehler enthielt – insbesondere die vom Landgericht vorgenommene Beweiswürdigung, wonach der Angeklagte als Allein- oder Mittäter überführt sei, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden war - , hat der Bundesgerichtshof die Revison als unbegründet verworfen.

Urteil vom 10. Juni 1999 – 4 StR 87/98

Karlsruhe, den 10. Juni 1999

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