Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle

 

 

Nr. 101/1999

Bundesgerichtshof zur Wirksamkeit von Geschäften im Münzhandel

 

Im Prozeß zwischen einem Münzsammler und einer Münzhandelsfirma hatte der für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes zu entscheiden, ob die im gewerblichen Münzhandel übliche Preisbildung als sittenwidrig anzusehen ist.

Der Münzsammler hatte mit seiner Klage den Kaufpreis in Höhe von rund 20.000 DM zurückgefordert, den er für zahlreiche ausländische Sondermünzen bezahlt hatte. Zur Begründung hatte er ausgeführt, für ihn habe keine kalkulierbare realistische Chance bestanden, die erworbenen Münzen zu einem höheren Preis als dem am reinen Metallwert orientierten Rücknahmepreis des Münzhandels – im vorliegenden Fall insgesamt 2.250 DM – zu verkaufen. Nach diesem Preis bestimme sich der Verkehrswert der Münzen. Da der Kaufpreis der einzelnen Münzen ein Mehrfaches des jeweiligen Verkehrswertes betragen habe, bestehe ein auffälliges Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung mit der Folge, daß die Kaufverträge über die Münzen wegen Sittenwidrigkeit nichtig seien.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr im wesentlichen stattgegeben, zugleich jedoch wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Es hat sich der Rechtsauffassung des Klägers angeschlossen, auf der Grundlage eines erstinstanzlich eingeholten Gutachtens den Wiederverkaufswert der Sammlung mit rd. 2.250 DM angenommen und daraus auf ein zur Sittenwidrigkeit führendes auffälliges Mißverhältnis zwischen den Leistungen beider Parteien geschlossen.

Auf die Revision der beklagten Münzhandelsfirma hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben. Er hat die Sittenwidrigkeit des Geschäfts verneint. Für die Beurteilung, ob ein Kaufvertrag wegen eines auffälligen, groben Mißverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung sittenwidrig und nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist, ist zwar der marktübliche Preis maßgebend. Der Handel mit Sondermünzen zeichnet sich aber durch die Besonderheit aus, daß ein einheitlicher Markt für den Verkauf durch den gewerblichen Handel und den Wiederverkauf durch den Sammler nicht besteht. Vielmehr existieren zwei von einander unabhängige Märkte, auf denen für ein und dieselbe Ware stark unterschiedliche Preise gezahlt werden, je nachdem, ob sich die beiden Gruppen der Marktteilnehmer – Händler und Sammler – als Anbieter oder Nachfrager oder in umgekehrter Rolle gegenüberstehen. Diese Unterschiede erklären sich – für den Kunden erkennbar – vor allem daraus, daß solche Sonder- und Gedenkmünzen üblicherweise nicht zum Zweck des Weiterverkaufs, sondern zum dauernden Besitz erworben werden.

Da mithin nicht die beiden Märkte miteinander, sondern nur die Verhältnisse innerhalb des jeweiligen Marktes vergleichbar sind, können für die Frage, ob der Kläger die Münzen zu sittenwidrig überhöhten Preisen erworben hat, nicht die Verkaufspreise des Münzhandels mit dessen Rücknahmepreisen verglichen werden. Entscheidend ist vielmehr, ob die von den Parteien vereinbarten Kaufpreise deutlich über denjenigen lagen, die von anderen Händlern für dieselben Münzen beim Verkauf an Sammler gefordert wurden. Hierfür bot der vorliegende Fall keine Anhaltspunkte.

Der Bundesgerichtshof hat jedoch darüber hinaus erwogen, daß eine Haftung der beklagten Münzhandelsfirma wegen Verschuldens bei Vertragsschluß in Betracht kommt. Zwar sei die Verkäuferin unter den gegebenen Umständen nicht verpflichtet gewesen, ungefragt den Käufer über den möglichen – geringen – Wiederverkaufswert der Sammlermünzen aufzuklären. Im Hinblick auf die von der Beklagten mindestens in zwei Fällen angepriesenen Chancen einer "attraktiven" und "exzellenten" Wertsteigerung der angebotenen Münzen sei aber nicht auszuschließen, daß der Kläger durch schuldhaft unzutreffende Angaben der Beklagten über den Wiederverkaufswert der Münzen zum Kauf veranlaßt worden sei. Daraus könne sich ein Schadensersatzanspruch des Klägers ergeben. Zur Klärung dieser Frage in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht hat der Bundesgerichtshof die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Urteil vom 22. Dezember 1999 – VIII ZR 111/99

Karlsruhe, den 22. Dezember 1999

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