Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle

 

 

Nr. 84/1999

Körperverletzung durch Sterilisation bei

einer Kaiserschnittoperation

Der 5. (Leipziger) Strafsenat hat ein Urteil des Landgerichts Chemnitz aufgehoben, mit dem zwei Ärzte wegen fahrlässiger Körperverletzung zu Freiheitsstrafen von neun Monaten bzw. einem Jahr, jeweils mit Strafaussetzung zur Bewährung, verurteilt worden waren. Damit hatten die Revisionen der Staatsanwaltschaft Erfolg, die eine Verurteilung wegen einer (vorsätzlichen) schweren Körperverletzung begehrt hatte. Die Revisionen der Angeklagten hat der Senat verworfen.

Die Angeklagten, beide Fachärzte für Gynäkologie, hatten im Anschluß an eine Kaiserschnittoperation, bei der es zu Komplikationen gekommen war, eine 24jährige Frau sterilisiert, ohne zuvor deren Einwilligung eingeholt zu haben. Unmittelbar vor der Operation hatte die junge Frau auf die Frage der angeklagten Ärztin, "Sie wollen doch sicher keine Kinder mehr haben, wir wollen sie gleich mit sterilisieren?" eine Sterilisation ausdrücklich abgelehnt.

Das Landgericht hatte eine mutmaßliche Einwilligung der Patientin in die Sterilisation verneint, den Angeklagten jedoch einen (pflichtwidrigen) Irrtum über die Voraussetzungen dieses Rechtfertigungsgrundes zugebilligt, weil den Ärzten der "Vorsatz zum Heilen" nicht abgesprochen werden könne.

Dies allein schloß jedoch nach Auffassung des Bundesgerichtshofs eine eigenmächtige Heilbehandlung nicht aus. Vielmehr kam auch in Betracht, daß die Angeklagten sich über das Selbstbestimmungsrecht der Patientin hinweggesetzt haben, weil sie sich hierfür im gesundheitlichen Interesse der Patientin für berechtigt hielten. Das Landgericht hätte die subjektive Vorstellung der Ärzte aufgrund einer Gesamtbetrachtung feststellen müssen. Dabei hätte insbesondere berücksichtigt werden müssen, daß das Risiko lebensgefährlicher Komplikationen im Falle einer erneuten Schwangerschaft gering und zudem durch moderne Diagnostik beherrschbar war. Auch hätte eine erneute Schwangerschaft durch schonendere empfängsnisverhütende Methoden als die Sterilisation vermieden werden können, und es wäre eine spätere Sterilisation ohne nennenswert erhöhtes Risiko für die Patientin möglich gewesen wäre.

Die Sache muß daher erneut vor dem Landgericht Chemnitz verhandelt werden.

 

Urteil vom 04. Oktober 1999 – 5 StR 712 /98

Karlsruhe, den 04. Oktober 1999

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