Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 101/2021

Verhandlungstermin am 29. Juli 2021 um 9.00 Uhr in den

Sachen I ZR 90/20, I ZR 125/20 und I ZR 126/20, Saal E 101,

(Zur Pflicht von Influencerinnen, ihre Instagram

-Beiträge als Werbung zu kennzeichnen)

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in drei Verfahren über die Frage zu entscheiden, ob Influencerinnen verpflichtet sind, ihre Instagram-Beiträge als Werbung zu kennzeichnen.

Kläger ist in allen Verfahren ein Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder einschließlich der Verfolgung von Verstößen gegen das Lauterkeitsrecht gehört. Die Beklagten sind Influencerinnen, die auf der Social-Media-Plattform Instagram regelmäßig Bilder veröffentlichen. Bestandteil der Bilder sind von den Beklagten eingefügte sogenannte "Tap Tags". Klickt man auf das mit "Tap Tags" versehene Bild eines Instagram-Beitrags, erscheinen die "Tap Tags", die die Firmen bzw. Marken der Hersteller von Produkten oder der Inhaber von Betrieben enthalten, die in der Regel auf dem jeweiligen Bild zu sehen sind. Durch einen Klick auf einen "Tap Tag" wird der Nutzer auf das Instagram-Profil des jeweiligen Unternehmens weitergeleitet.

Der Kläger sieht darin unzulässige Schleichwerbung und nimmt die Beklagten jeweils auf Unterlassung und Ersatz einer Abmahnkostenpauschale in Anspruch.

Zum Verfahren I ZR 90/20:

Sachverhalt:

Die Beklagte veröffentlicht auf Instagram insbesondere Bilder von Sportübungen sowie Fitness- und Ernährungstipps. Darüber hinaus unterhält sie eine gewerbliche Internetseite, auf der sie Fitnesskurse und Personaltrainings gegen Entgelt anbietet und einen Online-Shop betreibt. Wird das Profil der Beklagten bei Instagram aufgerufen, erscheint unter anderem ein Hinweis auf ihre Internetadresse und eine App, die ihren Profilnamen trägt.

Bezüglich eines der streitgegenständlichen Instagram-Beiträge hat die Beklagte eingeräumt, dass eine Kooperation mit dem verlinkten Unternehmen bestanden habe. In diesem Fall hieß es in dem das Bild begleitenden Text: "Heute konnte ich zumindest der lieben @[…] eine Freude bereiten und sie erhält unter anderem die ganze neue Raspberry Jam von […] (*Werbung: gibt's ab morgen neu im Shop)."

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Es hat angenommen, dem Kläger stehe ein Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 5a Abs. 6 UWG und ein Anspruch auf Ersatz einer Abmahnkostenpauschale zu. Die beanstandeten Handlungen stellten geschäftliche Handlungen im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG zur Förderung des Absatzes der Drittunternehmen dar. Dabei sei nicht allein entscheidend, ob die Beklagte Gegenleistungen von den Unternehmen erhalten habe, da eine Gesamtwürdigung der objektiven Begleitumstände vorzunehmen sei. Entgegen § 5a Abs. 6 UWG sei der kommerzielle Zweck der Drittwerbung nicht ausreichend kenntlich gemacht worden. Die fehlende Kenntlichmachung sei geeignet, den Verbraucher zu andernfalls nicht getroffenen geschäftlichen Entscheidungen zu veranlassen.

Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Vorinstanzen:

LG Göttingen - Urteil vom 13. November 2019 - 3 O 22/19

OLG Braunschweig - Urteil vom 13. Mai 2020 - 2 U 78/19

Zum Verfahren I ZR 125/20:

Sachverhalt:

Die Beklagte unterhält bei Instagram einen Account, der von ihr überwiegend kommerziell genutzt wird und von 1,7 Millionen Nutzern abonniert war. Der Account ist verifiziert und daher am Anfang des Profils mit einem blauen Haken versehen. Die Beklagte veröffentlicht regelmäßig Bilder von sich selbst mit kurzen Begleittexten zu den Themen Beauty, Mode, Lifestyle und Reisen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, dem Kläger stehe kein Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 5a Abs. 6 UWG und kein Anspruch auf Ersatz einer Abmahnkostenpauschale zu. Bei den streitgegenständlichen Instagram-Beiträgen und den darin enthaltenen Tap Tags handele es sich zwar um geschäftliche Handlungen im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG, da die Beklagte sowohl den Absatz von Waren oder Dienstleistungen der beworbenen Unternehmen als auch ihr eigenes Unternehmen fördere. Eine wettbewerbswidrige Handlung gemäß § 5a Abs. 6 UWG liege jedoch nicht vor, da sich der kommerzielle Zweck der geschäftlichen Handlung unmittelbar aus den Umständen ergebe. Darüber hinaus sei das Nichtkenntlichmachen des kommerziellen Zwecks nicht dazu geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte. Eine Unlauterkeit nach § 3a UWG in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG wegen einer fehlenden Erkennbarkeit von kommerzieller Kommunikation scheide aus, da gemäß § 2 Satz 1 Nr. 5 Buchst. b TMG eine kommerzielle Kommunikation nicht bei Angaben zu Waren und Dienstleistungen vorliege, die unabhängig und insbesondere ohne finanzielle Gegenleistung gemacht würden. Der Kläger habe nicht substantiiert vorgetragen, dass die Beklagte für die streitgegenständlichen "Tap Tags" eine Gegenleistung erhalten habe. Daher scheide ebenso eine Unlauterkeit nach Nr. 11 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG wegen als Information getarnter Werbung aus, denn auch insoweit sei ein vom Unternehmer finanzierter Einsatz Voraussetzung. Schließlich folge eine Unlauterkeit nicht aus § 3a UWG in Verbindung mit den Vorschriften des Rundfunkstaatsvertrags zur Erkennbarkeit von Werbung, denn auch § 2 Abs. 2 Nr. 7 RStV setze voraus, dass es sich um entgeltliche Werbung handle.

Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Vorinstanzen:

LG Hamburg - Urteil vom 28. März 2019 - 403 HKO 127/18

OLG Hamburg - Urteil vom 2. Juli 2020 - 15 U 142/19

Zum Verfahren I ZR 126/20:

Sachverhalt:

Die Beklagte veröffentlicht auf Instagram regelmäßig Bilder von sich selbst, oftmals mit kurzen Begleittexten. Darin beschäftigt sie sich vor allem mit Themen wie Mode, ihrem Leben als Mutter eines Kleinkinds, Yoga oder Reisen. Diejenigen Instagram-Beiträge, für die die Beklagte nach eigenem Bekunden von den verlinkten Unternehmen bezahlt wird, kennzeichnet sie mit dem Hinweis "bezahlte Partnerschaft mit …". Die streitgegenständlichen Beiträge enthielten keine entsprechende Kennzeichnung. In einem Fall postete die Beklagte die Abbildung eines Stofftier-Elefanten, ohne dessen Hersteller mithilfe eines "Tags" zu verlinken.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Es hat angenommen, dem Kläger stehe kein Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 5a Abs. 6 UWG und kein Anspruch auf Ersatz einer Abmahnkostenpauschale zu. Es fehle an einer geschäftlichen Handlung der Beklagten im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG. Die Informationen zu den von ihr verwendeten Produkten, inklusive der angebrachten Tags und Links, gehörten zum "redaktionellen" Teil ihrer Beiträge. Selbst wenn man mit Blick darauf, dass die Beiträge der Förderung des eigenen Images zur Erlangung von Werbeverträgen dienten, vom Vorliegen einer geschäftlichen Handlung ausginge, wäre diese nicht gemäß § 5a Abs. 6 UWG unlauter, da sich dieser kommerzielle Zweck unmittelbar aus den Umständen ergäbe und es daher einer besonderen Kenntlichmachung nicht bedürfte. Eine Unlauterkeit nach § 3a UWG in Verbindung mit Vorschriften des Rundfunkstaatsvertrags oder mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG scheide aus, weil hinsichtlich der streitgegenständlichen Beiträge kein Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung geflossen sei.

Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.

Vorinstanzen:

LG München I - Urteil vom 29. April 2019 - 4 HK O 14312/18

OLG München - Urteil vom 25. Juni 2020 - 29 U 2333/19

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG

Im Sinne dieses Gesetzes bedeutet

"geschäftliche Handlung" jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt; als Waren gelten auch Grundstücke, als Dienstleistungen auch Rechte und Verpflichtungen; […]

§ 3 Abs. 1 und 3 UWG

(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.

(3) Die im Anhang dieses Gesetzes aufgeführten geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern sind stets unzulässig.

Nr. 11 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG

Unzulässige geschäftliche Handlungen im Sinne des § 3 Absatz 3 sind […] der vom Unternehmer finanzierte Einsatz redaktioneller Inhalte zu Zwecken der Verkaufsförderung, ohne dass sich dieser Zusammenhang aus dem Inhalt oder aus der Art der optischen oder akustischen Darstellung eindeutig ergibt (als Information getarnte Werbung); […]

§ 3a UWG

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 5a Abs. 6 UWG

Unlauter handelt auch, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

§ 8 Abs. 1 Satz 1 UWG

Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG

Die Ansprüche aus Absatz 1 stehen zu: […]

2. rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, wenn sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen und soweit die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt; […]

§ 2 Satz 1 Nr. 5 Buchst. b TMG in der bis zum 26. November 2020 gültigen Fassung

Im Sinne dieses Gesetzes […]

5. ist kommerzielle Kommunikation jede Form der Kommunikation, die der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren, Dienstleistungen oder des Erscheinungsbilds eines Unternehmens, einer sonstigen Organisation oder einer natürlichen Person dient, die eine Tätigkeit im Handel, Gewerbe oder Handwerk oder einen freien Beruf ausübt; die Übermittlung der folgenden Angaben stellt als solche keine Form der kommerziellen Kommunikation dar: […]

b) Angaben in Bezug auf Waren und Dienstleistungen oder das Erscheinungsbild eines Unternehmens, einer Organisation oder Person, die unabhängig und insbesondere ohne finanzielle Gegenleistung gemacht werden.

§ 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG

Diensteanbieter haben bei kommerziellen Kommunikationen, die Telemedien oder Bestandteile von Telemedien sind, mindestens die folgenden Voraussetzungen zu beachten:

1. Kommerzielle Kommunikationen müssen klar als solche zu erkennen sein.

§ 2 Abs. 2 Nr. 7 Satz 1 RStV in der in der bis zum 6. November 2020 gültigen Fassung

Im Sinne dieses Staatsvertrags ist […]

7. Werbung jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs, die im Rundfunk von einem öffentlich-rechtlichen oder einem privaten Veranstalter oder einer natürlichen Person entweder gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung oder als Eigenwerbung gesendet wird, mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen, gegen Entgelt zu fördern.

§ 58 Abs. 1 RStV in der in der bis zum 6. November 2020 gültigen Fassung

Werbung muss als solche klar erkennbar und vom übrigen Inhalt der Angebote eindeutig getrennt sein. In der Werbung dürfen keine unterschwelligen Techniken eingesetzt werden.

Karlsruhe, den 28. Mai 2021

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
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