Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 46/2023

Urteil gegen Göttinger Hochschullehrer

teilweise aufgehoben

Urteil vom 8. März 2023 – 6 StR 378/22

Das Landgericht Göttingen hat den Angeklagten wegen mehrfacher gefährlicher Körperverletzung im Amt in Tateinheit mit Nötigung und Freiheitsberaubung, mehrfacher Körperverletzung im Amt, teilweise in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und Nötigung und teilweise in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, sowie wegen fahrlässiger Körperverletzung im Amt zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt. Im Übrigen hat es ihn freigesprochen. Die Vollstreckung der Strafe hat es zur Bewährung ausgesetzt. Gegen das Urteil haben die Staatsanwaltschaft und die Nebenklägerin H. Revision eingelegt; die Staatsanwaltschaft hat ihr Rechtsmittel auf zwei Taten zum Nachteil der H. beschränkt.

Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen bestellte der Angeklagte, ein Hochschullehrer, die Nebenklägerin H. in zehn Fällen zu Besprechungsterminen außerhalb der Dienstzeiten in sein Büro, schloss dieses jeweils ab und eröffnete ihr, dass er sie wegen angeblicher Verfehlungen durch Schläge mit einem "Bambusstock" auf das bekleidete Gesäß und auf ihre Waden sowie – bei späteren Taten – mit der flachen Hand auf ihr entblößtes Gesäß "bestrafen" wolle. Als die Nebenklägerin dies ablehnte, kündigte der Angeklagte jeweils an, die Zusammenarbeit mit ihr zu beenden und ihr Promotionsvorhaben nicht weiter zu betreuen. Aus Angst vor den ihr in Aussicht gestellten beruflichen wie – mit Blick auf ein Stipendium – finanziellen Folgen, "willigte" die Nebenklägerin in die Schläge in acht Fällen ein. In zwei weiteren Fällen kündigte der Angeklagte diese Folgen für den Fall ihrer Weigerung nicht ausdrücklich an. Die Nebenklägerin "willigte" gleichwohl ein, weil ihr die vom Angeklagten zuvor benannten Konsequenzen "noch präsent" waren.

Der 6. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat das Urteil auf die Revisionen in den beiden letztgenannten Fällen wegen einer rechtsfehlerhaften Ablehnung der Strafbarkeit des Angeklagten auch wegen Nötigung aufgehoben. Insoweit hätte das Landgericht die Tathandlungen auch unter dem Gesichtspunkt einer konkludenten Drohung würdigen müssen. In diesem Umfang hat der Senat die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Göttingen zurückverwiesen, die auch eine neue Gesamtstrafe verhängen wird. Die weitergehende Revision der Nebenklägerin H. hat der Senat verworfen.

Vorinstanz:

Landgericht Göttingen – Urteil vom 30. März 2022 – 1 KLs 11/19

Vorschriften aus dem StGB:

§ 177 Sexuelle Nötigung; Vergewaltigung (in der bis zum 9.11.2016 geltenden Fassung)

(1) Wer eine andere Person

3.unter Ausnutzung einer Lage, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist,

nötigt, sexuelle Handlungen des Täters oder eines Dritten an sich zu dulden oder an dem Täter oder einem Dritten vorzunehmen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

§ 240 Nötigung

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(4) 1In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. 2Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

2. seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht.

Karlsruhe, den 8. März 2023

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
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