BundesgerichtshofMitteilung der PressestelleNr. 118/2021 Verhandlungstermin am 7. Oktober 2021 um 11.00 Uhr in Sachen I ZR 146/20 (Werbung für Fernbehandlungen)
Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat darüber zu entscheiden, ob eine private Krankenversicherung für ärztliche Fernbehandlungen über eine App durch im Ausland ansässige Ärzte werben darf. Sachverhalt: Die Klägerin ist ein eingetragener Verein zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Die Beklagte warb auf ihrer Webseite für die Leistungen einer privaten Krankenversicherung und insbesondere für das Angebot eines "digitalen Arztbesuchs" mittels einer App bei in der Schweiz ansässigen Ärzten. Die Klägerin sieht in dieser Werbung einen Verstoß gegen das Verbot der Werbung für Fernbehandlungen nach § 9 HWG. Sie nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch. Bisheriger Prozessverlauf: Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Gegen diese Entscheidung hat die Beklagte Berufung eingelegt. Im Laufe des Berufungsverfahrens ist § 9 HWG durch das Gesetz für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation ("Digitale-Versorgung-Gesetz") vom 9. Dezember 2019 ergänzt worden. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Es hat angenommen, die Beklagte habe für eine digitale ärztliche Primärversorgung geworben, bei der in Deutschland befindliche Patienten von im Ausland ansässigen Ärzten Diagnosen, Therapieempfehlungen und Krankschreibungen erhalten könnten, ohne dafür persönlich zum Arzt gehen zu müssen. Dies stelle einen Verstoß sowohl gegen die alte als auch gegen die neue Fassung von § 9 HWG dar. Die Werbung für eine Fernbehandlung sei auch dann unzulässig, wenn die beworbene Fernbehandlung selbst zulässig sei. Deshalb komme es nicht darauf an, ob für die hier in Rede stehende Tätigkeit der in der Schweiz ansässigen Ärzte eine schweizerische oder eine deutsche Berufsordnung maßgeblich und die Fernbehandlung danach zulässig sei. Bei § 9 HWG handele es sich um eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG, so dass der Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG begründet sei. Mit ihrer vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Vorinstanzen: LG München I - Urteil vom 16. Juli 2019 - 33 O 4026/18 OLG München - Urteil vom 9. Juli 2020 - 6 U 5180/19 Die maßgeblichen Vorschriften lauten: § 3 Abs. 1 UWG Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig. § 3a UWG Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen. § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. § 9 HWG in der Fassung bis zum 18.12.2019 Unzulässig ist eine Werbung für die Erkennung oder Behandlung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden, die nicht auf eigener Wahrnehmung an dem zu behandelnden Menschen oder Tier beruht (Fernbehandlung). § 9 HWG in der Fassung seit dem 19.12.2019 Unzulässig ist eine Werbung für die Erkennung oder Behandlung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden, die nicht auf eigener Wahrnehmung an dem zu behandelnden Menschen oder Tier beruht (Fernbehandlung). Satz 1 ist nicht anzuwenden auf die Werbung für Fernbehandlungen, die unter Verwendung von Kommunikationsmedien erfolgen, wenn nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen nicht erforderlich ist. Karlsruhe, den 30. Juni 2021
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