Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 136/2017

Verhandlungstermin am 12. September 2017 in Sachen X ZR 102/16 und X ZR 106/16, 9.00 Uhr (Ausgleichsleistungen bei

sog. "Wet-Lease-Vereinbarung"

Die Kläger verlangen von dem beklagten Luftfahrtunternehmen wegen einer Flugverspätung Ausgleichsleistungen entsprechend Art. 5 Abs. 1 Buchst. c* und Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b** der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 296/91 (FluggastrechteVO).

Die Kläger buchten bei dem beklagten Luftfahrtunternehmen je einen Platz für den Flug mit deren Flugnummer am 25. Juli 2014 von Düsseldorf nach Nador/?Marokko. Der Flug wurde unter dem IATA-Code der Beklagten, jedoch mit einem Flugzeug und einer Besatzung durchgeführt, die die Beklagte bei dem spanischen Luftfahrtunternehmen S aufgrund einer sog. "Wet-Lease-Vereinbarung" (Vereinbarung über das Ver- oder Anmieten eines Flugzeugs mit Besatzung zwischen zwei Luftfahrtunternehmen) angemietet hatte. In der Buchungsbestätigung und im elektronischen Flugschein ist die Beklagte als ausführendes Unternehmen ausgewiesen. Der Flug erreichte Nador mit einer Verspätung von mehr als sieben Stunden.

Das Amtsgericht hat die jeweils auf Zahlung der Ausgleichsleistungen sowie (nur im Verfahren X ZR 102/16) auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichteten Klagen abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufungen zurückgewiesen. Mit den vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen verfolgen die Kläger ihre in den Vorinstanzen gestellten Anträge weiter.

Wie bereits das Amtsgericht hat auch das Landgericht in den Streitfällen als ausführendes Luftfahrtunternehmen, gegenüber dem der Anspruch auf Ausgleichsleistung nach der Fluggastrechteverordnung geltend gemacht werden kann, nicht das beklagte Luftfahrtunternehmen angesehen, sondern das Luftfahrtunternehmen, von dem dieses das Flugzeug und die Besatzung aufgrund der "Wet-Lease-Vereinbarung" gemietet habe. Das beklagte Luftfahrtunternehmen sei auch nicht wie das ausführende Luftfahrtunternehmen zu behandeln, obwohl es sich gegenüber den Klägern in der Buchungsbestätigung und im elektronischen Ticket als solches bezeichnet habe. Zwar habe das beklagte Luftfahrtunternehmen dadurch gegen seine Verpflichtung nach Art. 11 VO (EG) Nr. 2111/2005*** über die rechtzeitige Information der Fluggäste über die Identität des ausführenden Luftfahrtunternehmens verstoßen. Nach Art. 13 VO**** (EG) Nr. 2111/2005 hätten aber die EU-Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen zur Einhaltung der Verordnung zu treffen und für Verstöße gegen diese Regeln Sanktionen festzulegen. Mangels einer entsprechenden Umsetzung in das deutsche Recht fehle es an einer entsprechenden Vorschrift. Dem Fluggast, der infolge eines Verstoßes gegen Art. 11 VO (EG) das vertragliche als ausführendes Luftfahrtunternehmen in Anspruch genommen habe, könne daher von diesem lediglich die Kosten ersetzt bekommen, die ihm infolge der falschen gerichtlichen Inanspruchnahme entstanden seien. Ein solcher Anspruch sei von der Klägern aber nicht geltend gemacht worden.

Vorinstanzen:

X ZR 102/16

AG Düsseldorf - Urteil vom 7. April 2016 - 47 C 390/15

LG Düsseldorf - Urteil vom 28. Oktober 2016 22 S 139/16

und

X ZR 106/16

AG Düsseldorf - Urteil vom 17. Februar 2016 - 54 C 176/15

LG Düsseldorf - Urteil vom 28. Oktober 2016 22 S 90/16

Karlsruhe, den 4. September 2017

*Art. 5 Abs. 1 Buchst. c FluggastrechteVO – Annullierung

(1) Bei Annullierung eines Fluges werden den betroffenen Fluggästen

c) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Art. 7 eingeräumt, es sei denn,

i)sie werden über die Annullierung mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet, oder

ii)sie werden über die Annullierung in einem Zeitraum zwischen zwei Wochen und sieben Tagen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als zwei Stunden vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens vier Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen, oder

iii)sie werden über die Annullierung weniger als sieben Tage vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als eine Stunde vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens zwei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen.

**Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b FluggastrechteVO – Ausgleichsanspruch

(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten Fluggäste Ausgleichszahlungen in folgender Höhe:

b) 400 EUR bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von 1.500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1.500 km und 3.500 km,

***Art. 11 VO (EG) Nr. 2111/2005 - Informationen über die Identität des ausführenden Luftfahrtunternehmens

(1)Bei der Buchung unterrichtet der Vertragspartner für die Beförderung im Luftverkehr unabhängig vom genutzten Buchungsweg die Fluggäste bei der Buchung über die Identität der/des ausführenden Luftfahrtunternehmen(s).

(2)Ist die Identität des ausführenden Luftfahrtunternehmens bei der Buchung noch nicht bekannt, so stellt der Vertragspartner für die Beförderung im Luftverkehr sicher, dass der Fluggast über den Namen der bzw. des Luftfahrtunternehmen(s) unterrichtet wird, die bzw. das wahrscheinlich als ausführende(s) Luftfahrtunternehmen der betreffenden Flüge tätig werden bzw. wird. In diesem Fall sorgt der Vertragspartner für die Beförderung im Luftverkehr dafür, dass der Fluggast über die Identität der bzw. des ausführenden Luftfahrtunternehmen(s) unterrichtet wird, sobald diese Identität feststeht.

(3)Wird das bzw. die ausführenden Luftfahrtunternehmen nach der Buchung gewechselt, so leitet der Vertragspartner für die Beförderung im Luftverkehr unabhängig vom Grund des Wechsels unverzüglich alle angemessenen Schritte ein, um sicherzustellen, dass der Fluggast so rasch wie möglich über den Wechsel unterrichtet wird. In jedem Fall werden die Fluggäste bei der Abfertigung oder, wenn keine Abfertigung bei einem Anschlussflug erforderlich ist, beim Einstieg unterrichtet.

(4)Das Luftfahrtunternehmen oder gegebenenfalls der Reiseveranstalter sorgen dafür, dass der betreffende Vertragspartner für die Beförderung im Luftverkehr über die Identität der oder des Luftfahrtunternehmen(s) unterrichtet wird, sobald diese Identität feststeht, insbesondere im Falle eines Wechsels des Luftfahrtunternehmens.

(5)Wurde ein Verkäufer von Flugscheinen nicht über die Identität des ausführenden Luftfahrtunternehmens unterrichtet, so ist er für die Nichteinhaltung der Vorschriften dieses Artikels nicht verantwortlich.

(6)Die Verpflichtung des Vertragspartners für die Beförderung im Luftverkehr zur Unterrichtung des Fluggasts über die Identität des ausführenden Luftfahrtunternehmens ist in den für den Beförderungsvertrag geltenden allgemeinen Geschäftsbedingungen aufzuführen.

****Art. 13 VO (EG) Nr. 2111/2005 – Sanktionen

Die Mitgliedstaaten treffen die zur Einhaltung der in diesem Kapitel festgelegten Regeln erforderlichen Maßnahmen und legen

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