BundesgerichtshofMitteilung der PressestelleNr. 261/2009 Verena Becker der Beihilfe zum Mord an Generalbundesanwalt
Buback und seinen Begleitern dringend verdächtig
- Haftbefehl jedoch aufgehoben
Das ehemalige "RAF"-Mitglied Verena Becker befindet sich seit August 2009 wegen des Vorwurfs der Mittäterschaft an der Ermordung von Generalbundesanwalt Buback und seinen Begleitern in Untersuchungshaft. Auf ihre Beschwerde hat der 3. Strafsenat (Staatsschutzsenat) des Bundesgerichtshofs den Haftbefehl aufgehoben. Er hält Verena Becker zwar der Beihilfe zu diesem Anschlag für dringend verdächtig, sieht jedoch keinen für die Anordnung von Untersuchungshaft zwingend erforderlichen Haftgrund. Am 7. April 1977 lauerten zwei Mitglieder der "RAF" dem Dienstwagen des Generalbundesanwalts Buback auf der Fahrt zum Dienstgebäude der Bundesanwaltschaft auf. Sie verwendeten ein Motorrad, das von dem damaligen "RAF"-Mitglied Sonnenberg angemietet worden war. Als das Dienstfahrzeug kurz nach 9.00 Uhr an einer Verkehrsampel anhalten musste, fuhren die Täter rechts neben den PKW. Die Person auf dem Soziussitz gab mit einem Selbstladegewehr eine Serie von mindestens 15 Schüssen durch die Seitenfenster auf die drei Insassen des Dienstfahrzeugs ab. Generalbundesanwalt Buback und sein Fahrer Göbel verstarben noch am Tatort. Erster Justizhauptwachtmeister Wurster erlag am 13. April 1977 den schweren Schussverletzungen, die er bei dem Attentat erlitten hatte. Verena Becker und Sonnenberg wurden am 3. Mai 1977 in Singen festgenommen. In einem Sonnenberg gehörenden Rucksack führten sie das bei dem Anschlag vom 7. April 1977 verwendete Selbstladegewehr bei sich. Um Ihre Festnahme zu verhindern, schossen sie auf mehrere Polizeibeamte und verletzten diese teilweise. Sonnenberg und Verena Becker wurden bei der Schießerei auch selbst getroffen. Wegen der bei ihrer Festnahme begangenen Straftaten - u. a. mehrfachen versuchten Mordes - verhängte das Oberlandesgericht Stuttgart gegen beide eine lebenslange Freiheitsstrafe. Den gegen Verena Becker noch nicht vollstreckten Teil dieser Strafe erließ der Bundespräsident im Gnadenwege, nachdem sie neun Jahre und etwa zwei Monate verbüßt hatte. Das Ermittlungsverfahren gegen Verena Becker wegen der Ermordung von Generalbundesanwalt Buback und seiner Begleiter wurde im Jahre 1980 mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt, im Jahre 2008 aufgrund neuer Ermittlungsansätze aber wieder aufgenommen. In der Zwischenzeit ist u. a. ermittelt worden, dass Speichelspuren auf Umschlägen, in denen Selbstbezichtigungs-schreiben zu dem Anschlag vom 7. April 1977 versendet worden waren, von Verena Becker stammen. Bei einer Durchsuchung sind Schriftstücke gefunden worden, die möglicherweise einen Bezug zu der Tat aufweisen. Außerdem hat das ehemalige "RAF"-Mitglied Boock als Zeuge Angaben zu den damaligen Vorgängen innerhalb der "RAF" gemacht. Gegen Verena Becker ist auf der Grundlage dieser neuen Ermittlungsergebnisse am 26. August 2009 vom Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs Haftbefehl erlassen worden. Auf ihre Beschwerde hatte der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs darüber zu entscheiden, ob sie der Beteiligung an dem Attentat auf General-bundesanwalt Buback sowie seine Begleiter dringend verdächtig ist und ob ein Grund für die Anordnung der Untersuchungshaft vorliegt. Der Senat hat aufgrund des derzeitigen Ergebnisses der Ermittlungen bei der in diesem Verfahrensstadium gebotenen vorläufigen Würdigung der Beweise zwar einen dringenden Verdacht dahin bejaht, dass Verena Becker an dem Anschlag vom 7. April 1977 beteiligt war. Dabei sieht der Senat - insoweit in Übereinstimmung mit der Bundesanwaltschaft - keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass sie den Anschlag unmittelbar - etwa als Fahrerin des Motorrads oder Schützin - ausgeführt hat. Als konkreter Beitrag zu dieser Tat ist ihr mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit jedoch lediglich nachweisbar, dass sie innerhalb der "RAF" besonders offensiv die Parolen der damals in Stammheim inhaftierten "RAF"-Mitglieder vertrat, darunter auch den Befehl "Der General muss weg". Dieses Verhalten ist aber nicht geeignet, den Vorwurf der Mittäterschaft oder der Anstiftung zu begründen. Dies belegt lediglich den dringenden Verdacht, die eigentlichen Täter zumindest psychisch bei Begehung der Tat bestärkt und damit Beihilfe zu dieser geleistet zu haben. Einen für die Anordnung von Untersuchungshaft notwendigen Haftgrund, insbesondere Fluchtgefahr, hat der Senat trotz der außerordentlich schweren Tat nicht festzustellen vermocht. Aufgrund der besonderen verfahrensrechtlichen Konstellation hat Verena Becker, auch wenn sie wegen Beihilfe zu dem Attentat vom 7. April 1977 verurteilt werden sollte, jedenfalls keine so hohe Strafe mehr zu erwarten, dass von dieser ein wesentlicher Fluchtanreiz ausgeht. Denn das Tatgericht wird es bei der Bemessung der Strafe angemessen ausgleichen müssen, dass nach der Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe gegen Verena Becker wegen der bei ihrer Festnahme begangenen Taten die Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe nicht mehr in Betracht kommt. Ihre persönlichen Verhältnisse sprechen ebenfalls dagegen, dass sie sich dem Verfahren durch Flucht entziehen wird. Der 3. Strafsenat hat deshalb im Ergebnis den Haftbefehl aufgehoben und angeordnet, dass Verena Becker aus der Untersuchungshaft zu entlassen ist. Beschluss vom 23. Dezember 2009 - StB 51/09 Karlsruhe, den 23. Dezember 2009
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