Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 117/2007

Bundesgerichtshof hebt Freisprüche im sogenannten

Ehrenmordprozess auf

Das Landgericht Berlin hat die angeklagten Brüder A. und M. von dem Vorwurf, ihre Schwester ermordet zu haben, freigesprochen. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft hat der 5. (Leipziger) Strafsenat des Bundesgerichtshofs das Urteil aufgehoben.

Den Angeklagten lag zur Last, den Mord an ihrer Schwester gemeinsam mit ihrem jüngeren Bruder Ay. begangen zu haben. Der frühere Mitangeklagte Ay. ist rechtskräftig wegen Mordes an seiner Schwester zu einer Jugendstrafe von neun Jahren und drei Monaten verurteilt worden. Das Landgericht hat festgestellt, dass Ay. seiner Schwester mit Tötungsvorsatz aus unmittelbarer Nähe mehrmals in den Kopf schoss, da er ihre an westlichen Maßstäben orientierte Lebensführung verachtete und die vermeintlich verletzte Familienehre wiederherstellen wollte.

Auf die Angeklagten fiel der Tatverdacht insbesondere aufgrund der Aussage der früheren Freundin des Ay., wonach dieser ihr berichtet habe, M. habe ihm die Waffe verschafft und bei Glaubensbrüdern Erkundigungen eingezogen, ob die Tat erlaubt sei, was diese bejaht hätten. Sein Bruder A. habe ihn zur Wohnung der Schwester begleitet und bei der Tatausführung in der Nähe gewartet, sei aber dann weggelaufen. Ay. hat bestätigt, dies seiner Freundin erzählt zu haben, es entspreche aber nicht der Wahrheit. Er habe eine Tatbeteiligung seiner Brüder nur behauptet, um seine Freundin zu beruhigen.

Die Angeklagten haben eine Tatbeteiligung bestritten und angegeben, erst nach der Tötung der Schwester von der Täterschaft ihres Bruders erfahren zu haben. Dies hat das Landgericht als nicht zu widerlegen angesehen, da es die beide Brüder belastenden Angaben der früheren Freundin des Ay. für eine Verurteilung als nicht tragfähig erachtet hat.

Der Bundesgerichtshof hat die Beweiswürdigung des Landgerichts vor allem aus folgenden Gründen als rechtsfehlerhaft beanstandet: Das Landgericht ist bei der Bewertung der Belastungsindizien teilweise von falschen Anforderungen an seine Überzeugungsbildung ausgegangen. Es hat seine Würdigung im Wesentlichen an den Angaben der früheren Freundin des Ay. als sogenannter Zeugin vom Hörensagen ausgerichtet und dabei nicht ausreichend bedacht, dass deren Angaben durch Ay. bestätigt worden sind, wenn er sie auch inhaltlich nicht mehr gelten lassen wollte. So bleibt die Erörterung der zentralen Frage, ob Ay. damals tatsächlich seiner Freundin, der er uneingeschränkt vertraute, die Unwahrheit erzählte, unvollständig. Nicht alle Gesichtspunkte, die dem entgegenstehen könnten, sind von der Strafkammer erwogen worden. Darüber hinaus weist die Beweiswürdigung Lücken auf, da weitere Umstände, z. B. dass Ay. wenige Minuten nach der Tat eine SMS an den Angeklagten A. sandte, bei der Würdigung der belastenden Indizien nicht berücksichtigt worden sind.

Diese Mängel haben in ihrer Gesamtheit zur Aufhebung der Freisprüche durch den Bundesgerichtshof geführt, da nicht auszuschließen ist, dass sich das Tatgericht bei rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung möglicherweise davon überzeugt hätte, dass die Angeklagten als Täter oder Teilnehmer für die Tötung ihrer Schwester verantwortlich sind. Er hat die Sache deswegen zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine Schwurgerichtskammer des Landgerichts Berlin zurückverwiesen.

Urteil vom 28. August 2007 – 5 StR 31/07 

LG Berlin – (518) 1 Kap Js 285/05 Kls (39/05) – Urteil vom 13. April 2006

Karlsruhe, den 28. August 2007

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