BundesgerichtshofMitteilung der PressestelleNr. 163/2007 Verurteilung wegen versuchter Anstiftung zum
"Ehrenmord" rechtskräftig
Das Landgericht Limburg a. d. Lahn hat den Angeklagten, einen 47-jährigen Türken, u. a. wegen versuchter Anstiftung zum Mord aus niedrigen Beweggründen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Der Angeklagte, der aus Anatolien stammt, selbst als Imam tätig und den heimatlichen Wertvorstellungen eng verbunden war, hatte beschlossen, eine seiner Töchter, die 21 Jahre alte Gülperi B., im Sommer 2006 in die Türkei zu schicken und dort mit einem seiner Neffen, den Gülperi nicht kannte, zu verheiraten. Noch während der Verlobungsfeier verliebte sich Gülperi jedoch in H., einen anderen ihrer Cousins; den von ihrem Vater für sie ausgesuchten Mann brachte sie dagegen keine Zuneigung entgegen. Dennoch schloss Gülperi mit diesem eine sogenannte "Imam-Ehe", so dass sie nach den örtlichen Wertvorstellungen nun nicht mehr ohne Begleitung ihres Mannes das Haus verlassen oder sich einem anderen Mann zuwenden durfte. Gülperi weigerte sich jedoch, auch die standesamtliche Ehe mit diesem Mann einzugehen. Stattdessen zog sie in das Haus der Mutter H.'s und lebte dort bis zu ihrer Rückreise nach Deutschland. Noch vor ihrer Abreise löste sie das eingegangene Verlöbnis und später – mit der Zustimmung ihres Verlobten - auch die geschlossene "Imam-Ehe". Der Angeklagte wollte sich mit der Weigerung seiner Tochter, den von ihm bestimmten Mann zu heiraten, und ihrer Zuwendung zu einem anderen Mann während der bestehenden "Imam-Ehe" nicht abfinden. Das Verhalten Gülperis stellte für den in seinen heimatlichen Wertvorstellungen verwurzelten Angeklagten eine schwere Verletzung der Familienehre dar. Er fesselte Gülperi in der Wohnung an einen Heizkörper und drohte ihr mit dem Tod, falls die Hochzeit nicht doch noch stattfinden werde. Gülperi erklärte sich in Todesangst hierzu bereit, floh jedoch mit der Hilfe ihrer ehemaligen Arbeitgeberin, der sie sich anvertraut hatte, in die Türkei, um dort bei der Familie H.'s Zuflucht zu suchen. Telefonisch erklärte sie dem Angeklagten, sie lebe jetzt mit H. zusammen und werde ihn heiraten. Nach den Wertvorstellungen des Angeklagten konnte die Verletzung der Familienehre allein durch Gülperis Tod wieder gutgemacht werden. Der Angeklagte versuchte, seinen zweitältesten Sohn Ruhi dazu zu bewegen, Gülperi in die Türkei zu folgen und sie dort zu töten. Ruhi war als "Vollstrecker" vom Angeklagten ausersehen worden, weil er die "Unbotmäßigkeiten" seiner Schwester, die er auf ihrer Reise in die Türkei begleitet hatte und die er dabei nach dem Willen des Angeklagten zu beaufsichtigen hatte, zugelassen hatte. Zudem ging der Angeklagte davon aus, dass der noch minderjährige Ruhi eine geringere Strafe zu befürchten habe. Ruhi, der seine Schwester liebte, offenbarte sich jedoch zuvor seinem Lehrer, der die Polizei verständigte. Der Bundesgerichtshof hat die auf die Verletzung materiellen Rechts sowie auf behauptete Verfahrensfehler gestützte Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts verworfen. Die Verurteilung ist damit rechtskräftig. Beschluss vom 24. Oktober 2007 - 2 StR 421/07 Landgericht Limburg a. d. Lahn - Urteil vom 23. April 2007 - Az. 3 Js 14048/06 – 2Ks Karlsruhe, 2. November 2007
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