Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle

 

 

Nr. 95/2002

 

Bundesgerichtshof zur Öffnung des Fährhafens Puttgarden für Konkurrenz auf der "Vogelfluglinie"

 

Die Scandlines GmbH und ihre Schwestergesellschaft, die Scandlines A/S, betreiben die Fährverbindung auf der "Vogelfluglinie" zwischen Puttgarden auf Fehmarn und Rødby auf der dänischen Insel Lolland. Fährhafen und Hafengelände in Puttgarden gehören teils der Scandlines GmbH, teils der Deutschen Bahn AG. Die Beigeladenen, eine dänische Reederei und ein schwedisch-dänisches Konsortium, wollen – unabhängig voneinander – einen eigenen Fährdienst zwischen Puttgarden und Rødby aufnehmen und verlangen hierfür das Recht zur Mitbenutzung der Infrastruktureinrichtungen des Fährhafens Puttgarden. Nachdem ihnen die Scandlines GmbH die Mitbenutzung verweigert hatte, wandten sie sich an das Bundeskartellamt, das der Scandlines GmbH mit Beschluß vom 21. Dezember 1999 untersagte, sowohl der Beigeladenen zu 1. als auch der Beigeladenen zu 2. das Recht zu verweigern, die in ihrem Eigentum stehenden see- und landseitigen Infra- und Suprastrukturen des Fährhafens Puttgarden gegen ein angemessenes Entgelt mitzubenutzen, um mit Fährschiffen einen stündlich zwischen Rødby und Puttgarden verkehrenden Fährdienst für Passagiere und Kraftfahrzeuge zu betreiben. Dabei sollte es der Scandlines GmbH frei stehen, das Recht auf Mitbenutzung nur der Beigeladenen zu 1. oder nur der Beigeladenen zu 2. einzuräumen. Ferner untersagte das Kartellamt der Scandlines GmbH, sich zu weigern, im Einvernehmen mit dem von ihr auszuwählenden Nutzungsberechtigten die für eine Mitbenutzung des Fährhafens Puttgarden durch ein weiteres Unternehmen erforderlichen baulichen Vorkehrungen zu treffen. Das Bundeskartellamt sah in der grundsätzlichen Weigerung der Scandlines GmbH, eine Mitbenutzung ihres Fährhafens zu gestatten, die mißbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch Verweigerung des Zugangs zu einer Infrastruktureinrichtung, auf die Konkurrenten für den Marktzutritt, d.h. für Wettbewerb auf der für die derzeitigen Fährbetreiber besonders lukrativen "Vogelfluglinie", angewiesen seien.

Das Beschwerdegericht, das Oberlandesgericht Düsseldorf, hat die Entscheidung des Bundeskartellamts aufgehoben. Es hat die Entscheidung dahin verstanden, daß das Bundeskartellamt eine im Vollstreckungswege durchsetzbare Verfügung habe treffen und der Scandlines GmbH habe aufgeben wollen, gegen Zahlung des angemessenen Entgelts die Mitbenutzung des Hafens zu gestatten sowie die dazu notwendigen Vorkehrungen (Umbaumaßnahmen) entweder selbst vorzunehmen oder zu dulden. Die hierbei verwendeten unbestimmten Begriffe führten dazu, daß der Untersagungsverfügung die für einen vollstreckbaren Verwaltungsakt erforderliche Bestimmtheit fehle. Das gelte einmal für den Hinweis auf ein "angemessenes Entgelt"; die Scandlines GmbH könne nicht erkennen, welche Vergütung für die Mitbenutzung des Hafens sie als zu niedrig zurückweisen dürfe und bei welchem Betrag sie zur Gestattung der Mitbenutzung gehalten sei. Zum anderen sei auch der Begriff der für eine Mitbenutzung "erforderlichen Vorkehrungen" unbestimmt. Auf die Rechtsbeschwerde des Bundeskartellamts hat der Bundesgerichtshof die Beschwerdeentscheidung aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht Düsseldorf zurückverwiesen.

Der Kartellsenat teilt die Auslegung der Entscheidung des Bundeskartellamts durch das Oberlandesgericht nicht. Der Scandlines GmbH werden nach seiner Auffassung noch nicht die Gestattung der Mitbenutzung des Fährhafens und die Durchführung hierfür erforderlicher baulicher und sonstiger Vorkehrungen aufgegeben, sondern lediglich untersagt, weiterhin gegenüber beiden beigeladenen Unternehmen den Zugang zum Hafen generell zu verweigern. Könne der - vom Oberlandesgericht noch nicht geprüfte und daher für das Rechtsbeschwerdeverfahren zu unterstellende – Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch unterschiedliche vertragliche Gestaltungen oder sonstige Maßnahmen abgestellt werden, dürften dem marktbeherrschenden Unternehmen die Zugangsbedingungen regelmäßig nicht vorgeschrieben werden. Scandlines muß nach der Verfügung des Kartellamts mit mindestens einem Unternehmen Verhandlungen aufnehmen und ein Angebot über die von ihr als angemessen angesehenen Bedingungen einer Mitbenutzung des Hafens unterbreiten.

Der Kartellsenat sieht hierin auch eine Voraussetzung für die praktische Handhabbarkeit der vom Bundeskartellamt angewandten Vorschriften. Das Bundeskartellamt hat die Möglichkeit, bei Bedarf die Pflichten des marktbeherrschenden Unternehmens weiter zu konkretisieren.

Da das Beschwerdegericht die sachlich-rechtlichen Voraussetzungen für das vom Bundeskartellamt ausgesprochene Verbot, beiden Beigeladenen den Zugang zu den Infrastruktureinrichtungen des Fährhafens Puttgarden zu verweigern, nicht geprüft hat, hat der BGH die Sache an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Beschluß vom 24. September 2002 – KVR 15/01

Karlsruhe, den 25. September 2002

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