Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 94/2012

Vorschau auf Entscheidungen ab Juli 2012

Verhandlungstermin: 10. Juli 2012

II ZR 48/11

LG Frankfurt am Main - Urteil vom 2. Februar 2010 - 3-5 O 178/09

OLG Frankfurt am Main - Urteil vom 15. Februar 2011 - 5 U 30/10

(abgedruckt in ZIP 2011, 425)

Die Klägerin ist Aktionärin der beklagten Fresenius SE. Sie hat eine Anfechtungsklage gegen die in der Hauptversammlung der Beklagten vom 8. Mai 2009 gefassten Beschlüsse über die Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2008 erhoben.

Der Anfechtungsklage liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Von der Klägerin und ihren Tochtergesellschaften sind Beratungsverträge mit einer Anwaltssozietät geschlossen worden. Partner dieser Sozietät ist der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende der Beklagten. Nach dem Vortrag der Beklagten legt der Aufsichtsrat zu Beginn eines jeden Jahres das Gesamtbudget für derartige Mandate fest und genehmigt jeweils am Ende des Jahres die einzelnen Verträge. Die von Anfang Januar bis Ende September 2008 erbrachten Zahlungen auf Anwaltsverträge sind in der Aufsichtsratssitzung vom 4. Dezember 2008 genehmigt worden. Im Corporate-Governance-Bericht der Beklagten für das Jahr 2008 wurde mitgeteilt, dass der Aufsichtsrat der Mandatierung des stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden zugestimmt habe.

Die Klägerin hat mit ihrer Anfechtungsklage geltend gemacht, der Corporate-Governance-Bericht für 2008 sei hinsichtlich der Zustimmung zu der Mandatierung des stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden unrichtig und ein Vorstand, der rechtsgrundlos hohe Zahlungen an ein Aufsichtsratsmitglied leiste, verstoße ebenso gegen seine Pflichten wie das Aufsichtsratsmitglied durch deren Entgegennahme.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Dazu hat es ausgeführt: Die Entlastungsbeschlüsse seien für nichtig zu erklären, weil der Vorstand dadurch, dass er Zahlungen an die Sozietät des stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden veranlasst habe, obwohl die zugrunde liegenden Verträge noch nicht gemäß § 114 AktG vom Aufsichtsrat genehmigt gewesen seien, schwer und eindeutig gegen das Gesetz verstoßen habe. Indem die Anwaltssozietät diese Zahlungen – das Oberlandesgericht ist von einer jährlichen Honorarsumme von 1 Mio. € ausgegangen - entgegengenommen habe, sei auch dem Aufsichtsratsmitglied eine Pflichtwidrigkeit vorzuwerfen, so dass die Entlastung des Aufsichtsrats ebenfalls - insgesamt - rechtswidrig sei. Nach Systematik und Regelungszweck des § 114 AktG sei unabhängig von einer späteren Zustimmung des Aufsichtsrats die Zahlung einer Vergütung für Beratungsleistungen an ein Aufsichtsratsmitglied verboten, es sei denn, der Aufsichtsrat habe seine Zustimmung vor der Zahlung erteilt. Das gelte auch für eine Vergütung, die nicht an das Aufsichtsratsmitglied persönlich, sondern an eine Anwaltssozietät gezahlt werde, der das Aufsichtsratsmitglied angehöre, wenn der diesem persönlich zugutekommende Betrag nicht nur ganz geringfügig sei.

§ 114 AktG lautet:

(1) Verpflichtet sich ein Aufsichtsratsmitglied außerhalb seiner Tätigkeit im Aufsichtsrat durch einen Dienstvertrag, durch den ein Arbeitsverhältnis nicht begründet wird, oder durch einen Werkvertrag gegenüber der Gesellschaft zu einer Tätigkeit höherer Art, so hängt die Wirksamkeit des Vertrags von einer Zustimmung des Aufsichtsrats ab.

(2) Gewährt die Gesellschaft auf Grund eines solchen Vertrags dem Aufsichtsratsmitglied eine Vergütung, ohne dass der Aufsichtsrat dem Vertrag zugestimmt hat, so hat das Aufsichtsratsmitglied die Vergütung zurückzugewähren, es sei denn, dass der Aufsichtsrat den Vertrag genehmigt. …

Verhandlungstermin: 11. Juli 2012

Bundesgerichtshof bestimmt neue Verhandlungstermine in Klagen gegen englischen Lebensversicherer Clerical Medical

Nach der Terminsaufhebung im Revisionsverfahren IV ZR 269/10 (s. die Pressemitteilungen Nrn. 191/2011 und 019/2012) hat der für das Versicherungsrecht zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs nunmehr insgesamt fünf Verfahren, in denen Versicherungsnehmer Erfüllungs- und/oder Schadensersatzansprüche gegen die Clerical Investment Group Ltd. geltend machen, auf den 11. Juli 2012 terminiert.

Von diesen Verhandlungen ist eine erste Klärung von Rechtsfragen zu erwarten, die sich in annähernd tausend in Deutschland anhängigen Rechtsstreiten (davon bereits mehr als 40 beim Bundesgerichtshof) gegen den beklagten Versicherer stellen.

I.

IV ZR 122/11

Landgericht Heilbronn – Urteil vom 8. Juli 2010 – 4 O 280/09

Oberlandesgericht Stuttgart – Urteil vom 12. Mai 2011 – 7 U 144/10

und

IV ZR 151/11

Landgericht Heilbronn – Urteil vom 8. Juli 2010 – 4 O 284/09

Oberlandesgericht Stuttgart – Urteil vom 18. Juli 2011 – 7 U 146/10

und

IV ZR 164/11

Landgericht Heilbronn – Urteil vom 8. Juli 2010 – 4 O 222/09

Oberlandesgericht Stuttgart – Urteil vom 25. Juli 2011– 7 U 152/10

In den Verfahren IV ZR 151/11 und IV ZR 164/11 verfolgen die Kläger in erster Linie Schadensersatzansprüche wegen behaupteter fehlerhafter Beratung im Zusammenhang mit Abschlüssen von kreditfinanzierten Lebensversicherungsverträgen des Produkttyps "Wealthmaster Noble" in den Jahren 2001 und 2002. Hierbei handelt es sich um anteilsgebundene Lebensversicherungen gegen Zahlung eines Einmalbetrages, der in einen internen "Pool mit garantiertem Wertzuwachs", den "Euro-Pool 2000EINS" eingebracht wird. Die Verträge, die jeweils auf der Grundlage einer Beratung von "Untervermittlern" geschlossen wurden, sind eingebettet in ein Anlagemodell "Europlan"; dieses sieht vor, dass die Zinsen für das Bankdarlehen durch vertraglich bedungene Ausschüttungen aus der Lebensversicherung zu entrichten sind und im Übrigen durch einen Investmentfonds ein Kapitalstock gebildet wird, der bei Endfälligkeit des Bankdarlehens zu dessen Tilgung ausreicht, während weitere über diesen Zeitpunkt hinausreichende Auszahlungen den Versicherungsnehmern als fortlaufende Rente zur Verfügung stehen sollen.

Nachdem der Wertzuwachs der den Klägern zugeteilten Poolanteile in der Folgezeit nicht ausreichte, um die zunächst getätigten Auszahlungen in vollem Umfang zu decken, reduzierte die Beklagte unter Berufung auf ihre Versicherungsbedingungen die Anzahl der den Klägern zugewiesenen Anteile und damit den jährlich mitgeteilten Vertragswert. Im Hinblick hierauf sehen die Kläger die Gewährleistung zukünftiger, nach dem Anlagemodell vorgesehener Auszahlungen gefährdet.

Sie berufen sich im Wesentlichen darauf, dass die Beklagte durch ihre "Masterdistributorin" und deren Untervermittler unter Hinweis auf in der Vergangenheit erzielte Gewinne mit höheren Renditeerwartungen habe werben lassen, die den aktuellen Gegebenheiten nicht entsprochen hätten. Die fehlerhafte Aufklärung durch die tätig gewordenen Vermittler sei der Beklagten zurechenbar.

Sie verlangen deshalb in erster Linie Ersatz des ihnen durch Abschluss der Verträge entstandenen Vertrauensschadens, insbesondere die Freistellung von den Verbindlichkeiten aus den abgeschlossenen Darlehensverträgen zwecks Finanzierung der Einlage von insgesamt 200.000 € im Verfahren IV ZR 151/11 und 75.000 € im Verfahren IV ZR 164/11. Hilfsweise begehren sie die Feststellung, dass die Beklagte zur Erfüllung des in den Versicherungsscheinen festgelegten Auszahlungsplans verpflichtet sei, weil das Leistungsversprechen der Beklagten insoweit in ihren Versicherungsbedingungen nicht wirksam eingeschränkt worden sei.

Im Verfahren IV ZR 122/11 verlangt der Kläger, der eine Einmalleistung von 100.000 € erbracht hat, bei im Wesentlichen gleicher Sachlage dagegen in erster Linie Leistung der im Versicherungsschein vorgesehenen regelmäßigen Auszahlungen und nur hilfsweise den Ersatz von Schäden aus Falschberatung, insbesondere die Freistellung von Darlehensverbindlichkeiten.

Die Beklagte wendet demgegenüber ein, dass es sich bei den vorgesehenen Auszahlungen nach den zum Vertragsinhalt gewordenen Versicherungsbedingungen um keine verbindlich zugesagten Zahlungen handele, diese vielmehr unter dem Vorbehalt der Werthaltigkeit der Anlage stünden, sie sich abweichende Erklärungen des Vermittlers nicht zurechnen lassen müsse sowie die geltend gemachten Ansprüche der Klägerin verjährt seien.

In allen drei Verfahren hat das OLG Stuttgart als Berufungsgericht festgestellt, dass die Beklagte mangels wirksamer Einschränkung ihres im Versicherungsschein gegebenen Leistungsversprechens zur Erfüllung des festgelegten Auszahlungsplans verpflichtet sei. Die in den Verfahren IV ZR 151/11 und IV ZR 164/11 in erster Linie verfolgten Schadensersatzansprüche hat es im Hinblick auf diesen bestehenden Erfüllungsanspruch verneint. Dagegen richten sich die Revisionen der Beklagten und – soweit ihre Hauptanträge abgewiesen worden sind – die Revisionen der Kläger (in IV ZR 151/11 und IV ZR 164/11).

In diesen Verfahren wird der Bundesgerichtshof sich daher u.a. mit der Frage nach der wirksamen Einschränkung von im Versicherungsschein vorgesehenen Auszahlungen durch die Versicherungsbedingungen der Beklagten zu befassen haben.

II.

Verhandlungstermin: 11. Juli 2012

IV ZR 271/10

Landgericht Freiburg – Urteil vom 12. Juni 2009 – 5 O 354/07

Oberlandesgericht Karlsruhe in Freiburg – Urteil vom 18. November 2010 – 4 U 130/09

und

IV ZR 286/10

Landgericht Konstanz – Urteil vom 10. Juni 2009 – 4 O 89/08

Oberlandesgericht Karlsruhe in Freiburg – Urteil vom 30. November 2010 – 9 U 75/09

In den Verfahren IV ZR 271/10 und IV ZR 286/10 haben die Kläger ebenfalls unter Beteiligung von Untervermittlern in den Jahren 2001 und 2002 kreditfinanzierte Lebensversicherungen vom Typ "Wealthmaster Noble" abgeschlossen; sie verlangen jedoch ausschließlich Befreiung von eingegangenen Darlehensverbindlichkeiten sowie Ersatz sonstiger Aufwendungen wie Kosten und Zinsen (so genanntes negatives Interesse), weil der Vermittler ihnen unzutreffende Renditen zugesichert und sie nicht hinreichend über Risiken der Anlage aufgeklärt habe.

In beiden Fällen hat das OLG Karlsruhe als Berufungsgericht die Klagen abgewiesen – im Fall IV ZR 271/10, weil die Beklagte mit einer Fremdfinanzierung der Einlage nicht habe rechnen müssen und ihr ein etwaiges Verschulden des Vermittlers nicht zuzurechnen sei, da dieser nicht in ihrem Pflichtenkreis tätig geworden sei; im Fall IV ZR 286/10, weil eine fehlerhafte Aufklärung hinsichtlich der zu erwartenden Rendite nicht bewiesen und ein etwaiger Anspruch der Klägerin jedenfalls verjährt sei.

Dagegen richten sich die Revisionen der Kläger. In diesen Verfahren wird der Bundesgerichtshof sich u.a. damit zu befassen haben, in welchem Umfang ein Versicherer beim Vertrieb von anteilsgebundenen Lebensversicherungen gegen Zahlung einer Einmalprämie Aufklärung über das angebotene Versicherungsprodukt schuldet, insbesondere, ob die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Aufklärung über Kapitalanlagen auf derartige Versicherungsverträge anzuwenden sind, und ob das Verhalten des Vermittlers dem Versicherer zuzurechnen ist. Weiter wird es um die Frage gehen, wann und unter welchen Voraussetzungen eine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Versicherungsnehmers von einer etwaigen Falschberatung anzunehmen ist, die Verjährungsfristen in Lauf setzt.

Verhandlungstermin: 12. Juli 2012

I ZR 36/11 (So wichtig wie das tägliche Glas Milch!)

LG Stuttgart – Urteil vom 31. Mai 2010 – 34 O 19/10 KfH

OLG Stuttgart – Urteil vom 3. Februar 2011 – 2 U 61/10

Die Beklagte stellt Milcherzeugnisse her und vertreibt einen Früchtequark mit der Bezeichnung "Monsterbacke". Auf dessen Verpackungsoberseite verwendet die Beklagte den Slogan "So wichtig wie das tägliche Glas Milch!". Die Klägerin hält dies für irreführend im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG* in Verbindung mit Art. 9 und 10 Health-Claims-Verordnung**, weil der Werbeslogan sowohl nährwert- als auch gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel enthalte, weiter erforderliche Angaben aber fehlten. Im Übrigen sei der Slogan irreführend im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG* in Verbindung mit § 11 Abs. 1 LFBG***, weil nicht auf den gegenüber Milch erheblich erhöhten Zuckergehalt hingewiesen werde. Sie hat die Beklagte auf Unterlassung und Zahlung der Abmahnkosten in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht (ZLR 2011, 352) hat die Beklagte zur Unterlassung und Zahlung der Abmahnkosten verurteilt, weil der Verkehr annehme, der Verzehr des Früchtequarks weise ähnliche Vorteile und keine anderen Nachteile für die Ernährung auf wie ein Glas Milch. Andere Nachteile würden sich jedoch aus der größeren Zuckermenge in dem Produkt der Beklagten ergeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.

§ 4 Beispiele unlauterer geschäftlicher Handlungen

Unlauter handelt insbesondere, wer

1.

geschäftliche Handlungen vornimmt, die geeignet sind, die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher oder sonstiger Marktteilnehmer durch Ausübung von Druck, in menschenverachtender Weise oder durch sonstigen unangemessenen unsachlichen Einfluss zu beeinträchtigen;

2.

geschäftliche Handlungen vornimmt, die geeignet sind, geistige oder körperliche Gebrechen, das Alter, die geschäftliche Unerfahrenheit, die Leichtgläubigkeit, die Angst oder die Zwangslage von Verbrauchern auszunutzen;

3.

den Werbecharakter von geschäftlichen Handlungen verschleiert;

4.

bei Verkaufsförderungsmaßnahmen wie Preisnachlässen, Zugaben oder Geschenken die Bedingungen für ihre Inanspruchnahme nicht klar und eindeutig angibt;

5.

bei Preisausschreiben oder Gewinnspielen mit Werbecharakter die Teilnahmebedingungen nicht klar und eindeutig angibt;

6.

die Teilnahme von Verbrauchern an einem Preisausschreiben oder Gewinnspiel von dem Erwerb einer Ware oder der Inanspruchnahme einer Dienstleistung abhängig macht, es sei denn, das Preisausschreiben oder Gewinnspiel ist naturgemäß mit der Ware oder der Dienstleistung verbunden;

7.

die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft;

8.

über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerbers oder über den Unternehmer oder ein Mitglied der Unternehmensleitung Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Unternehmers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind; handelt es sich um vertrauliche Mitteilungen und hat der Mitteilende oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse, so ist die Handlung nur dann unlauter, wenn die Tatsachen der Wahrheit zuwider behauptet oder verbreitet wurden;

9.

Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er

a)

eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt,

b)

die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder

c)

die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat;

10.

Mitbewerber gezielt behindert;

11.

einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.

Art. 9 und 10 Health-Claims-Verordnung:

Artikel 9

Vergleichende Angaben

(1) Unbeschadet der Richtlinie 84/450/EWG ist ein Vergleichnur zwischen Lebensmitteln derselben Kategorie und unter Berücksichtigung einer Reihe von Lebensmitteln dieser Kategorie zulässig. Der Unterschied in der Menge eines Nährstoffs und/oder im Brennwert ist anzugeben, und der Vergleich muss sich auf dieselbe Menge des Lebensmittels beziehen.

(2) Vergleichende nährwertbezogene Angaben müssen die Zusammensetzung des betreffenden Lebensmittels mit derjenigen einer Reihe von Lebensmitteln derselben Kategorie vergleichen, deren Zusammensetzung die Verwendung einer Angabe nicht erlaubt, darunter auch Lebensmittel anderer Marken.

Artikel 10

Spezielle Bedingungen

(1) Gesundheitsbezogene Angaben sind verboten, sofern sie nicht den allgemeinen Anforderungen in Kapitel II und den speziellen Anforderungen im vorliegenden Kapitel entsprechen, gemäß dieser Verordnung zugelassen und in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß den Artikeln 13 und 14 aufgenommen sind.

(2) Gesundheitsbezogene Angaben dürfen nur gemacht werden, wenn die Kennzeichnung oder, falls diese Kennzeichnung fehlt, die Aufmachung der Lebensmittel und die Lebensmittelwerbung folgende Informationen tragen:

a) einen Hinweis auf die Bedeutung einer abwechslungsreichen und ausgewogenen Ernährung und einer gesunden Lebensweise,

b) Informationen zur Menge des Lebensmittels und zum Verzehrmuster, die erforderlich sind, um die behauptete positive Wirkung zu erzielen,

c) gegebenenfalls einen Hinweis an Personen, die es vermeiden sollten, dieses Lebensmittel zu verzehren, und

d) einen geeigneten Warnhinweis bei Produkten, die bei übermäßigem Verzehr eine Gesundheitsgefahr darstellen könnten.

(3) Verweise auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden sind nur zulässig, wenn ihnen eine in einer der Listen nach Artikel 13 oder 14 enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist.

(4) Gegebenenfalls werden nach dem in Artikel 25 Absatz 2 genannten Verfahren und, falls erforderlich, nach der Anhörung der Interessengruppen, insbesondere von Lebensmittelunternehmern und Verbraucherverbänden, Leitlinien für die Durchführung dieses Artikels angenommen.

§ 11 Vorschriften zum Schutz vor Täuschung

Es ist verboten, Lebensmittel unter irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung in den Verkehr zu bringen oder für Lebensmittel allgemein oder im Einzelfall mit irreführenden Darstellungen oder sonstigen Aussagen zu werben. Eine Irreführung liegt insbesondere dann vor, wenn

1.

bei einem Lebensmittel zur Täuschung geeignete Bezeichnungen, Angaben, Aufmachungen, Darstellungen oder sonstige Aussagen über Eigenschaften, insbesondere über Art, Beschaffenheit, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprung, Herkunft oder Art der Herstellung oder Gewinnung verwendet werden,

2.

einem Lebensmittel Wirkungen beigelegt werden, die ihm nach den Erkenntnissen der Wissenschaft nicht zukommen oder die wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert sind,

3.

zu verstehen gegeben wird, dass ein Lebensmittel besondere Eigenschaften hat, obwohl alle vergleichbaren Lebensmittel dieselben Eigenschaften haben,

4.

einem Lebensmittel der Anschein eines Arzneimittels gegeben wird.

….

Verhandlungstermin: 12. Juli 2012

I ZR 18/11 (RapidShare)

LG Düsseldorf – Urteil vom 24. März 2010 – 12 O 40/09

OLG Düsseldorf – Urteil vom 21. Dezember 2010 – I-20 U 59/10

Die Klägerin vertreibt das Computerspiel "Alone in the dark". Die Beklagte stellt auf einer Internetseite mit dem Domainnamen "www.rapidshare.com" Speicherplatz zur Verfügung, auf dem Nutzer Dateien ablegen und herunterladen können. Der Beklagten selbst ist der Inhalt der auf ihrem Dienst abgelegten Dateien nicht bekannt. Über Suchmaschinen bzw. im Internet abrufbare Sammlungen elektronischer Verweise (Linksammlungen) ist es Dritten möglich, die bei der Beklagten abgelegten Dateien aufzufinden und herunterzuladen. Das Computerspiel "Alone in the dark" wurde auf diese Weise in den Dienst der Beklagten eingestellt, so dass Dritte die Möglichkeit hatten, das Computerspiel herunterzuladen. Nachdem die Beklagte über diesen Sachverhalt in Kenntnis gesetzt worden war, entfernte sie diejenigen Dateien, auf die sie ausdrücklich hingewiesen worden war. Weitere bei der Beklagten abgelegte Dateien, die ebenfalls das Computerspiel enthielten, entfernte die Beklagte nicht. Die Klägerin sieht darin eine Urheberrechtsverletzung, für die die Beklagte zumindest als Störerin verantwortlich sei, wenn der Dateiname den Titel "Alone in the dark" enthalte oder in einschlägigen Sammlungen elektronischer Verweise (Linksammlungen) auf das Computerspiel hingewiesen werde. Sie nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.

Das Landgericht hat der Klage stattgeben. Das Berufungsgericht (ZUM 2011, 252) hat die Klage abgewiesen, weil die Beklagte keine zumutbaren Prüfungspflichten für die Inhalte der bei ihr abgelegten Dateien verletzt habe. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.

Verhandlungstermin: 17. Juli 2012

II ZR 55/11

LG Frankenthal - Urteil vom 22. April 2010 - 2 HK O 89/09

(abgedruckt in BB 2010, 1626)

OLG Zweibrücken - Urteil vom 3. Februar 2011 - 4 U 76/10

(abgedruckt in ZIP 2011, 617)

Der Kläger ist Mitglied des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft. Er macht gegenüber der Gesellschaft die Nichtigkeit eines Aufsichtsratsbeschlusses geltend.

An der Gesellschaft sind zwei Familienstämme beteiligt, zwischen denen seit längerem erhebliche Spannungen bestehen. Am Tag vor der Hauptversammlung vom 7. Juli 2007 beschloss der Aufsichtsrat einstimmig, zwei Vorstandsmitglieder, die einem Familienstamm zuzurechnen waren, unter "einvernehmlicher Aufhebung" ihrer noch bis zum Januar 2010 laufenden Bestellung für jeweils fünf Jahre bis Juli 2012 erneut zu Vorstandsmitgliedern zu bestellen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wurden die Beschlüsse über die vorzeitige Wiederbestellung für fünf Jahre vor dem Hintergrund der Streitigkeiten zwischen den Familienstämmen gefasst, um für den am nächsten Tag von der Hauptversammlung zu wählenden neuen Aufsichtsrat "vollendete Tatsachen" zu schaffen.

Der Kläger hat beantragt festzustellen, dass die Aufsichtsratsbeschlüsse über die Wiederbestellung der beiden Vorstandsmitglieder nichtig sind. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat ihr stattgegeben.

Nach § 84 Abs. 1 AktG* dürfen Vorstandsmitglieder auf höchstens fünf Jahre bestellt werden; über eine wiederholte Bestellung oder Verlängerung der Amtszeit darf der Aufsichtsrat frühestens ein Jahr vor Ablauf der bisherigen Amtszeit entscheiden. Nach Nr. 5.1.2 des DCDK (Deutscher Corporate Governance Kodex) soll eine Wiederbestellung vor Ablauf eines Jahres vor dem Ende der Bestelldauer bei gleichzeitiger Aufhebung der laufenden Bestellung nur bei Vorliegen besonderer Umstände erfolgen. Im juristischen Schrifttum herrscht Streit darüber, ob die erneute Bestellung eines Vorstandsmitglieds unter gleichzeitiger Aufhebung seiner bisherigen Bestellung außerhalb der Jahresfrist rechtmäßig ist oder eine unzulässige Umgehung des § 84 Abs. 1 AktG* darstellt.

§ 84 Bestellung und Abberufung des Vorstands

Vorstandsmitglieder bestellt der Aufsichtsrat auf höchstens fünf Jahre. Eine wiederholte Bestellung oder Verlängerung der Amtszeit, jeweils für höchstens fünf Jahre, ist zulässig. Sie bedarf eines erneuten Aufsichtsratsbeschlusses, der frühestens ein Jahr vor Ablauf der bisherigen Amtszeit gefaßt werden kann. Nur bei einer Bestellung auf weniger als fünf Jahre kann eine Verlängerung der Amtszeit ohne neuen Aufsichtsratsbeschluß vorgesehen werden, sofern dadurch die gesamte Amtszeit nicht mehr als fünf Jahre beträgt. Dies gilt sinngemäß für den Anstellungsvertrag; er kann jedoch vorsehen, daß er für den Fall einer Verlängerung der Amtszeit bis zu deren Ablauf weitergilt.

...

Verhandlungstermin: 25. Juli 2012

IV ZR 201/10

LG Hamburg – Urteil vom 20. November 2009 – 324 O 1116/07

Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg – Urteil vom 27. Juli 2010 – 9 U 236/09

Bei dem u. a. für das Versicherungsvertragsrecht zuständigen IV. Zivilsenat sind mehrere Verfahren anhängig, die die Wirksamkeit von Versicherungsbedingungen betreffend die Rückkaufswerte, den Stornoabzug sowie die Verrechnung von Abschlusskosten (sog. "Zillmerung") zum Gegenstand haben. In dem zur mündlichen Verhandlung anstehenden Rechtsstreit wird der Senat diesbezügliche Klauseln in Allgemeinen Versicherungsbedingungen für eine kapitalbildende Lebensversicherung, eine aufgeschobene und eine fondsgebundene Rentenversicherung für den Fall der Kündigung sowie der Umwandlung in eine beitragsfreie Versicherung zu überprüfen haben.

Der Kläger ist ein gemeinnütziger Verbraucherschutzverein. Die Beklagte ist eine deutsche Lebensversicherungs-AG. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der o. g. Bestimmungen, die die Beklagte jedenfalls zeitweise im Zeitraum 2001 bis Ende 2006 verwendete.

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung der Verwendung der angegriffenen Klauseln sowohl beim Abschluss neuer Versicherungsverträge als auch bei der Abwicklung bereits geschlossener Verträge in Anspruch. Er hält sie unter Bezugnahme auf die Urteile des Senats vom 9. Mai 2001 (IV ZR 121/00 und 138/99) und vom 12. Oktober 2005 (IV ZR 162/03 und 177/03) sowie den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Februar 2006 (1 BvR 1317/96) sowohl wegen fehlender Transparenz als auch wegen inhaltlicher Unangemessenheit für unwirksam.

Das Landgericht hat der Klage bezüglich der angegriffenen Klauseln für kapitalbildende Lebensversicherungen vollen Umfangs, für aufgeschobene Rentenversicherungen ganz überwiegend sowie für fondsgebundene Rentenversicherungen teilweise stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen, soweit der Kläger sich gegen die Verurteilung bezüglich der Verwendung der Klauseln für Neuabschlüsse ab 1. Januar 2008 wendet, das weitergehende Rechtsmittel der Beklagten zurückgewiesen sowie auf die Berufung des Klägers weitere Bedingungen der fondsgebundenen Rentenversicherung für unwirksam erklärt. Mit der Revision verfolgen beide Parteien ihre Begehren auf umfängliche Verurteilung der Beklagten bzw. auf Abweisung der Klage weiter.

§ 307 BGB

Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder

wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

…

Verkündungstermin: 21. August 2012

(Verhandlungstermin: 5. Juni 2012)

X ZR 138/11

AG Köln - Urteil vom 25. Oktober 2010 – 142 C 153/10

LG Köln - Urteil vom 27. Oktober 2011 – 6 S 282/10

und

X ZR 146/11

AG Frankfurt am Main - Urteil vom 24. März 2011 – 32 C 2262/10-41

LG Frankfurt am Main - Urteil vom 8. November 2011 – 2-24 S 80/11

In den beiden Reisesachen beanspruchen die Kläger Ausgleichszahlungen nach Art. 7 Abs. 1c, Art. 5 Abs. 1c der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.2.2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen (nachfolgend: Verordnung), weil ihre für Oktober 2010 vorgesehenen Flüge von Miami nach Deutschland wegen eines Streiks der Piloten der Beklagten annulliert worden waren. Die Beklagte hat sich darauf berufen, dass sie von der Leistung von Ausgleichszahlungen nach der Verordnung befreit sei, weil es sich auch bei einem Streik der eigenen Piloten um ein für sie unabwendbares Ereignis im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Verordnung** handele und sie im konkreten Fall alles Zumutbare zur Vermeidung der Annullierungen getan habe.

Im Verfahren X ZR 138/11 hat das Amtsgericht Köln den Ausgleichsanspruch zugesprochen. Es könne dahinstehen, ob es sich bei einem betriebsinternen Streik überhaupt um ein außergewöhnliches Ereignis im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Verordnung handele, weil die Beklagte nicht hinreichend dargetan habe, alles Zumutbare zur Vermeidung der Annullierung getan zu haben. Die Berufung der Beklagten wurde vom Landgericht Köln mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Beklagte zwar hinreichend dargetan habe, alles Zumutbare zur Vermeidung der Annullierung getan zu haben. Dies entlaste sie aber nicht, weil ein Streik eigener Mitarbeiter des ausführenden Luftfahrtunternehmens kein außergewöhnliches Ereignis im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Verordnung darstelle.

Im Verfahren X ZR 146/11 hat das Amtsgericht Frankfurt am Main den Ausgleichsanspruch ebenfalls zugesprochen. Ein Pilotenstreik sei kein Ereignis, das die Beklagte von ihrer Haftung befreien könne. Ob und wie gestreikt werde, hänge von dem Flugunternehmen selbst ab. Ein Pilotenstreik sei mithin von dem Flugunternehmen steuerbar und damit zu dessen Haftungsbereich hinzuzuzählen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht Frankfurt am Main dieses Urteil abgeändert und die Klage insoweit abgewiesen. Auch der Streik des eigenen Personals des ausführenden Luftfahrtunternehmens stelle ein unabwendbares Ereignis im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Verordnung dar. Dies ergebe sich aus dem 14. Erwägungsgrund der Verordnung***, in dem explizit den Betrieb des ausführenden Luftfahrtunternehmens beeinträchtigende Streiks erwähnt würden, ohne zwischen internen und externen Streiks zu differenzieren. Die Beklagte habe die Annullierung des Rückfluges auch nicht durch zumutbare Maßnahmen vermeiden können. Insbesondere sei die Beklagte nicht verpflichtet gewesen, andere Piloten zur Aushilfe anzustellen.

*Art. 7 der Verordnung: "Ausgleichsanspruch"

(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten die Fluggäste Ausgleichszahlungen in folgender Höhe:

c) 600 EUR bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen.

**Art. 5 der Verordnung: "Annullierung"

(1) Bei Annullierung eines Fluges werden den betroffenen Fluggästen …

c) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 eingeräumt …

(3) Ein ausführendes Luftfahrtunternehmen ist nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen gemäß Artikel 7 zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.

***Erwägungsgrund 14 der Verordnung:

Wie nach dem Übereinkommen von Montreal sollten die Verpflichtungen für ausführende Luftfahrtunternehmen in den Fällen beschränkt oder ausgeschlossen sein, in denen ein Vorkommnis auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Solche Umstände können insbesondere bei politischer Instabilität, mit der Durchführung des betreffenden Fluges nicht zu vereinbarenden Wetterbedingungen, Sicherheitsrisiken, unerwarteten Flugsicherheitsmängeln und den Betrieb eines ausführenden Luftfahrtunternehmens beeinträchtigenden Streiks eintreten.

Verhandlungstermin: 21. August 2012

X ZR 33/10

LG Düsseldorf - Entscheidung vom 7. Oktober 2008 - 4a O 95/07

OLG Düsseldorf - Entscheidung vom 28. Januar 2010 - I-2 U 129/08

Das zur Entscheidung stehende Patentverletzungsverfahren entstammt einer mehrere Verfahren umfassenden Klageserie. Die in diesen Klagen geltend gemachten Patente betreffen Verfahren und Vorrichtungen zur Kodierung, Übertragung, Speicherung und Dekodierung von Videosignalen, wie sie beim Herstellen und Abspielen von DVDs gemäß der ISO/IEC-Norm 13818-2 (MPEG-2) Verwendung finden. Alle Kläger haben ihre Klagepatente in einen Patentpool eingebracht. Die Beklagte, ein großer, in Griechenland ansässiger DVD-Produzent, hatte sich geweigert, mit der Poolgesellschaft einen weltweiten Standard-Poollizenzvertrag abzuschließen. Die Einräumung von der Beklagten stattdessen begehrten national begrenzten Pool-Lizenzen wurde von der Poolgesellschaft abgelehnt. Da die Beklagte in der Folgezeit auch keine nationalen Einzellizenzverträge mit den jeweiligen Patentinhabern abgeschlossen hatte, die Patentinhaber aber den Verdacht hatten, dass die Beklagte von den Klagepatenten in Deutschland gleichwohl Gebrauch machte, veranlassten die Kläger im Jahre 2007 von Deutschland aus eine gemeinsame Testbestellung bei der Beklagten. Hierzu übersandte eine Testbestellerin einen DVD-Master an die Beklagte, die daraus die gewünschten 500 DVDs fertigte und an die Testbestellerin in Deutschland sandte. Daraufhin erhoben die Kläger jeweils Patentverletzungsklage vor dem Landgericht Düsseldorf. In dem am 21. August 2012 zur Revisionsverhandlung anstehenden Fall hat das Landgericht – wie in den übrigen Fällen – der Klage stattgegeben; das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision erstrebt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.

Verhandlungstermin: 28. August 2012

X ZR 128/11

LG Frankfurt a.M. - Urteil vom 11. November 2010 - 2/10 O 405/09

OLG Frankfurt a.M. - Urteil vom 8. September 2011 - 16 U 220/10

Der Kläger verlangt von dem beklagten Luftfahrtunternehmen aus eigenem und abgetretenem Recht seiner acht Mitreisenden die Leistung einer Ausgleichszahlung nach der Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004) in Höhe von jeweils 600,– Euro wegen Nichtbeförderung sowie Ersatz der Mehraufwendungen für Unterkunft und Verpflegung, die wegen der erst am Folgetag möglichen Beförderung entstanden sind.

Die Reisenden buchten über ein Reisebüro eine Flugpauschalreise nach Curaçao. Der Hinflug von München über Amsterdam nach Curaçao am 7. Februar 2009 sollte von der Beklagten durchgeführt werden. Die Reisenden erhielten bereits bei der Abfertigung in München die Bordkarten für den Anschlussflug. Die Ankunft des Zubringerflugs in Amsterdam war für 11.15 Uhr vorgesehen. Der Weiterflug sollte um 12.05 Uhr erfolgen. Tatsächlich kam der Zubringerflug erst um 11.35 Uhr in Amsterdam an. Die Reisenden trafen zwar noch innerhalb der Einstiegszeit am Ausgang des Weiterflugs ein. Ihnen wurde jedoch die Mitnahme verweigert, weil ihr Gepäck noch nicht in das Flugzeug nach Curaçao umgeladen sei und die getrennte Beförderung von Passagieren und Gepäck ein Sicherheitsrisiko darstelle. Die Reisenden wurden daher erst am Folgetag gegen 14.00 Uhr nach Curaçao weiterbefördert.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, da es sich bei der Ablehnung der Mitnahme in Amsterdam nicht um eine zur Ausgleichszahlung verpflichtende Beförderungsverweigerung im Sinne der Fluggastrechteverordnung handle. Die Reisenden seien nicht spätestens 45 Minuten vor Abflug einsteigebereit gewesen. Sie seien nicht nur später, sondern auch ohne Gepäck am Ausgang des Weiterflugs erschienen. Dass sie noch rechtzeitig vor Ende der Einstiegszeit eingetroffen seien, reiche nicht aus, da wegen des Sicherheitsrisikos bei getrennter Beförderung von Passagier und Gepäck ein vertretbarer Grund für die Nichtbeförderung vorgelegen habe. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt der Kläger den Ausgleichsanspruch weiter.

Verhandlungstermin: 11. September 2012

XI ZR 452/11

LG Leipzig - Urteil vom 11. Februar 2011 - 8 O 2799/10

OLG Dresden - Urteil vom 29. September 2011 - 8 U 562/11

(veröffentlicht: WM 2011, 2320)

Der Kläger ist ein Verbraucherschutzverband, der als qualifizierte Einrichtung gemäß § 4 UKlaG eingetragen ist. Die Beklagte ist eine Sparkasse.

Der Kläger macht die Unwirksamkeit folgender im Preisaushang der Beklagten verwendeten Klausel geltend:

"Sparkassenprivatkredit

Bearbeitungsgebühr (vom ursprünglichen Kreditbetrag)2 %"

Der Kläger ist der Ansicht, die Klausel verstoße gegen § 307 BGB* und nimmt die Beklagte darauf in Anspruch, deren Verwendung gegenüber Privatkunden zu unterlassen. Zur Begründung führt er unter anderem an, die Klausel benachteilige die Kunden der Beklagten unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB, weil die Gewährung eines Darlehens und die damit einhergehende Überprüfung der Bonität des Darlehensnehmers ausschließlich im Eigeninteresse der Bank erfolgten.

Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolgreich gewesen. Das Berufungsgericht hat angenommen, die angegriffene Klausel stelle keine der Inhaltskontrolle entzogene Preisabrede über die Darlehensgewährung als von der Beklagten zu erbringender Hauptleistung dar. Vielmehr handele es sich bei der Bearbeitungsgebühr um eine kontrollfähige Preisnebenabrede. Im Regelfall stehe die Pflicht des Kreditnehmers zur Zinszahlung als Hauptleistungspflicht im Gegenseitigkeitsverhältnis zur Darlehensgewährung durch die Bank. Hingegen werde mit den Kosten der Kreditbearbeitung, wie sie etwa durch die Prüfung der Bonität des Schuldners entstünden, nicht die Gewährung des Darlehens abgegolten. Die Prüfung des Darlehensantrages liege vielmehr allein im wirtschaftlichen Interesse des Kreditinstitutes. Der diesbezügliche Kostenaufwand entstehe nicht laufzeitabhängig durch die Hingabe des Darlehenskapitals, sondern falle in gleicher Weise an, wenn sich das Kreditinstitut als Ergebnis der Prüfung gegen einen Vertragsschluss entscheide. Als Preisnebenabrede benachteilige die Klausel den Darlehensnehmer unangemessen, da sich die Beklagte hierdurch eine Tätigkeit vergüten lasse, die sie von Gesetzes wegen ohne gesondertes Entgelt zu erbringen habe und allein mit dem Ziel vornehme, sich selbst vor unwirtschaftlichen Verträgen zu schützen.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter. In jüngerer Zeit haben mehrere andere Oberlandesgerichte vergleichbare Entgeltklauseln ebenfalls für unwirksam erachtet (vgl. etwa OLG Bamberg, WM 2010, 2072; OLG Zweibrücken, MDR 2011, 1125; OLG Karlsruhe, WM 2011, 1366; OLG Celle, Beschluss vom 13. Oktober 2011 - 3 W 86/11, juris, unter ausdrücklicher Aufgabe seines in der Entscheidung WM 2010, 355 vertretenen gegenteiligen Standpunkts). Da die Erhebung von Bearbeitungsgebühren für Darlehen im Kreditwesen weit verbreitet ist, kommt der Streitfrage große praktische Bedeutung zu.

* § 307 BGB

Inhaltskontrolle

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.

mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder

2.

wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

Verhandlungstermin: 4. Oktober 2012

3 StR 78/12

Oberlandesgericht Düsseldorf - Urteil vom 6. September 2011 - III-5 StS 5/10

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat den Angeklagten wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland in Tateinheit mit bandenmäßigem Einschleusen von Ausländern in drei rechtlich zusammentreffenden Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.

Nach den Feststellungen beteiligte sich der Angeklagte in der Zeit vom 7. Oktober 2002 bis zum 9. April 2009 als Mitglied an der Devrimci Halk Kurtulus Partisi-Cephesi (revolutionäre Volksbefreiungspartei/-front, DHKP-C), die seit ihrer Gründung im Jahre 1994 das Ziel verfolgt, den türkischen Staat mittels eines "bewaffneten Kampfes" zu beseitigen und durch ein marxistisch-leninistisches System zu ersetzen. Zu diesem Zweck beging sie in der Türkei zahlreiche Tötungs- sowie Brandstiftungs- und Sprengstoffdelikte. Die Hauptaufgabe des Angeklagten bestand zunächst in der Beschaffung von Finanzmitteln für die Organisation. Von November 2008 bis April 2009 nahm er die Aufgaben des Deutschlandverantwortlichen wahr. Im Jahre 2009 leistete er dem späteren Deutschlandverantwortlichen mehrfach Hilfe zu dessen unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet. Ab Dezember 2002 war der Angeklagte als nachrichtendienstliche Quelle für den Bundesnachrichtendienst tätig.

Der Angeklagte wendet sich mit der Sachrüge gegen seine Verurteilung. Außerdem beanstandet er das Verfahren und macht insbesondere geltend, aufgrund seiner Tätigkeit für den Bundesnachrichtendienst an einer uneingeschränkten Verteidigung in dem vorliegenden Strafverfahren gehindert gewesen zu sein.

Verhandlungstermin: 16. Oktober 2012

X ZR 132/11

AG Köln - Urteil vom 8. Juni 2010 - 147 C 323/09

LG Köln - Urteil vom 30. März 2011 - 20 S 32/10

Die Kläger begehren von der Beklagten die Leistung einer Ausgleichszahlung nach der Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004) in Höhe von jeweils 600,– Euro wegen eines verspäteten Fluges.

Sie buchten bei einem Reiseveranstalter eine Flugpauschalreise nach Thailand. Der Rückflug von Phuket nach Frankfurt am Main mit dem beklagten Luftverkehrsunternehmen erfolgte bis zu einem vorgesehenen Zwischenstopp in Bahrain planmäßig. Der Weiterflug von Bahrain, der für 13.55 Uhr Ortszeit vorgesehen war, startete infolge technischer Probleme erst am frühen Morgen des Folgetages um 2.32 Uhr Ortszeit. Die Ankunft in Frankfurt am Main war entsprechend verspätet.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, weil sich der Beginn des Rückflugs in Thailand nicht verspätet habe und weder der verspätete Abflug in Bahrain noch die verspätete Ankunft in Frankfurt für sich genommen einen Ausgleichsanspruch begründen könnten. Die Berufung der Kläger ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgen die Kläger den Ausgleichsanspruch weiter.

Verhandlungstermin: 16. Oktober 2012

XI. Zivilsenat:

Es stehen - über die vier bereits auf den 26. Juni 2012 terminierten Verhandlungssachen (vgl. dazu Pressemitteilung 22/2012) hinaus - zwei weitere Sachen zur Verhandlung an, die "Lehman-Zertifikate" zum Gegenstand haben. Aus diesem Themenkomplex konnte der Senat bislang am 27. September 2011 zwei Einzelfälle verhandeln und entscheiden (vgl. Pressemitteilung 145/2011). In vier anderen Fällen, von denen je zwei im April 2011 (vgl. Pressemitteilungen 22/2011 und 58/2011) und im Februar 2012 (vgl. Pressemitteilungen 6/2012, 9/2012 und 11/2012) zur Verhandlung vorgesehen waren, mussten die Termine hingegen nach Revisionsrücknahme aufgehoben werden.

Die Anleger nehmen die beklagte Bank jeweils auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit dem Erwerb von Zertifikaten der niederländischen Tochtergesellschaft der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers Holdings Inc. in Anspruch.

In beiden Sachen erwarben die Anleger im Februar 2007 von derselben beklagten Bank jeweils "Global Champion Zertifikate". Hierbei handelt es sich um Inhaberschuldverschreibungen der niederländischen Lehman Brothers Treasury Co. B.V., deren Rückzahlung von der US-amerikanischen Lehman Brothers Holdings Inc. garantiert wurde. Zeitpunkt und Höhe der Rückzahlung sollten abhängig von der Wertentwicklung dreier Aktienindizes sein, mit denen das Zertifikat unterlegt war.

Mit der Insolvenz der Emittentin (Lehman Brothers Treasury Co. B.V.) und der Garantin (Lehman Brothers Holdings Inc.) im September 2008 wurden die erworbenen Zertifikate weitgehend wertlos.

XI ZR 367/11

LG Frankfurt/Main - Urteil vom 14. Oktober 2010 - 2-12 O 32/10

Oberlandesgericht Frankfurt/Main - Urteil vom 29. Juni 2011 - 17 U 213/10 (veröffentlicht in juris)

Die Klägerin, eine ausgebildete Bankkaufrau, investierte auf Empfehlung eines Bankmitarbeiters einen Betrag in Höhe von 20.000 € in die streitgegenständlichen Zertifikate. Mit ihrer Klage verlangt sie im Wesentlichen die Rückzahlung des Anlagebetrages nebst Zinsen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin hatte - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - Erfolg. Das Berufungsgericht hat eine Beratungspflichtverletzung der Beklagten bejaht. Die Beklagte hafte schon deshalb, weil sie die Klägerin im Beratungsgespräch nicht über die bei Ausführung des Wertpapiergeschäfts von ihr vereinnahmte "Platzierungsprovision" in Höhe von 3,5 % aufgeklärt habe. Da die Beklagte die Wertpapiere zunächst im eigenen Namen erworben und nachfolgend im Wege des Eigenhandels an ihre Kunden im Rahmen von Festpreisgeschäften veräußert habe, sei zwischen ihr und den jeweiligen Kunden ein kombinierter Geschäftsbesorgungs- und Kaufvertrag zustande gekommen. Damit sei sie auch zur vollständigen Information der Kunden über die mit der Auftragsausführung verbundenen Gebühren, Provisionen, Entgelte und Auslagen verpflichtet gewesen. Hinzu komme, dass die Beklagte sich bei Ausführung der Kauforder ihrer Kunden - ähnlich wie bei Rückvergütungen im Sinne der "Kick-back"-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes - in einem Interessenkonflikt befunden habe. Dieser sei gegenüber dem Anleger offenzulegen, denn nur so könne dieser das Umsatzinteresse der Bank einschätzen und beurteilen, ob die Bank ihm eine bestimmte Geldanlage allein deshalb empfehle, weil sie selbst daran verdiene. Da neben dem Umstand, dass die Beklagte überhaupt eine Provision erhalten habe, auch deren konkrete Höhe zu offenbaren gewesen sei, könne im Übrigen die Produktinformation die Beklagte nicht entlasten, in der lediglich darauf hingewiesen worden sei, dass die Bank aus dem Vertrieb von Wertpapieren Erträge in unbestimmter Höhe erziele.

Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

und

XI ZR 368/11

LG Duisburg - Urteil vom 16. September 2010 - 8 O 362/09

Oberlandesgericht Düsseldorf - Urteil vom 1. Juli 2011 - I-17 U 182/10 (veröffentlicht in juris)

In diesem Fall investierte die Klägerin auf Empfehlung eines Bankmitarbeiters einen Betrag in Höhe von 32.000 € in "Global Champion Zertifikate".

Das Landgericht hat die ebenfalls im Wesentlichen auf Rückzahlung des Anlagebetrages nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat eine Beratungspflichtverletzung der Beklagten verneint. Die Empfehlung sei insbesondere unter Berücksichtigung des Umstands, dass es sich bei der Klägerin aufgrund des Erwerbs zahlreicher risikoreicher Finanzprodukte in der Vergangenheit um eine erfahrene Anlegerin gehandelt habe, anlegergerecht gewesen. Die Beklagte habe auch nicht ihre Pflicht zur objektgerechten Beratung verletzt. Sie sei zu Hinweisen auf einen etwaigen Totalverlust sowie auf ein allgemeines Emittentenrisiko nicht verpflichtet gewesen. Im Februar 2007, einige Zeit vor Ausbruch der sogenannten Subprime-Krise, habe auf die Bonität der Garantiegeberin nach allgemeiner Markteinschätzung noch vertraut werden dürfen. Die Klägerin habe zudem sowohl vor als auch nach Zeichnung der streitgegenständlichen Lehman-Zertifikate weitere Wertpapiere erworben, bei denen sie ein Totalverlustrisiko in Kauf genommen habe. Vor diesem Hintergrund habe es auch keiner weitergehenden Aufklärung darüber bedurft, dass die Lehman-Zertifikate nicht dem System der (deutschen) Einlagensicherung unterfielen. Unabhängig davon könne sich die Klägerin aber selbst bei Annahme einer Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten nicht auf die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens berufen. Diese Vermutung sei durch das hoch spekulative Kaufverhalten der Klägerin, das sie sogar nach der Insolvenz von Lehman Brothers fortgesetzt habe, jedenfalls widerlegt. Eine Beratungspflichtverletzung sei schließlich nicht darin zu sehen, dass die Beklagte über ihre bei dem Wertpapierverkauf erzielte Gewinnmarge in Höhe von 3,5 % nicht aufgeklärt habe.

Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Verhandlungstermin: 18. Oktober 2012

3 StR 117/12

Landgericht Osnabrück - Urteil vom 2. November 2011 - 3 KLs 10/11 

Das Landgericht Osnabrück hat den im Jahr 1993 geborenen Angeklagten wegen besonders schwerer Vergewaltigung zu einer Jugendstrafe von fünf Jahren verurteilt. Zu der Überzeugung, der Angeklagte habe die Geschädigte in der Nacht zum 18. Juli 2010 unvermittelt von hinten angesprungen und unter Einsatz massiver Gewalt zum vaginalen Geschlechtsverkehr genötigt, ist das Landgericht maßgeblich aufgrund des in die Hauptverhandlung eingeführten DNA-Spurenmaterials gelangt.

Dem lag folgendes zugrunde: Nachdem sich im Ermittlungsverfahren zunächst zwar keine Hinweise auf den Täter, indessen aber auf einen Bezug der Tat zu einer bestimmten Ortschaft ergeben hatten, erwirkte die Staatsanwaltschaft nach § 81h StPO die gerichtliche Anordnung einer molekulargenetischen Reihenuntersuchung sämtlicher zwischen dem 1. Januar 1970 und dem 31. Dezember 1992 geborener und in dieser Ortschaft gemeldeter Männer. Bei der Auswertung des so erlangten Materials ergab sich bei zwei Proben eine hohe Übereinstimmung mit den Tatspuren, die auf eine Verwandtschaft mit dem Täter schließen ließen. Nach der Entanonymisierung der Proben und einem Melderegisterabgleich erwirkte die Staatsanwaltschaft einen Beschluss zur Entnahme von Körperzellen bei dem Angeklagten und deren Untersuchung zur Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters, die zu seiner Ermittlung als mutmaßlichem Täter führten.

Der Angeklagte wendet sich mit Verfahrensrügen und der Sachrüge gegen seine Verurteilung. Unter anderem macht er geltend, die bei der molekulargenetischen Reihenuntersuchung nach § 81h StPO festgestellten DNA-Identifizierungsmuster hätten nicht auf verwandtschaftliche Ähnlichkeiten abgeglichen werden dürfen.

§ 81h StPO lautet:

(1) Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, dass ein Verbrechen gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung begangen worden ist, dürfen Personen, die bestimmte, auf den Täter vermutlich zutreffende Prüfungsmerkmale erfüllen, mit ihrer schriftlichen Einwilligung

1.Körperzellen entnommen,

2.diese zur Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters und des Geschlechts molekulargenetisch untersucht und

3.die festgestellten DNA-Identifizierungsmuster mit den DNA-Identifizierungsmustern von Spurenmaterial automatisiert abgeglichen werden,

soweit dies zur Feststellung erforderlich ist, ob das Spurenmaterial von diesen Personen stammt, und die Maßnahme insbesondere im Hinblick auf die Anzahl der von ihr betroffenen Personen nicht außer Verhältnis zur Schwere der Tat steht.

(2) Eine Maßnahme nach Absatz 1 bedarf der gerichtlichen Anordnung. Diese ergeht schriftlich. Sie muss die betroffenen Personen anhand bestimmter Prüfungsmerkmale bezeichnen und ist zu begründen. Einer vorherigen Anhörung der betroffenen Personen bedarf es nicht. Die Entscheidung, mit der die Maßnahme angeordnet wird, ist nicht anfechtbar.

(3) Für die Durchführung der Maßnahme gelten § 81f Abs. 2 und § 81g Abs. 2 entsprechend. Soweit die Aufzeichnungen über die durch die Maßnahme festgestellten DNA-Identifizierungsmuster zur Aufklärung des Verbrechens nicht mehr erforderlich sind, sind sie unverzüglich zu löschen. Die Löschung ist zu dokumentieren.

(4) Die betroffenen Personen sind schriftlich darüber zu belehren, dass die Maßnahme nur mit ihrer Einwilligung durchgeführt werden darf. Hierbei sind sie auch darauf hinzuweisen, dass

1.die entnommenen Körperzellen ausschließlich für die Untersuchung nach Absatz 1 verwendet und unverzüglich vernichtet werden, sobald sie hierfür nicht mehr erforderlich sind, und

2.die festgestellten DNA-Identifizierungsmuster nicht zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren beim Bundeskriminalamt gespeichert werden.

Verhandlungstermin: 13. November 2012

XI ZR 500/11

LG Nürnberg-Fürth - 7 O 1516/11 - Urteil vom 12. Juli 2011

OLG Nürnberg - 3 U 1585/11 - Urteil vom 22. November 2011

Der Kläger ist ein Verbraucherschutzverband, der als qualifizierte Einrichtung gemäß § 4 UKlaG eingetragen ist. Die Beklagte ist eine Sparkasse.

Der Kläger macht die Unwirksamkeit folgender im Preis- und Leistungsverzeichnis der Beklagten verwendeten Klausel geltend:

"P-Konto (Pfändungsschutzkonto)

Grundpreis monatlich10 €

Restliche Preise analog Giro-Ideal"

Die Beklagte bietet in ihrem Preis- und Leistungsverzeichnis verschiedene (weitere) Konten- und Preismodelle für Privatkunden an. So beträgt der Grundpreis für das Modell Giro-Ideal monatlich 3 €; für einzelne Geschäftsvorfälle sind zusätzliche Vergütungen vorgesehen. Bei dem Modell Giro-Balance wird der Kunde im Falle der Einhaltung eines Durchschnittsguthabens von 1.250 € vom Grundpreis freigestellt; bei Unterschreitung dieses Guthabens werden monatlich 10 € verlangt.

Der Kläger ist der Ansicht, die Klausel betreffend das Pfändungsschutzkonto ("P-Konto") verstoße gegen § 307 BGB* und nimmt die Beklagte darauf in Anspruch, deren Verwendung gegenüber Privatkunden zu unterlassen. Zur Begründung führt er unter anderem an, die Klausel benachteilige die Kunden der Beklagten unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB, weil die Beklagte mit der Führung eines Girokontos als "P-Konto" lediglich eine ihr durch § 850k Abs. 7 ZPO** auferlegte gesetzliche Pflicht erfülle, wofür sie kein gesondertes Entgelt verlangen dürfe.

Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolgreich gewesen. Das Berufungsgericht hat angenommen, bei einem Pfändungsschutzkonto handele es sich nicht um ein gegenüber dem üblichen Girokonto eigenständiges Kontomodell. Die angegriffene Klausel stelle deshalb keine der Inhaltskontrolle entzogene Preisabrede über eine von der Beklagten zu erbringende Hauptleistung dar, sondern vielmehr eine kontrollfähige Preisnebenabrede. Der Inhaltskontrolle halte die Klausel nicht stand, weil die Beklagte mit der Einrichtung eines Pfändungsschutzkontos letztlich nur - vorsorglich - ihrer eigenen Pflicht genüge, im Falle einer Kontenpfändung als Drittschuldnerin zugunsten des Kontoinhabers (Schuldner) die gesetzlichen Pfändungsfreigrenzen zu beachten. Der im Vergleich zu dem Kontomodell "Giro-Ideal" um 7 € höhere monatliche Grundpreis für die Führung eines "P-Kontos" stelle daher ein zusätzliches Entgelt dar, zu dessen Erhebung die Beklagte wegen der vorgenannten, ihr schon von Gesetzes wegen obliegenden Prüfpflicht nicht berechtigt sei. Sie könne für die Führung eines Pfändungsschutzkontos kein Entgelt verlangen, das über das von ihr für ein normales Girokonto verlangte Entgelt hinausgehe.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter. In jüngerer Zeit haben weitere Land- und Oberlandesgerichte vergleichbare Entgeltklauseln ebenfalls für unwirksam erachtet (vgl. etwa OLG Frankfurt/Main, BB 2012, 974; KG Berlin, WM 2012, 267 ff.; LG Leipzig, ZVI 2011, 73 f.; LG Halle, ZVI 2011, 35 f.; LG Erfurt, VuR 2011, 188 ff.; LG Bamberg, Urteil vom 22. Februar 2011 - 1 O 445/10, juris; LG Köln, VuR 2011, 392 f.; aA LG Frankfurt/Main, ZIP 2012, 114 ff.).

Zur Rechtsgrundlage des Pfändungsschutzkontos: Mit dem am 1. Juli 2010 in Kraft getretenen Gesetz zur Reform des Kontopfändungsschutzes hat der Gesetzgeber die Verbesserung des Pfändungsschutzes für Girokonten bezweckt und hierzu insbesondere das sogenannte P-Konto eingeführt. Dessen gesetzliche Grundlage bildet § 850k ZPO. Danach können der Bankkunde und das Kreditinstitut vereinbaren, das ein schon bestehendes oder ein neu eingerichtetes Girokonto als Pfändungsschutzkonto geführt wird. Auf dem zu einem Pfändungsschutzkonto umgewandelten Bankkonto erhält der Kunde in Höhe seines Pfändungsfreibetrages einen Basispfändungsschutz. Wird das Guthaben auf einem "P-Konto" gepfändet, kann der Kunde hierüber bis zur Höhe des monatlichen Pfändungsfreibetrages frei verfügen. Die aktuelle Pfändungstabelle zeigt, in welchem Umfang bei einer Lohnpfändung das Einkommen erhalten bleibt bzw. gepfändet werden kann. Damit sollen dem Schuldner ohne aufwändiges gerichtliches Verfahren die Geldmittel verbleiben, die er zur Bestreitung des existentiellen Lebensbedarfs benötigt.

* § 307 BGB

Inhaltskontrolle

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.

mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder

2.

wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

** § 850k ZPO (Auszug)

Pfändungsschutzkonto

(1) …

(7) In einem der Führung eines Girokontos zugrunde liegenden Vertrag können der Kunde, der eine natürliche Person ist, oder dessen gesetzlicher Vertreter und das Kreditinstitut vereinbaren, dass das Girokonto als Pfändungsschutzkonto geführt wird. Der Kunde kann jederzeit verlangen, dass das Kreditinstitut sein Girokonto als Pfändungsschutzkonto führt. Ist das Guthaben des Girokontos bereits gepfändet worden, so kann der Schuldner die Führung als Pfändungsschutzkonto zum Beginn des vierten auf seine Erklärung folgenden Geschäftstages verlangen.

(8) …

Verhandlungstermin: 27. November 2012

(Verhandlungstermin: 12. November 2009; EuGH-Entscheidung - EuGH C-34/10)

X ZR 58/07 (früher: Xa ZR 58/07)

Bundespatentgericht – Entscheidung vom 5. Dezember 2006 – 3 Ni 42/04

Der Beklagte ist Inhaber eines am 19. Dezember 1997 angemeldeten und am 29. April 1999 erteilten deutschen Patents, das neurale Vorläuferzellen, Verfahren zu ihrer Herstellung und ihre Verwendung zur Therapie von neuralen Defekten betrifft. Der Kläger - Greenpeace e.V. - greift dieses Patent mit der Patentnichtigkeitsklage an, soweit es um Zellen geht, die aus menschlichen embryonalen Stammzellen gewonnen werden.

Nach den Ausführungen in der Patentschrift stellt die Transplantation von Hirnzellen in das Nervensystem eine Erfolg versprechende Methode für die Behandlung zahlreicher neurologischer Erkrankungen dar. Ausgereifte Nervenzellen weisen danach nur eine geringe Regenerationsfähigkeit auf. Deshalb werden überwiegend Transplantate vorwiegend aus dem embryonalen Gehirn gewonnen. Das Patent beschreibt einen Weg, auf dem für die Transplantation geeignete Zellen - so genannte Vorläuferzellen - aus embryonalen Stammzellen gewonnen werden können, und beansprucht Schutz für dieses Verfahren und die Vorläuferzellen.

Der Kläger hat beantragt, das Patent wegen Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung und die guten Sitten für nichtig zu erklären, soweit die Patentansprüche Vorläuferzellen umfassen, die aus menschlichen embryonalen Stammzellen gewonnen werden. Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hat unter anderem geltend gemacht, die Patentansprüche seien nicht auf eine Verwendung menschlicher Embryonen gerichtet. Die Möglichkeit, dass in einem dem patentgemäßen Verfahren vorgelagerten Schritt menschliche Embryonen "verbraucht" würden, begründe keinen Verstoß des Patents gegen die öffentliche Ordnung.

Das in erster Instanz zuständige Bundespatentgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben und das Patent für nichtig erklärt, soweit es Zellen umfasst, die aus embryonalen Stammzellen von menschlichen Embryonen gewonnen werden. Im genannten Umfang verstoße der Gebrauch der Erfindung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten. Dies ergebe sich aus § 2 Abs. 2 des Patentgesetzes in der seit dem 28. Februar 2005 geltenden Fassung, aber auch aus der zuvor geltenden Fassung des Patentgesetzes und der für die Auslegung heranzuziehenden Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den Schutz biotechnologischer Erfindungen vom 6. Juli 1998 und des deutschen Embryonenschutzgesetztes vom 13. Dezember 1990.

Gegen die Entscheidung des Bundespatentgerichts hat der beklagte Patentinhaber Berufung eingelegt. Für die Entscheidung über dieses Rechtsmittel ist nach dem Patentgesetz der Bundesgerichtshof zuständig.

Das für die Erteilung europäischer Patente zuständige Europäische Patentamt hat in einem ähnlich gelagerten Fall vor kurzem entschieden, dass ein europäisches Patent nach den dafür einschlägigen Vorschriften nicht für Erzeugnisse erteilt werden darf, die im Anmeldezeitpunkt ausschließlich durch ein Verfahren hergestellt werden konnten, das zwangsläufig mit der Zerstörung der menschlichen Embryonen einhergeht, aus denen die Erzeugnisse gewonnen werden, selbst wenn dieses Verfahren nicht Teil der Ansprüche ist (Entscheidung der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts vom 25. November 2008 - G 2/06). Der Bundesgerichtshof wird gegebenenfalls zu entscheiden haben, ob Entsprechendes für die Erteilung deutscher Patente gilt.

Folgender Tenor wurde am 12. November 2009 zur EuGH-Vorlage verkündet:

II. Das Verfahren wird ausgesetzt.

III. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Vorabentscheidung gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) folgende Rechtsfragen vorgelegt:

1. Was ist unter dem Begriff "menschliche Embryonen" in Art. 6 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 98/44/EG zu verstehen?

a) Sind alle Entwicklungsstadien menschlichen Lebens von der Befruchtung der Eizelle an umfasst oder müssen zusätzliche Voraussetzungen wie zum Beispiel das Erreichen eines bestimmten Entwicklungsstadiums erfüllt sein?

b) Sind auch folgende Organismen umfasst:

(1) unbefruchtete menschliche Eizellen, in die ein Zellkern aus einer ausgereiften menschlichen Zelle transplantiert worden ist; (2) unbefruchtete menschliche Eizellen, die im Wege der Parthenogenese zur Teilung und Weiterentwicklung angeregt worden sind?

c) Sind auch Stammzellen umfasst, die aus menschlichen Embryonen im Blastozystenstadium gewonnen worden sind?

2. Was ist unter dem Begriff "Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken" zu verstehen? Fällt hierunter jede gewerbliche Verwertung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie, insbesondere auch eine Verwendung zu Zwecken der wissenschaftlichen Forschung?

3. Ist eine technische Lehre auch dann gemäß Art. 6 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie von der Patentierung ausgeschlossen, wenn die Verwendung menschlicher Embryonen nicht zu der mit dem Patent beanspruchten technischen Lehre gehört, aber notwendige Voraussetzung für die Anwendung dieser Lehre ist,

a) weil das Patent ein Erzeugnis betrifft, dessen Herstellung die vorhergehende Zerstörung menschlicher Embryonen erfordert,

b) oder weil das Patent ein Verfahren betrifft, für das als Ausgangsmaterial ein solches Erzeugnis benötigt wird?

Verhandlungstermin: 18. Dezember 2012

X ZR 2/12

AG Norderstedt – Urteil vom 18. März 2011 – 47 C 1194/10

LG Kiel – Urteil vom 16. Dezember 2011 – 1 S 77/11

Der Kläger buchte am 23. August 2008 über das beklagte Reisebüro (Beklagte) für seine Ehefrau und sich eine von dem am Verfahren als Streithelferin beteiligten Kreuzfahrtunternehmen veranstaltete Karibik-Kreuzfahrt, die im April 2010 stattfinden und für die das Schiff in Fort Lauderdale/USA ablegen sollte. Am 27. Mai 2009 buchte er neben weiteren Leistungen im Zusammenhang mit der Reise ebenfalls über die Beklagte Lufthansa-Flüge nach und von Fort Lauderdale. Wegen des im April 2010 aufgrund der Vulkanaschewolke angeordneten Flugverbots konnte der Kläger das Schiff nicht erreichen. Er kündigte daher den Vertrag über die Kreuzfahrt einen Tag vor Beginn. Dadurch fielen Stornogebühren in Höhe von 90 % des Reisepreises an, die die Beklagte der Streithelferin erstattet hat.

Der Kläger verlangt von der Beklagten die Rückzahlung seiner Anzahlung auf den Reisepreis sowie Ersatz seiner vorgerichtlichen Anwaltskosten. Die Beklagte fordert im Wege der Widerklage die Erstattung der an die Streithelferin gezahlten Stornogebühren.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen und der Beklagten Ersatz für die Stornogebühren zugesprochen. Die Beklagte habe keine Pflichten aus dem Reisevermittlungsvertrag mit dem Kläger verletzt. Bei der Reise handle es sich nicht um eine Pauschalreise. Die Beklagte sei daher als Reisevermittlerin nicht verpflichtet gewesen, den Kläger darauf hinzuweisen, dass er das Risiko der Anreise trage und im Falle eines Flugausfalls wegen höherer Gewalt den Vertrag über die Kreuzfahrt nicht würde kostenfrei kündigen können. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Verhandlungstermin: noch nicht bestimmt:

(Verhandlungstermin: 19. Oktober 2011 = EuGH-Vorlage, dort noch anhängig: C-12/12)

I ZR 206/10 (rotes Stofffähnchen an Jeans-Hosen)

LG Hamburg – Urteil vom 22. Juni 2004 – 312 O 482/03

OLG Hamburg – Urteil vom 18. November 2010 – 3 U 130/04

Die Klägerin, die Levi Strauss & Co., ist die älteste Jeans-Herstellerin der Welt. Sie ist Inhaberin verschiedener nationaler und internationaler Marken, u.a. der für Hosen eingetragenen Gemeinschaftsbildmarke Nr. 2 292 373, die nach der Beschreibung im Register eine Positionsmarke ist und aus einem roten rechteckigen Label aus textilem Material besteht, das oben links in die Gesäßtasche von Hosen, Shorts oder Röcken eingenäht ist und aus der Naht hervorsteht:

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Die Beklagte betreibt einen Einzelhandel mit Oberbekleidung. Sie brachte seit November 2001 Jeanshosen auf den Markt, die an der rechten Gesäßtasche mit roten, rechteckigen Stofffähnchen versehen sind, die an der rechten Außennaht im oberen Drittel der Tasche angenäht sind. Die Klägerin betrachtet dies als Verletzung ihrer Marken.

Das Landgericht hat der u.a. auf Unterlassung gerichteten Klage stattgegeben. Die dagegen eingelegte Berufung hat das Berufungsgericht mit Urteil vom 2. Februar 2006 zurückgewiesen (OLG Hamburg, OLGR 2007, 372). Der Senat hat dieses Urteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen (Urteil vom 5. November 2008 – I ZR 39/06, GRUR 2009, 766 = WRP 2009, 821 – Stofffähnchen). Das Berufungsgericht hat die Berufung daraufhin erneut zurückgewiesen und ausgeführt, dass der (einzige) Unterschied, wonach das Fähnchen bei der Marke der Klägerin an der Gesäßtasche links und bei den Kennzeichen der Beklagten an der Gesäßtasche rechts angebracht sei, der Verwechslungsgefahr nicht entgegenstehe. Denn der Verbraucher, der die Waren nicht nebeneinander sehe, werde sich in seiner Erinnerung über die Position des Fähnchens rechts oder links nicht sicher sein. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Der BGH hat durch Beschluss vom 24. November 2011 folgenden Tenor für die EuGH-Vorlage verkündet:

1. Das Verfahren wird ausgesetzt.

I. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung des Art. 15 Abs. 1 der Verordnung (EG) 40/1994 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. EG Nr. L 11 vom 14. Januar 1994, S. 1) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

II. Ist Art. 15 Abs. 1 der Verordnung (EG) 40/94 dahin auszulegen,

1. dass eine Marke, die Teil einer zusammengesetzten Marke ist und nur infolge der Benutzung der zusammengesetzten Marke Unterscheidungskraft erlangt hat, rechtserhaltend benutzt sein kann, wenn nur die zusammengesetzte Marke Verwendung findet;

2. dass eine Marke rechtserhaltend benutzt wird, wenn sie nur zusammen mit einer weiteren Marke verwendet wird, das Publikum in den zwei Marken selbständige Kennzeichen sieht und beide Marken zusammen zusätzlich als Marke eingetragen sind?

Verhandlungstermin: noch nicht bestimmt

(Verkündungstermin: 7. Juli 2011 = Verfahren wurde ausgesetzt)

(Verhandlungstermin: 17. März 2011)

I ZR 89/09 – Wettbewerbsrecht

LG Wiesbaden – Urteil vom 28. März 2007 – 11 O 56/06

OLG Frankfurt – Urteil vom 4. Juni 2009 – 6 U 93/07

siehe auch:

(Verkündungstermin: 28. September 2011)

(Verkündungstermin: 7. Juli 2011)

(Verhandlungstermin: 17. März 2011)

I ZR 189/08 – Wettbewerbsrecht

LG München I – Urteil vom 16. Dezember 2007 – 4 HK O 11552/06

OLG München – Urteil vom 16. Oktober 2008 – 29 U 1669/08

I ZR 92/09 – Wettbewerbsrecht

LG Wiesbaden – Urteil vom 29. November 2007 – 13 O 119/06

OLG Frankfurt am Main – Urteil vom 4. Juni 2009 – 6 U 261/06

I ZR 30/10 – Wettbewerbsrecht

LG Bremen – Urteil vom 20. Dezember 2007 – 12 O 379/06

OLG Bremen – Urteil vom 29.Januar 2010 – 2 U 4/08

I ZR 43/10 – Wettbewerbsrecht

LG Bremen – Urteil vom 31. Juli 2008 – 12 O 333/07

OLG Bremen – Urteil vom 12. Februar 2010 – 2 U 96/08

I ZR 93/10 – Wettbewerbsrecht

LG – Urteil vom 9. Juli 2009 - Köln – 31 O 599/08

OLG Köln – Urteil vom 12. Mai 2010 – 6 U 142/09

Der Senat hat erneut über die Frage der Wettbewerbswidrigkeit des privaten Angebots von Sportwetten und anderen Wetten (Kasinospielen) im Internet zu befinden. Im Kern der Rechtsstreitigkeiten stehen nunmehr sowohl das Verbot des Veranstaltens und Vermittelns von öffentlichen Glücksspielen als auch das Werbeverbot für öffentliches Glücksspiel unter der Geltung des am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Glücksspielstaatsvertrags. Die von den klagenden Lottogesellschaften auf Unterlassung, Auskunft und Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch genommenen in- und ausländischen Wettunternehmen präsentierten und bewarben ihr Sportwettenangebot unter ihrem jeweiligen Domainnamen im Internet, welches von Spielern jedenfalls in Deutschland angenommen werden konnte. Ihnen wird jeweils ein Verstoß gegen Vorschriften des Strafgesetzbuchs und des Glücksspielstaatsvertrags vorgeworfen (§ 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit §§ 284, 287 StGB und § 4 Abs. 4, § 5 Abs. 3 und 4 GlüStV).

Die Instanzgerichte haben unterschiedlich erkannt: Überwiegend haben die Landgerichte und die Berufungsgerichte (OLG Köln, ZfWG 2010, 359; OLG Bremen, ZfWG 2010, 105) den Klagen – teils allerdings nur zweitinstanzlich – vollumfänglich oder im Wesentlichen wegen eines solchen Rechtsverstoßes stattgegeben (OLG Frankfurt am Main, ZfWG 2009, 268; OLG Frankfurt am Main, MMR 2009, 577). Hingegen haben das Landgericht München I und das Oberlandesgericht München die Klage vollumfänglich abgewiesen (I ZR 189/08).

Die Berufungsgerichte - mit Ausnahme des Oberlandesgerichts München (Revision wurde durch den Bundesgerichtshof zugelassen) - haben die Revision zugelassen. Der Bundesgerichtshof wird zu entscheiden haben, ob die Beurteilung der Berufungsgerichte zutreffend ist. Dabei wird er insbesondere darüber zu befinden haben, inwieweit die in Rede stehenden privaten Wettangebote und ihr Bewerben im Internet wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften des Glücksspielsstaatsvertrags unlauter sind und ob mögliche Verbote mit der höherrangigen unionsrechtlichen Dienst- und Niederlassungsfreiheit (Art. 49 und 56 AEUV) im Einklang stehen.

Verhandlungstermin: noch nicht terminiert

(= EuGH-Vorlage; dort noch anhängig: C-51/11)

(Verhandlungstermin: 5. Oktober 2010)

(Verkündungstermin: 13. Januar 2011)

I ZR 22/09

LG Regensburg – Urteil vom 13. November 2009 - 1 HKO 2203/08

Die Beklagte vertreibt alkoholische Getränke. Sie bewirbt ihren Kräuterlikör "Gurktaler Alpenkräuter" mit dem Hinweis: "der wohltuende und bekömmliche Kräuterlikör aus den Alpen". Der Likör hat einen Alkoholgehalt von 27%.

Der Kläger ist der Auffassung, bei den Werbeangaben handele es sich um "gesundheitsbezogene Angaben" i. S. von Art. 4 Abs. 3 der Health Claim-VO* und verlangt Unterlassung.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Angaben bezögen sich nicht auf die Gesundheit, sondern auf das allgemeine Wohlbefinden. Solche Aussagen würden von der Health Claim-VO nicht erfasst.

Der BGH hat durch Beschluss vom 13. Januar 2011 folgenden Tenor für die EuGH-Vorlage verkündet:

I. Das Verfahren wird ausgesetzt.

II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (ABl. Nr. L 404 vom 30. Dezember 2006, S. 9), zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) Nr. 116/2010 der Kommission vom 9. Februar 2010 (ABl. Nr. L 37 vom 10. Februar 2010, S. 16), folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Umfasst der Begriff der Gesundheit in der Definition des Ausdrucks "gesundheitsbezogene Angabe" in Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 auch das allgemeine Wohlbefinden?

2. Falls die Frage 1 verneint wird:

Zielt eine Aussage in einer kommerziellen Mitteilung bei der Kennzeichnung oder Aufmachung von oder bei der Werbung für Lebensmittel, die als solche an den Endverbraucher abgegeben werden sollen, zumindest auch auf das gesundheitsbezogene Wohlbefinden oder aber lediglich auf das allgemeine Wohlbefinden ab, wenn sie auf eine der in Art. 13 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 genannten Funktionen in der in Art. 2 Abs. 2 - 3 - Nr. 5 dieser Verordnung beschriebenen Weise Bezug nimmt?

3. Falls die Frage 1 verneint wird und eine Aussage im in der Frage 2 beschriebenen Sinn zumindest auch auf das ge-sundheitsbezogene Wohlbefinden abzielt:

Entspricht es unter Berücksichtigung der Meinungs- und In-formationsfreiheit gemäß Art. 6 Abs. 3 EUV in Verbindung mit Art. 10 EMRK dem gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, eine Aussage, wonach ein bestimmtes Getränk mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent den Körper und dessen Funktionen nicht belastet oder beeinträchtigt, in den Verbotsbereich des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 einzubeziehen?

Termin: noch nicht bestimmt

3 StR 139/12

Oberlandesgericht Düsseldorf – Urteil vom 27. September 2011 – II-2 STs 1/08

Das Oberlandesgericht hat den Angeklagten wegen Mordes an zwei Menschen zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt.

Den Urteilsfeststellungen zufolge gehörte der Angeklagte im Jahr 1993 der Führungsspitze der türkischen marxistisch-leninistischen Organisation "Devrimici Sol" ("Revolutionäre Linke") an. Er nutzte deren hierarchisch organisierten Machtapparat und wies Ende März 1993 von Deutschland aus mittels eines Telefonanrufs einen nachgeordneten Kader an, in einem bestimmten zeitlichen Rahmen einen Anschlag zu planen, vorzubereiten und durchzuführen. Der angewiesene Kader beauftragte demgemäß mit der Umsetzung eine ihm unterstellte Kommandogruppe. Diese erschoss daraufhin am 1. April 1993 zwei vor einer Bankfiliale in Istanbul stationierte Polizisten, die sich keines Angriffs versahen. Das Oberlandesgericht hat die Mordmerkmale der Heimtücke und des Handelns aus niedrigen Beweggründen als verwirklicht angesehen.

Der Angeklagte wendet sich gegen seine Verurteilung und rügt mit seiner Revision die Verletzung sowohl des sachlichen Rechts als auch des Verfahrensrechts.

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