Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle

 

 

Nr. 31/2000

Vorschau auf

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs

in den nächsten Monaten des Jahres 2000 (Mai-Juli)

Verhandlungstermin: 2. Mai 2000

XI ZR 108/99 und XI ZR 150/99

Die Sachen betreffen ähnlich gelagerte Streitigkeiten zwischen Anlegern und Banken bzw. Sparkassen über die Rückabwicklung von Darlehensverträgen zur Finanzierung steuersparender Beteiligungen an Immobilienfonds. Die Anleger wurden im Sommer 1986 bzw. im Mai 1990 von verschiedenen Anlagevermittlern jeweils zu Hause geworben, schlossen alsbald mit einem Treuhänder einen notariell beurkundeten oder beglaubigten Treuhandvertrag und erteiltem ihm Vollmacht, alle für den Erwerb der Fondsbeteiligung und deren Finanzierung erforderlichen Verträge für sie abzuschließen. Die Treuhänder schlossen danach u.a. Darlehensverträge mit Banken bzw. Sparkassen. Eine Belehrung der Anleger über ein Widerrufsrecht nach dem Haustürwiderrufsgesetz erfolgte weder durch den Vermittler noch den Treuhänder noch die Kreditinstitute. In den Jahren 1996 bzw.1998 widerriefen die Anleger die Darlehensvertrags- bzw. ihre vorausgegangenen Erklärungen nach dem Haustürgeschäftewiderrufsgesetz.

In den Fällen stellen sich Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung. Eine zentrale Rolle spielt die höchstrichterlich bislang ungeklärte Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Vertretene, der aufgrund einer Haustürsituation eine Treuhandvertrags- oder Vollmachtserklärung abgegeben hat, die vom Vertreter für ihn nicht in einer Haustürsituation abgegebenen Vertragserklärungen widerrufen kann und welche Bedeutung ein Widerruf der Treuhandvertrags- und der Vollmachtserklärung für die Rechtsbeziehung zwischen dem Anleger und der kreditgebenden Bank oder Sparkasse hat (XI ZR 108/99 = LG Coburg/OLG Bamberg, XI ZR 150/99 = LG Stuttgart/OLG Stuttgart).

 

Verkündungstermin: 8. Mai 2000

II ZR 347/97, II ZR 75/98, II ZR 118/98

Der II. Zivilsenat hat sich in der Verhandlung am 13. März 2000 in drei Parallelverfahren mit "Nachwehen" des Balsam-Skandals befaßt. Die im Bereich des Sportstättenbaus tätige, in Steinhagen ansässige Balsam AG fiel im Jahre 1994 in Konkurs, nachdem sich herausgestellt hatte, daß die Unternehmensleitung seit Ende der 80er Jahre in immer weiter steigendem Umfang angebliche Zahlungsforderungen der Balsam AG gegen deren Auftraggeber an das Factoring-Unternehmen "Procedo Gesellschaft für Exportfactoring D. Klindworth mbH" (nachfolgend: Procedo GmbH) verkauft hatte, die in Wirklichkeit überhaupt nicht existierten (sogenannte "Luftforderungen"). Die Wertlosigkeit der erfundenen Forderungen wurde von der Procedo GmbH zunächst nicht bemerkt, weil der Forderungseinzug weiterhin von der Balsam AG vorgenommen werden sollte und die Procedo GmbH selbst nicht direkt mit den vermeintlichen Schuldnern der erworbenen Forderungen in Verbindung treten mußte. Die von der Balsam AG als angebliche Erlöse des Forderungseinzugs an die Procedo GmbH abgeführten Geldbeträge konnte sie mangels Existenz wirklicher Forderungen nur aus den jeweils von der Procedo GmbH für den Ankauf weiterer Luftforderungen gezahlten Mitteln vornehmen. Dies zwang die Unternehmensleitung der Balsam AG dazu, zur weiteren Verheimlichung des Schwindels laufend neue und größere Forderungen zu erfinden und an die Procedo GmbH zu verkaufen. Diese sich wegen des "Schneeballeffekts" ständig vergrößernden Ausgaben der Procedo GmbH für wertlose Forderungen führten schließlich zu Verlusten in Höhe mehrerer Milliarden DM, so daß nach der Aufdeckung der Vorgänge im Jahre 1994 das gerichtliche Vergleichsverfahren über das Vermögen der Procedo GmbH eröffnet wurde. Wegen des enormen steuerlichen Verlustvortrags der Gesellschaft von mehr als sieben Mrd. DM gelang es dem Vergleichsverwalter im Jahre 1995, die Gesellschaftsanteile Procedos an die Unternehmensgruppe REWE zu veräußern und den Erlös - zusammen mit dem gesamten noch vorhandenen Betriebsvermögens Procedos - an ihn selbst als Treuhänder der Vergleichsgläubiger zu übertragen. Die Vergleichsgläubiger verzichteten im Rahmen eines sogenannten Liquidationsvergleichs mit dem Verwalter auf weitere Forderungen gegen die Procedo GmbH, so daß die Gesellschaft letztlich entschuldet werden konnte.

In den am 13. März 2000 zu verhandelnden Verfahren klagt der Vergleichsverwalter aus abgetretenem Recht gegen drei ehemalige Gesellschafter der Procedo GmbH, die ihre Gesellschaftsanteile in den Jahren 1990 bis 1993 – also noch vor Aufdeckung des Skandals – an Dritte veräußert haben. Die Klagen sind auf Rückzahlung von Gewinnausschüttungen gerichtet, die die Beklagten als damalige Gesellschafter in den Jahren 1989 bis 1993 von der Procedo GmbH erhalten haben. Nach Auffassung des Vergleichsverwalters verstießen die Gewinnausschüttungen gegen das Verbot der Rückzahlung des zur Erhaltung des Stammkapitals der Gesellschaft erforderlichen Vermögens gemäß § 30 GmbH-Gesetz, weil die Procedo GmbH wegen des Ankaufs der wertlosen Forderungen zum Zeitpunkt der Ausschüttungen bereits erheblich überschuldet gewesen sei. Alle drei Klagen hatten sowohl vor den Landgerichten, als auch vor den Oberlandesgerichten Karlsruhe und Stuttgart keinen Erfolg. Die Oberlandesgerichte haben die Abweisung der Klagen unter anderem damit begründet, daß der Kläger etwaige von der Procedo GmbH erworbene Ansprüche auf Erstattung verbotswidrig zurückgezahlten Stammkapitals nicht mehr geltend machen könne, weil die (inzwischen anders firmierende) Procedo GmbH nach dem Verkauf an REWE mittlerweile derart gesundet sei, daß die Erstattung der früheren Zahlungen zur Erhaltung des Stammkapitals der Gesellschaft nicht mehr erforderlich sei. Die Oberlandesgerichte haben sich für diese Auffassung insbesondere auf eine Entscheidung des II. Zivilsenats aus dem Jahre 1987 (Urteil vom 11. Mai 1987 – II ZR 226/86, ZIP 1987, 1113) gestützt, das in der Fachliteratur auf einige Kritik gestoßen ist. Der Senat wird deshalb voraussichtlich im Rahmen der vom Kläger eingelegten Revisionen Gelegenheit haben, sich erneut mit der Rechtsfrage zu befassen, welchen Einfluß es auf den Bestand einer einmal entstandenen Erstattungsforderung der Gesellschaft wegen verbotswidrig an die Gesellschafter zurückgezahlten Stammkapitals hat, daß das Gesellschaftsvermögen im weiteren zeitlichen Verlauf in einer Weise gesundet, daß die Stammkapitalziffer wieder ganz oder teilweise gedeckt ist. (II ZR 347/97 = LG Heidelberg/OLG Karlsruhe, II ZR 75/98 = LG Mannheim/OLG Karlsruhe, II ZR 118/98 = LG Stuttgart/OLG Stuttgart)

 

Verhandlungstermin: 11. Mai 2000

I ZR 28/98

Am 11. Mai 2000 wird den I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs die bislang höchstrichterlich noch nicht entschiedene Frage beschäftigen, ob ein Gewerbetreibender mit einer wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklage verhindern kann, daß ein Unternehmen, das Erzeugnisse gleicher Art herstellt und vertreibt, bei der Produktion laufend gegen Umweltvorschriften verstößt (hier: Immissionsgrenzwerte überschreitet). Hintergrund ist ein in den Vorinstanzen vom Landgericht Detmold und Oberlandesgericht Hamm entschiedener Rechtsstreit zwischen zwei Unternehmen der Holzindustrie, die sich insbesondere mit der Herstellung und dem Vertrieb von Span- bzw. Faserplatten befassen (Klägerinnen), und einem auf demselben Gebiet tätigen Unternehmen (Beklagte zu 1) sowie dessen persönlich haftender Gesellschafterin und ihren Geschäftsführern (Beklagte zu 2 bis 5). Die Beklagte zu 1 betreibt zur Erzeugung des für den Produktionsvorgang erforderlichen Dampfes auf ihrem Werksgelände eine aus zwei Kesseln bestehende Dampfkesselanlage, in der sie Holz- und Spanplattenreste sowie –stäube verfeuert. Die Anlage ist ungefähr seit 1970 im Einsatz. Im Jahre 1986 wurde der Beklagten zu 1 durch die zuständigen Behörden eine wesentliche Änderung der Feuerung des Kessels 2 auferlegt, um die beim Einsatz fester Brennstoffe ausgestoßene Kohlenmonoxid-Massenkonzentration zu verringern. Da dieses Ziel nicht erreicht wurde, ordnete das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt in Minden im Jahre 1990 technische Maßnahmen an den Feuerungsanlagen der Dampfkessel an, um eine Überschreitung der zulässigen Grenzwerte der Kohlenmonoxidkonzentration im Abgas zu verhindern. Der von der Beklagten zu 1 gegen diese Ordnungsverfügung eingelegte Widerspruch sowie die im Anschluß daran vor dem Verwaltungsgericht Minden und dem Oberverwaltungsgericht Münster betriebenen Klageverfahren waren erfolglos. Die Beklagte zu 1 hielt auch in der Folgezeit die zulässigen Grenzwerte der Schadstoffimmission nicht kontinuierlich ein. Das Staatliche Umweltamt Minden erließ daher gegen die Beklagte zu 1 im Januar 1996 einen Bußgeldbescheid und eine Ordnungsverfügung, mit der ihr der Einsatz fester Brennstoffe in ihrer Kesselanlage untersagt wurde. Eine Durchsetzung dieser Anordnungen unterblieb aber, nachdem die Beklagte zu 1 im Rahmen einer Besprechung, die im April 1996 im Wirtschaftsministerium des Landes Nordrhein Westfalen in Düsseldorf stattfand, bestimmte Zusagen in bezug auf die Nachrüstung der bestehenden Kesselanlage und die Errichtung des von ihr seit langem geplanten neuen Kesselhauses gemacht hatte. Die auf wettbewerbsrechtliche Anspruchsgrundlagen gestützte Unterlassungsklage der beiden Konkurrenzunternehmen war vor dem Landgericht und Oberlandesgericht erfolglos. Dagegen wendet sich die Revision der Klägerinnen.

 

 

Verhandlungstermin: 30. Mai 2000

VI ZR 276/99

In diesem Rechtsstreit begehrt das Klinikum Nürnberg, eine Anstalt öffentlichen Rechts, von den beiden Beklagten die Unterlassung bestimmter Äußerungen, die neben anderen auf einem Flugblatt enthalten waren, das die Beklagten im Oktober 1997 vor dem Klinikgelände aus Protest gegen dort stattfindende Schwangerschaftsabbrüche verteilt hatten. Seit Anfang 1993 waren Praxisräume auf dem Klinikgelände an den Frauenarzt Dr. X. vermietet, der wesentliche Teile seines Einkommens mit der Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen erzielt.

Vor dem Oberlandesgericht hatte die Klage Erfolg. Den Beklagten ist untersagt worden, in bezug auf das Klinikum Nord in Nürnberg folgende Äußerung aufzustellen oder zu verbreiten:

"Kindermord im Mutterschoß auf dem Gelände des Klinikums Nord" und "damals: Holocaust, heute: Babycaust".

Zur Begründung hat das Oberlandesgericht ausgeführt, daß die Grenze des auch unter Berücksichtigung der Meinungsfreiheit Hinnehmbaren überschritten sei, wenn die aufgrund der geltenden Gesetze zum Schwangerschaftsabbruch von dem Klinikum wahrgenommene Funktion im Rahmen der praktischen Ausgestaltung der Abtreibungsregelung mit einem in der Geschichte beispiellosen Massenmord verglichen und damit auf die unterste Stufe menschlicher Verhaltensweisen projiziert werde. Eine solche Gleichsetzung sei nicht nur völlig unangemessen, sondern schlicht unerträglich und mit dem darin enthaltenen Unwerturteil geeignet, die Aufgabe der Krankenbetreuung zu gefährden.

Es hat jedoch wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zugelassen. Die Beklagten verfolgen mit ihrer Revision die Klageabweisung. Sie meinen, der im Zusammenhang zu würdigende Text des Flugblattes enthalte schon keinen Vorwurf gegen das Klinikum, sondern nur gegen Dr. X. Außerdem könnten sie sich auf das uneingeschränkt gewährleistete Grundrecht der Glaubensfreiheit (Art. 4 GG), jedenfalls aber das der Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) berufen (LG Nürnberg-Fürth/OLG Nürnberg)

 

Verhandlungstermin: 30. Mai 2000

IX ZR 121/99

Es werden Schadensersatzansprüche von über 1 Mio. DM geltend gemacht. Die verklagten, vom Kläger im Zusammenhang mit einem Grundstücksverkauf mandatierten Rechtsanwälte sollen neben ihrem Honorar - ohne Kenntnis des Klägers - auch Unterprovisionen von einer eingeschalteten Maklerfirma erhalten haben. Hierdurch sei der dem Kläger zugeflossene Kaufpreis entsprechend gemindert worden. Dieser sieht in dem Verhalten der Beklagten eine sittenwidrige Schädigung.

Das Berufungsgericht (OLG München) hat die Schadensersatzklage abgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision.

 

Verhandlungstermin: 6. Juni 2000

XI ZR 258/99

Die Parteien, ein Gesamtvollstreckungsverwalter und eine Sparkasse, streiten über die bisher höchstrichterlich noch nicht entschiedene Frage, wie lange der Kontoinhaber, der einem Gläubiger eine Einzugsermächtigung erteilt hat, einer Lastschriftbuchung des kontoführenden Kreditinstituts noch widersprechen kann, insbesondere, ob dies auch dann noch möglich ist, wenn gegen einen Rechnungsabschluß nach Ablauf eines Quartals keine Einwendungen erhoben worden sind (LG Leipzig/OLG Dresden).

 

XI ZR 235/99

Die Parteien, eine Gemeinde in Baden-Württemberg und eine Volksbank, streiten über die Löschung einer Grundschuld in Höhe von 570.000 DM, die der Gemeindebürgermeister ohne Zustimmung der Rechtsaufsichtsbehörde zur Absicherung eines Bankkredits, den ein inzwischen zahlungsunfähiger Kaufmann bei der beklagten Volksbank aufgenommen hat, an gemeindeeigenen Grundstücken bestellt hat. Die Volksbank beruft sich gegenüber dem Löschungsanspruch der Gemeinde auf einen Schadensersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsschluß. Der Fall wirft die Frage auf, ob ein solcher Anspruch trotz des kommunalrechtlichen Verbots der Bestellung von Sicherheiten zugunsten Dritter bestehen kann (LG Freiburg/OLG Karlsruhe).

 

Verhandlungstermin: 7. Juni 2000

VIII ZR 268/99

In dieser Sache ist darüber zu entscheiden, ob die Erklärung des Mieters, mit der dieser sein gesetzliches Vorkaufsrecht nach § 570b BGB ausübt, der nach § 313 Satz 1 BGB für den Grundstückskaufvertrag vorgesehenen notariell beurkundeten Form bedarf (LG Duisburg/OLG Düsseldorf).

 

Verhandlungstermin: 27. Juni 2000

X ZR 94/98

Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob der Beklagte in seiner Eigenschaft als Wirtschaftsprüfer unrichtige Testate erteilt und sich hierdurch den Klägern schadensersatzpflichtig gemacht hat.

Die Kläger waren mit Geldeinlagen an einem Anlagesystem beteiligt. Nach dem Konzept dieses Systems wurden den Anlegern Beteiligungen ab 3.000,-- DM zuzüglich 10% Abschlußgebühr an Gesellschaften bürgerlichen Rechts angeboten, deren Zweck die gemeinsame Geldanlage war. Das Anlagesystem, das durch einen Treuhänder und einen Wirtschaftsprüfer gesichert werden sollte, wurde in Prospekten der Anbieter dargestellt. Unter anderem wurde darauf hingewiesen, daß die Prüfung des Mittelzuflusses, der Mittelverwendung, der Ertragsauszahlung sowie der Beteiligungen 1/2 oder 1/4-jährlich von einem unabhängigen Wirtschaftsprüfer durchgeführt werde. Die Prüfungen übernahm der Beklagte, wobei er jeweils in Testaten die ordnungs- und vertragsgemäße Mittelverwendung bestätigte. Anfang 1995 brach das Anlagesystem zusammen. Fällige Auszahlungen wurden an die Anleger nicht vorgenommen. Der Gesamtschaden soll sich auf mehrere Millionen DM belaufen.(LG Hannover/OLG Celle)

 

Verhandlungstermin: 27. Juni 2000

XI ZR 174/99 und XI ZR 210/99

Die Fälle betreffen Streitigkeiten zwischen einer Bank und Anlegern über die Abwicklung von Darlehensverträgen zur Finanzierung von steuersparenden Beteiligungen an Immobilienfonds, die in den Jahren 1991 und 1992 geschlossen wurden. Die Fondsanteile wurden von einer Gesellschaft vertrieben, die auch die Finanzierung der Anteile vermittelte. Von den kreditfinanzierten Einzahlungen der Anleger sollen Beträge in Höhe mehrerer Millionen DM nicht für den Erwerb und die Bebauung des jeweiligen Grundstücks verwandt worden, sondern an die Vertreiberin der Fondsanteile bzw. den Fondsinitiator geflossen sein, ohne daß sich dies aus den Prospekten ergab oder die Anleger darüber aufgeklärt wurden.

Die Fälle werfen die höchstrichterlich noch nicht geklärte Frage auf, ob insoweit ein Aufklärungsverschulden der kreditvermittelnden Fondsvertreiberin vorliegt, wenn ja, ob die kreditgebende Bank für ein solches Verschulden einzustehen hat oder dieses jedenfalls im Wege des sog. Einwendungsdurchgriffs nach § 9 Abs. 3 Verbraucherkreditgesetz ihrem Darlehensrückzahlungsanspruch entgegengesetzt werden kann (LG München I/OLG München).

 

Verhandlungstermin: 29. Juni 2000

I ZR 59/98

Die Klägerin ist die Bundesinnung für das Hörgeräteakustikerhandwerk; die Beklagte ist ein Unternehmen, das digital programmierte Hörgeräte produziert und vertreibt. Im September 1996 wandte sich die Beklagte mit einem Rundschreiben an Hals-Nasen-Ohren-Ärzte und bewarb ein neuartiges Versorgungskonzept für Hörgeräte. Nach diesem Konzept werden die erweiterte audiometrische Messung zur Bestimmung der sogenannten Unbehaglichkeitsschwelle und der Ohrabdruck nicht mehr wie sonst durch den Hörgeräteakustiker, sondern durch den Hals-Nasen-Ohren-Arzt vorgenommen. Dieser übersendet das Meßergebnis und den Ohrabdruck an die Beklagte, die ein Hörgerät auswählt und digital programmiert sowie das Ohrpaßstück anfertigt. Auch die individuelle Anpassung und Einweisung des Patienten erfolgt danach nicht mehr beim Hörgeräteakustiker, sondern in der Arztpraxis, wobei das Hörgerät an einen von der Beklagten gestellten Computer angeschlossen und im Bedarfsfall umprogrammiert wird und eine Sprechverbindung zum Hörgeräteakustiker der Beklagten besteht. Entsprechend einer Vereinbarung der Beklagten mit dem Landesverband der Betriebskrankenkassen Nordrhein-Westfalen zahlen die Krankenkassen dem behandelnden HNO-Arzt für seine Mitwirkung bei der Herstellung des Ohrabdrucks und der Eingliederung des Hörgerätes einen Betrag von 250 DM für jedes zu versorgende Ohr, der über die Beklagte ausgekehrt wird. Die Klägerin hat das von der Beklagten beworbene Versorgungssystem unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen Bestimmungen des ärztlichen Berufsrechts und gegen Vorschriften der Handwerksordnung als wettbewerbswidrig beanstandet. Die in erster Instanz vom Landgericht Dortmund abgewiesene Klage auf Unterlassung hatte vor dem Oberlandesgericht Hamm im wesentlichen Erfolg. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten.

Die sich in diesem Rechtsstreit stellenden Fragen sind von verschiedenen Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwortet worden. Der Streitfall hat daher nicht nur für die künftige Ausgestaltung der Hörgeräte-Versorgung, sondern auch für weitere ähnlich gelagerte und beim Bundesgerichtshof anhängige Verfahren zwischen Hörgeräteakustikern und HNO-Ärzten Bedeutung.

 

Verhandlungstermin: 29. Juni 2000

III ZR 245/98

Die Kläger, griechische Staatsangehörige, verlangen von der beklagten Bundesrepublik als Nachfolgerin des Deutschen Reiches teils aus eigenem Recht, teils als Rechtsnachfolger ihrer Eltern Schadensersatz bzw. Entschädigung wegen einer im Jahre 1944 nach bewaffneter Auseinandersetzung mit Partisanen gegen ein griechisches Dorf gerichteten "Sühnemaßnahme" der SS, bei der die Eltern der Kläger erschossen wurden und das elterliche Haus zerstört wurde. Die Kläger haben gegen das Versäumnisurteil des Senats vom 14. Oktober 1999 Einspruch eingelegt. Der Senat hat den auf den 10. Februar 2000 angesetzten Verhandlungstermin erneut verlegt, um den Klägern antragsgemäß Gelegenheit zur Einholung eines Rechtsgutachtens zu geben (LG Bonn/OLG Köln).

 

Verhandlungstermin: 5.7.2000

IV ZR 140/99

Der Kläger war von 1947 bis zum Beitritt der neuen Bundesländer zum Bundesgebiet am 3.10.1990 bei den Berliner Verkehrsbetrieben in Ostberlin beschäftigt. An deren Stelle trat ab dem 1.1.1991 die Senatsverwaltung Berlin für Bauen, Wohnen und Verkehr. Diese meldete den Kläger zum 1.4.1991 bei der Beklagten, der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder, an. Nach Erreichen der Altersgrenze teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß er ab dem 1.1.1998 eine Versorungsrente für Versicherte von monatlich 205,72 DM erhalte. In dieser Mitteilung berücksichtigte die Beklagte gem. § 29 Abs. 10 ihrer Satzung (VBLS) 81 Umlagemonate, nämlich die Zeit vom 1.4.1991 bis 31.12.1997, und als Zeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung gem. § 42 Abs. 2 Satz 1 a VBLS 87 Monate, nämlich die vom 1.10.1990 bis zum 31.12.1997. Vor dem 1.10.1990 zurückgelegte Zeiten, die der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zugrundeliegen, sind nicht nicht berücksichtigt. Die Beklagte stützte sich dabei auf § 42 Abs. 2 VBLS in der seit dem 1.11.1995 gültigen Fassung. Dieser lautet auszugsweise wie folgt:

" Als gesamtversorungsfähige Zeiten gelten

  1. bei einem Versorgungsberechtigten, der eine Rente aus der

gesetzliche Rentenversicherung erhält, die Kalendermonate,

aa) die in der gesetzlichen Rentenversicherung als

Beitragszeiten ... mit Ausnahme der vor dem 3.Oktober 1990 zurückgelegten Zeiten im Beitrittsgebiet ... der Rente zugrunde liegen ... abzüglich der Umlagemonate (Absatz 1) zur Hälfte."

Die Berechnung der Beklagten ergab eine Gesamtversorgung, die niedriger als die gesetzliche Rente ist. Sie hat dem Kläger daher nach § 40 Abs.1 i.V.m. §§ 4a a Satz 1 Nr. 1 VBLS lediglich eine Mindestrente in der vorgenannten Höhe zuerkannt.

Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte müsse bei der Errechnung seiner Versorgungsrente die Zeit zwischen 1947 und 3.10.1990 berücksichtigen. Deren Nichtberücksichtigung nach der geltenden Fassung der VBLS stelle eine unzulässige Ungleichbehandlung innerhalb der Versichertengemeinschaft dar. Seine dahin gehende Feststellungsklage hat das LG abgewiesen. Das OLG hat ihr stattgegeben. Die Ausnahmeregelung in § 42 Abs. 2 Satz 1 VBLS sei wegen Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG unwirksam. Sie benachteilige Versicherte aus den neuen Bundesländer gegenüber Versicherten, die ihre Beitragszeiten oder beitragsfreien Zeiten in der gesetzliche Rentenversicherung vor dem 3.10.1990 in den alten Bundesländern zurückgelegt haben. Für diese Ungleichbehandlung habe die Beklagte ein anerkenneswertes Interesse nicht anführen können. Das OLG hat die Revision zugelassen (LG Karlsruhe/OLG Karlsruhe).

 

Verhandlungstermin: 6. Juli 2000

I ZR 244/97

Am 6. Juli 2000 verhandelt der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs über die – von verschiedenen Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwortete – Frage der sogenannten Erschöpfung des urheberrechtlichen Verbreitungsrechts in Fällen, in denen ein Softwarehersteller sich bei Belieferung eines Hardwareherstellers oder Zwischenhändlers mit einer speziellen (einfacheren) Ausstattung eines Computerprogramms mit einer Weiterveräußerung nur im Zusammenhang mit der Veräußerung von Hardware einverstanden erklärt hat.

Klägerin ist die Microsoft Corporation. Diese unterhält für ihre EDV-Programme, insbesondere für ihre Betriebsprogramme, einen gespaltenen Vertrieb: Sie bietet zum einen Programme zum isolierten Erwerb für Verbraucher an, die bereits im Besitz eines Computers sind und etwa eine Aktualisierung für ihr noch mit einer alten Version desselben Programms laufendes Gerät benötigen. Unabhängig davon vertreibt sie zum anderen Programme zur Erstausstattung für neue Computer in einer einfacheren und preisgünstigeren Ausstattung, der sogenannten OEM-Version ("Original Equipment Manufacturer-Version"). Die Klägerin läßt die OEM-Version von hierzu ermächtigten Unternehmen, den "authorized replicators", herstellen und entweder unmittelbar oder über Zwischenhändler (Delivery Service Partner, DSP) an die Hardwarehersteller (OEM) liefern. Mit den größeren Hardwareherstellern und mit den Zwischenhändlern, die die kleineren Hardwarehersteller beliefern, schließt die Klägerin Lizenzverträge. Nach den Vertragsbedingungen der Klägerin dürfen die OEM-Versionen nur zusammen mit der Hardware veräußert werden. Einen entsprechenden Hinweis auf diese Verwendungsbeschränkung läßt die Klägerin auch auf die Verpackungen der OEM-Versionen drucken.

Die Beklagte, die Computer herstellt und vertreibt, mit der Klägerin aber nicht vertraglich verbunden ist, bezog von einem Dritten OEM-Versionen und veräußerte aus diesem Bestand ein Programm isoliert an einen Testkäufer. Die Klägerin hat dies u.a. als eine Verletzung des ihr zustehenden urheberrechtlichen Verbreitungsrechts beanstandet. Ihr darauf gestütztes Klagebegehren hatte vor dem Landgericht Berlin (NJW-RR 1997, 1065) und dem Kammergericht in Berlin (CR 1998, 137) Erfolg. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage.

 

Verhandlungstermin: 6. Juli 2000

I ZR 21/98

In einem weiteren am 6. Juli 2000 beim I. Zivilsenat zur Verhandlung stehenden Fall geht es um die Kennzeichnung bzw. Verzierung von Textilien, insbesondere von Sportbekleidung, mit drei bzw. zwei parallelen Streifen an den Seitennähten und die Beurteilung der sich in diesem Zusammenhang stellenden marken- und wettbewerbsrechtlichen Fragen, vor allem der einer markenrechtlichen Verwechslungsgefahr.

Klägerin ist die adidas-Salomon AG; Beklagte ist ein großes deutsches Textileinzelhandelsunternehmen. Gegenstand der Auseinandersetzung sind in der Revisionsinstanz noch insgesamt fünf Kleidungsstücke. Die Klägerin ist der Ansicht, daß zwischen ihrer Kennzeichnung und den Streifen der Beklagten Verwechlsungsgefahr bestehe, wobei auch die Benutzung von zwei anstelle von drei Streifen nicht aus dem Schutzbereich herausführe. Sie hat deshalb aus Marken- und Wettbewerbsrecht Unterlassung, Rechnungslegung und die Feststellung einer Schadensersatzverpflichtung begehrt. Das Landgericht hat eine Verwechslungsgefahr bei zwei, das Berufungsgericht nur bei einem Bekleidungsstück angenommen, bei dem die Seitennaht als mit drei schwarzen Streifen – getrennt durch weiße Streifen – verziert wirke. Mit der Revision verfolgt die Klägerin auch hinsichtlich der vier weiteren Kleidungsstücke, die mit nur zwei Streifen versehen sind, die Klageansprüche weiter. Im Wege der Anschlußrevision erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage auch in dem Fall, in dem das Berufungsgericht von einer Verwechslungsgefahr ausgegangen ist (LG München I/OLG München).

 

Verhandlungstermin: 7. Juli 2000

V ZR 435/98

Die Beklagte ist nach einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit berechtigt, auf Grundstücken des Klägers eine Ferngasleitung einschließlich ein der Überwachung und Steuerung dienendes Meß- und Fernmeldekabel zu verlegen und zu unterhalten. In einem Kabelschutzrohr war ursprünglich ein Lichtwellenleiterkabel mit 4 Faserpaaren eingezogen.

Nachdem der Beklagten eine Übertragungswegelizenz versagt worden war, räumte sie das Nutzungsrecht an dem Kabelrohr einer mit einer solchen Lizenz ausgestatteten Firma ein und verlegte ohne Wissen des Klägers ein leistungsstärkeres mit 30 Faserpaaren bestücktes Lichtwellenleiterkabel in das Schutzrohr, das auch zu Telekommunikationsleistungen für die Öffentlichkeit geeignet ist.

Die auf Beseitigung des Lichtwellenleiterkabels, hilfsweise auf Unterlassung einer über betriebliche Zwecke hinausgehenden Nutzung sowie vorsorglich auf Entschädigung gerichtete Klage hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers. Sie wirft grundsätzliche Fragen zu der in § 57 Abs. 1 Nr. 1 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) ausgesprochenen Duldungspflicht, insbesondere auch zu einem eventuellen Ausgleichsanspruch (§ 57 Abs. 2 Satz 2 TKG) auf (LG Hanau/OLG Frankfurt/M.).

 

Verhandlungstermin: 12.7.2000

IV ZR 272/99

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einer Fahrzeugvollversicherung auf Erstattung von Reparaturkosten in Anspruch, die infolge eines Unfall angefallen sind, den die Klägerin durch einen Rotlichtverstoß verursacht hatte. Die Klägerin befuhr mit dem versicherten PKW eine aus Sicht der Klägerin vierspurige Straße. An einer Kreuzung mußte sie wegen Rotlichts anhalten. Die rechte Spur war nur für Rechtsabbieger, die äußerst linke Spur nur für die Linksabbieger vorgesehen. In der Mitte befanden sich zwei Fahrspuren für die Geradeausrichtung. Die Linksabbiegerspur war mit einer eigenen Linksabbiegerampel gesichert, wobei es für diese Spur eine Lichtzeichenanlage links neben der Fahrbahn und eine Lichtzeichenanlage gab, die unmittelbar über der Fahrbahn an einem Peitschenmast angebracht war. Für die Rechtsabbiegerspur befand sich eine Lichtzeichenanlage rechts neben der Fahrbahn. Für die beiden Geradeausspuren war jeweils eine Lichtzeichenanlage an dem Peitschenmast angebracht und eine zusätzliche Lichtzeichenanlage rechts neben der Fahrbahn, aber links von der Rechtsabbiegerampel. Die Klägerin befand sich auf der linken Geradeausspur und hielt an, als die für den Geradesausverkehr bestimmten Ampeln Rotlicht zeigten. Nachdem die den Rechtsabbiegerverkehr regelnde Ampel auf Grünlicht umschaltete, fuhr die Klägerin in den Kreuzungsbereich ein, obwohl die für den Geradeausverkehr maßgebenden Ampeln weiterhin Rotlicht anzeigten. Im Kreuzungsbereich kam es zu einem Zusammenstoß mit einem von rechts kommenden Fahrzeug.

Die Beklagte hat die Versicherungsleistung verweigert, weil die Klägerin den Unfall durch die Mißachtung des Rotlichtes grob fahrlässig herbeigeführt habe (§ 61 Versicherungsvertragsgesetz). Die Klägerin hat demgegenüber geltend gemacht, es habe sich um ein Augenblicksversagen gehandelt; das Verwechseln der beiden Ampelsignale sei auf eine momentane Unaufmerksamkeit zurückzuführen. Das Landgericht ist dem gefolgt und hat der Klage im wesentlichen stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keine Umstände vorgetragen, die geeignet seien, den für die Feststellung grober Fahrlässigkeit erforderlichen subjektiven Schuldvorwurf als weniger schwerwiegend zu bewerten. Zwar unterscheide sich der vorliegende Fall von den üblichen Rotlichtverstößen insoweit, als die Klägerin das Rotlicht zunächst nicht mißachtet, sondern vor der Ampel gehalten und erst anschließend, obwohl die für sie maßgebliche Ampel weiterhin Rotlicht angezeigt habe, wieder angefahren sei. Dieser Umstand reiche zur Verneinung der subjektiven Seite grober Fahrlässigkeit indessen nicht aus. Insbesondere habe die Klägerin nicht dargelegt, daß sie dadurch zum Anfahren verleitet worden sei, daß sich auf der rechten Spur Rechtsabbieger befunden hätten, die ihrerseits angefahren seien. Das Gericht könne sich nicht der Ansicht des OLG Hamm (NZV 1993, 438) anschließen, wonach grobe Fahrlässigkeit zu verneinen sei, wenn der Verkehrsteilnehmer vor der Lichtzeichenanlage bei dem für seine Fahrspur geltenden Rotlicht zunächst ordnungsgemäß abgebremst und erst nach Aufleuchten des Grünlichts der für ihn nicht maßgeblichen Abbiegerspur wieder beschleunigt habe. Im Hinblick auf unterschiedliche Auffassungen in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte dazu, wann bei einem Rotlichtverstoß ein grobe Fahrlässigkeit ausschließendes Augenblicksversagen vorliege, hat das Oberlandesgericht die Revision zugelassen (LG Frankfurt a.M./OLG Frankfurt a.M.).

Verhandlungstermin: 12. Juli 2000

VIII ZR 47/99

Hier geht es um die Frage, ob ein fabrikneues Kraftfahrzeug fehlerhaft ist, wenn es im Zeitpunkt seines Verkaufs in konstruktiven Merkmalen – hier: die Positionierung des Benzintanks bei einem Fahrzeug der oberen Mittelklasse (BMW 5er-Reihe) – nicht mehr dem in VII Nr. 1 der Neuwagenverkaufsbedingungen garantierten Stand der Technik für vergleichbare Fahrzeuge bei Auslieferung entspricht (LG Baden-Baden/OLG Karlsruhe).

 

Verhandlungstermin: 12. Juli 2000

3 StR 70/00 und 3 StR 71/00

Beim 3. Strafsenat sind zwei Revisionen gegen Urteile des Landgerichts Krefeld anhängig, deren Gegenstand der langjährige, bandenmäßige Diebstahl von Stahl unter Mitwirkung des Werksschutzes der Fa. Krupp ist.

Nach den Feststellungen wurden in der Zeit vom 1. Januar 1988 bis zum 25. März 1997 in dem Krefelder Stahlwerk der Firma KTN Krupp-Thyssen-Nirosta fortlaufend Edelstahlprodukte in einer Gesamtmenge von über 4000 Tonnen (ca. 160 LKW-Ladungen) unter Beteiligung von Verladepersonal, des ehemaligen Leiters des Werkschutzes sowie weiterer im Werkschutz beschäftigten Personen entwendet und von dem Inhaber einer benachbarten Stahlfirma für 14 Millionen DM weiterverkauft. Der rechtskräftig u.a. wegen schweren Bandendiebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilte, im Verladebereich tätige Industriemeister M. stellte fingierte Lade-, Liefer- und Versandpapiere her, so daß dem nicht eingeweihten Verladepersonal nichts auffiel. Die für KTN bestimmten Mehrfertigungen der Papiere vernichtete er. Er erhielt von dem Verkäufer für seine Tätigkeit insgesamt 700 000 DM. Der mit diesem befreundete E. sorgte als früherer Leiter der Werksicherheit der Fa. KTN dafür, daß die einzelnen Stahlfuhren unauffällig das Krefelder Edelstahlwerk verlassen konnten. Hierfür erhielt er insgesamt zwei Millionen DM. Jeder LKW mußte bei der Ein- und Ausfahrt von dem E. unterstehenden Wiegepersonal gewogen werden. E. informierte den Verkäufer darüber, wann ein bestimmter, an den Straftaten beteiligter Wieger an der Werkschutzwaage Dienst hatte. Diesen wies er an, den Lastzug oder die Lastzüge der Firma N. nur pro forma zu verwiegen und die Wiegeergebnisse der Abteilung Verkehrswirtschaft nicht mitzuteilen.

Der Angeklagte E. (Leiter der Werkssicherheit) wurde durch Urteil des Landgerichts Krefeld vom 27. Mai 1999 nach einer über neun Monaten dauernden Hauptverhandlung wegen schweren Bandendiebstahls in 57 Fällen und Bandendiebstahls in 30 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision beanstandet er insbesondere die Verurteilung wegen Bandendiebstahls. Der Generalbundesanwalt hat beantragt, die Revision durch Beschluß gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen.

Der Angeklagte L. (Wiegearbeiter) wurde durch Urteil des Landgerichts Krefeld vom 8. September 1998 wegen Beihilfe zum Diebstahl in 45 Fällen zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Während der Angeklagte mit seiner Revision rügt, daß die Verurteilung hinsichtlich eines Teils der Taten wegen Strafverfolgungsverjährung nicht hätte erfolgen dürfen, erstrebt die Staatsanwaltschaft mit ihrer - vom Generalbundesanwalt vertretenen - Revision die Verurteilung des Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Bandendiebstahls in 45 Fällen.

 

Verhandlungstermin: 12. Juli 2000

3 StR 454/99, 3 StR 53/00

Das Landgericht Oldenburg hat nach 102 Hauptverhandlungstagen den Rechtsanwalt B. wegen Beihilfe zum Betrug in neun Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten und den Rechtsanwalt M. wegen derselben Delikte und wegen Beihilfe zu einem versuchten Betrug zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Daneben hat es gegen M. ein Berufsverbot für die Dauer von fünf Jahren und gegen B. ein solches für die Dauer von drei Jahren verhängt. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit außergewöhnlich umfangreichen Verfahrensrügen, die allein zwölf Aktenordner ausfüllen.

Der Angeklagte M. war nach Ablegung des zweiten juristischen Staatsexamens zunächst zwei Jahre als Richter, danach als Rechtsanwalt und Notar in Oldenburg tätig. Der Angeklagte B. war seit 1980 in derselben Sozietät wie M. als Rechtsanwalt tätig.

Nach den Feststellungen des Landgerichts förderten die Angeklagten Grundstücksgeschäfte, bei denen den finanzierenden Banken in betrügerischer Absicht überhöhte Grundstückswerte bzw. Erwerbskosten vorgespiegelt wurden, um sie zur Auszahlung überhöhter Kredite zu veranlassen. Dabei entstand ein Gesamtschaden von mehr als 50 Millionen DM. Die von den Angeklagten berechneten Notargebühren betrugen insgesamt knapp eine Million DM.

Die Angeklagten beanstanden das Verfahren und die Rechtsanwendung.

Der Generalbundesanwalt hält die Verfahrensrügen für unbegründet und beantragt, auf die Sachrüge durch Urteil zu entscheiden.

 

Verhandlungstermin: 13. Juli 2000

III ZR 158/99

Der klagende Verband, ein Zusammenschluß privater Krankenversicherer, verlangt von dem beklagten kommunalen Krankenhausträger die Herabsetzung der von diesem berechneten Zuschläge für die Unterbringung von Patienten im Ein- und Zweibettzimmer als Wahlleistung (derzeit 250 bis 290 DM bzw. 160 bis 190 DM pro Tag) auf maximal 174 bis 113 DM. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es versteht das in der Bundespflegesatzverordnung normierte Angemessenheitsgebot als Ausdruck des allgemeinen Wucherverbots. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Sprungrevision (LG Hannover).

 

Verhandlungstermin: 18. Juli 2000

XI ZR 328/99

Die Kläger streiten mit der beklagten Bank über die Abwicklung eines vermittelten Darlehensvertrages zur Finanzierung eines Teilzeitwohnrechts. Die Kläger machen die Sittenwidrigkeit des Kaufvertrages über das Teilzeitwohnrecht insbesondere wegen Irreführung und hoher Intransparenz geltend, halten diesen Einwand im Wege des Durchgriffs nach § 9 Abs. 3 Verbraucherkreditgesetz der kreditgebenden Bank entgegen und verlangen die auf den Darlehensvertrag bereits erbrachten Leistungen zurück.

Die zugelassene Revision wirft die höchstrichterlich noch nicht geklärte Frage des sog. Rückforderungsdurchgriffs bei verbundenen Geschäften nach dem Verbraucherkreditgesetz auf (LG Leipzig/OLG Dresden).

 

VIII ZR 155/99 - noch nicht terminiert -

In dieser zugelassenen Revision ist im Rahmen einer Verbandsklage nach § 13 AGBG über die Wirksamkeit von verschiedenen Klauseln zu entscheiden, die sich in den vom beklagten Automobilherstellerverband und anderen Verbänden empfohlenen "Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Verkauf von fabrikneuen Kraftfahrzeugen und Anhängern – Neuwagen-Verkaufsbedingungen" befinden. Die zur Überprüfung durch den Senat stehenden AGB-Bestimmungen enthalten unter anderem Regelungen, die die Fälligkeit des Kaufpreises und Fragen der Gewährleistungspflicht des Verkäufers betreffen (LG Frankfurt/M./OLG Frankfurt/M.).

 

Beratungstermin noch nicht bestimmt

3 StR 433/99

Die Angeklagte wurde vom Amtsgericht Hamburg-Altona wegen Verunglimpfung des Staates zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt, die auf ihre Berufung vom Landgericht Hamburg auf 60 Tagessätze ermäßigt wurde.

Nach den Feststellungen veröffentlichte die Angeklagte als verantwortliche Redakteurin in der Druckschrift "Angehörigen Info" am 2. und am 27. Januar 1996 zwei Artikel, die sich mit den Vorfällen in Bad Kleinen im Sommer 1993, insbesondere dem Tod von Wolfgang Grams befaßten. Als Beschimpfung der Bundesrepublik Deutschland und ihrer verfassungsmäßigen Organe i.S.d. § 90a Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 StGB sah die Berufungskammer vor allem Passagen in den Artikeln an, in denen von staatlich gedecktem Mord an Grams, seiner Hinrichtung durch die GSG-9, Vertuschung von Beweismitteln und Vertuschung der politischen Verantwortung für den staatlich gedeckten Mord bis heute die Rede war.

Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg beabsichtigt, auf die Revision der Angeklagten das Berufungsurteil mit der Begründung aufzuheben, es stelle einen sachlich-rechtlichen Fehler dar, daß eine Bestrafung ohne Rücksicht auf die Wahrheit oder Unwahrheit der festgestellten Äußerungen erfolgt sei. An dieser Vorgehensweise sieht es sich aber durch eine entgegenstehende, ältere Entscheidung des 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofs gehindert. Es hat die Sache deshalb dem Bundesgerichtshof gemäß § 121 Abs. 2 GVG vorgelegt zur Entscheidung über die Frage:"Kommt es für die Anwendung des § 90a Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 StGB auf die Wahrheit oder Unwahrheit der Äußerung an ?"

Es ist noch offen, ob sich der Senat zu dieser Rechtsfrage äußern wird. Zunächst muß nämlich geprüft werden, ob die Vorlage an den Bundesgerichtshof zulässig ist.

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