Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle

 

 

Nr. 25/2000

Zum unfreiwilligen Arbeitsplatzverlust des

Unterhaltsschuldners

Der u.a. für das Familienrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte über die Frage zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen ein Unterhaltsschuldner, der durch pflichtwidriges, insbesondere strafbares Verhalten seinen Arbeitsplatz verliert, sich gegenüber dem Unterhaltsgläubiger darauf berufen kann, daß er infolge seiner Arbeitslosigkeit nicht mehr in der bisherigen Höhe Unterhalt leisten könne:

Die Kläger sind die minderjährigen Kinder des Beklagten aus dessen geschiedener Ehe. Sie verlangen vom Beklagten den Mindestunterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle. Der wieder verheiratete Beklagte ist schwerbehindert und war seit 1977 bei den Stadtwerken in M beschäftigt. Die Stadtwerke kündigten das Arbeitsverhältnis wegen des Diebstahls von Betriebseigentum. Aufgrund dieser Tat wurde der Beklagte zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, die auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Beklagte bezog seither Arbeitslosengeld.

Das Oberlandesgericht hat der Klage entsprochen. Dabei ist es von dem - höheren - Arbeitsentgelt ausgegangen, das der Beklagte zuletzt bezogen hatte. Der Beklagte könne sich gegenüber den Klägern nicht auf den Verlust seines früheren Arbeitsplatzes und die damit einhergehende Einkommenseinbuße berufen; denn er habe diesen Verlust verantwortungslos und leichtfertig verursacht. Angesichts seiner behinderungsbedingten schlechten Arbeitsmarktchance und der allgemein ungünstigen Arbeitsmarktsituation im Bezirk M. habe sich dem Beklagten bei der Begehung seiner Straftat aufdrängen müssen, daß er im Falle einer Entdeckung und seiner Kündigung den Unterhalt für die Kläger und seine zweite Ehefrau kaum noch werde aufbringen können.

Der XII. Zivilsenat hat diese Entscheidung aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz (OLG Karlsruhe) zurückverwiesen. Er hat dazu ausgeführt:

Bei unfreiwilligem Arbeitsplatzverlust könne sich der Unterhaltspflichtige auf seine Leistungsunfähigkeit dann nicht berufen, wenn das für den Verlust des Arbeitsplatzes ursächliche Verhalten sich seinerseits als eine Verletzung der Unterhaltspflicht darstelle. Für den erforderlichen unterhaltsrechtlichen Bezug insbesondere einer Straftat genüge es dabei nicht, daß der Arbeitsplatzverlust als Folge des strafbaren Verhaltens vorhersehbar gewesen sei. Die nachteiligen Folgen, die eine Straftat für den beruflichen Werdegang des Straftäters mit sich bringen könne, lägen nämlich bei vernünftiger Betrachtung stets auf der Hand.

Dem Unterhaltsschuldner sei die Berufung auf die eigene Leistungsunfähigkeit nur dann versagt, wenn er seine Leistungsunfähigkeit durch unterhaltsbezogene Mutwilligkeit herbeigeführt habe, die freilich nicht nur absichtliches oder vorsätzliches, sondern auch leichtfertiges Verhalten umfasse. Dies habe der Senat für den von § 1579 Nr. 3 BGB normierten Fall einer vom Unterhaltsgläubiger selbst verursachten Bedürftigkeit wiederholt entschieden. Für den gesetzlich nicht besonders geregelten Fall der vom Unterhaltsschuldner selbst verursachten Leistungsunfähigkeit könnten – schon im Hinblick auf den nur von § 242 BGB eingeschränkten Grundsatz des § 1603 Abs. 1 BGB - keine geringeren Anforderungen gelten. Bei Leichtfertigkeit, die gewöhnlich bewußte Fahrlässigkeit sein werde, ergebe sich damit das Erfordernis, daß der Unterhaltsschuldner die Möglichkeit des Eintritts der Leistungsunfähigkeit als Folge seines Verhaltens erkenne und im Bewußtsein dieser Möglichkeit, wenn auch im Vertrauen auf den Nichteintritt jener Folge handele, wobei er sich unter grober Mißachtung dessen, was jedem einleuchten müsse, oder in Verantwortungslosigkeit und Rücksichtslosigkeit gegen den Unterhaltsgläubiger über die erkannte Möglichkeit nachteiliger Folgen für seine Leistungsfähigkeit hinwegsetze. Zum Vorliegen dieser Voraussetzung habe das Oberlandesgericht, von seinem Standpunkt aus folgerichtig, keine Feststellungen getroffen. Das wird daher nachzuholen sein.

Urteil vom 12. April 2000 – XII ZR 79/98

Karlsruhe, den 12. April 2000

 

 

 

 

 

Pressestelle des Bundesgerichtshofs

76125 Karlsruhe

Telefon (0721) 159-422

Telefax (0721) 159-831