Bundesgerichtshof 76125 Karlsruhe, den 28.04.2000

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Sehr geehrte Damen und Herren,

im Nachgang zu meiner Ihnen gestern übermittelten Vorschau über Verfahren, die für die Öffentlichkeit von Interesse sein können, darf ich Sie noch auf vier weitere Verfahren hinweisen, die beim 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (in Leipzig) anhängig sind:

 

Verhandlungstermin: 4. Juli 2000

5 StR 456/99

Der Angeklagte war vom Landgericht Berlin im Jahr 1997 wegen Mordes und versuchten Mordes zu einer lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt worden. Nach der Überzeugung des Landgerichts stand fest, daß der Angeklagte seiner bisherigen Verlobten, die ihn "endgültig" aus ihrer Wohnung verwiesen hatte, mit einem Baseballschläger oder einem ähnlichen Gegenstand aus Wut, Zorn und verletztem Stolz über die Trennung in Tötungsabsicht den Schädel partiell zertrümmert hatte. Die Tat geschah im Haus eines schwerkranken Millionärs, als dessen Krankenpflegerin die Verlobte des Angeklagten tätig war. Im Gegensatz zu dem Millionär, dem der Angeklagte nach den Feststellungen als einzigem Tatzeugen ebenfalls den Schädel zertrümmert hatte, überlebte die Verlobte des Angeklagten aufgrund monatelanger intensiv-medizinischer Behandlung. Der Bundesgerichtshof hat dieses Urteil wegen fehlerhafter Beweiswürdigung aufgehoben und zurückverwiesen, weil das Landgericht eine widerlegte Alibibehauptung maßgeblich als Beweisanzeichen für die Täterschaft des Angeklagten herangezogen hatte. In der neuen tatricherlichen Hauptverhandlung hat das Landgericht den Angeklagten nun vom Vorwurf des Mordes freigesprochen, weil es sich nicht von seiner Täterschaft überzeugen konnte, und hat ihn aufgrund weiterer Tatvorwürfe wegen Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen des Angeklagten, der die Aufhebung des verurteilenden Teils erstrebt, sowie der Nebenklägerin und der Staatsanwaltschaft, die sich gegen den Teilfreispruch wenden und hierbei insbesondere die Beweiswürdigung als fehlerhaft beanstanden.

 

Verhandlungstermin: 5. Juli 2000

5 StR 629/99

Der Angeklagte hat im Jahr 1962 einen bewaffneten DDR-Grenzposten, der an der Berliner Mauer eingesetzt war, erschossen, um eine Festnahme von sich sowie seiner Ehefrau und seinen beiden Söhnen, denen er zur Flucht nach Berlin (West) verhelfen wollte, zu verhindern. Er hatte nach seiner eigenen Flucht in den Westteil der Stadt von dort aus einen Tunnel zu einem unmittelbar hinter der Mauer im Ostteil der Stadt gelegenen Haus gegraben, um seine Familienangehörigen durch den fertiggestellten Tunnel ebenfalls nach Berlin (West) zu holen. Als die Fluchtwilligen unter seiner Führung das Haus betreten wollten, zu dem der Tunnel führte, wurden sie von dem in diesem Grenzabschnitt als Posten eingesetzten Opfer aufgefordert, stehenzubleiben und sich auszuweisen. Da sich der Posten von einer Kontrolle nicht abbringen ließ, erschoß der Angeklagte den ahnungslosen Grenzposten mit einer mitgeführten geladenen Schußwaffe und flüchtete mit seinen Familienangehörigen durch den Tunnel in den Westteil der Stadt.

Das Landgericht Berlin hat eine Rechtfertigung oder Entschuldigung des Angeklagten verneint und hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Die subjektiven Voraussetzungen des Mordmerkmals Heimtücke sah das Landgericht nicht als gegeben an, weil der Angeklagte angesichts affektiver Anspannung die das Mordmerkmal bestimmenden Merkmale nicht erfaßt habe. Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen des Angeklagten, der eine Aufhebung der Verurteilung erstrebt, und der Nebenklage, welche der Ansicht ist, der Angeklagte habe sich des Mordes schuldig gemacht.

 

Verhandlungstermin: 18. Juli 2000

5 StR 624/99

Das Landgericht Wuppertal hat den Angeklagten, einen in der Wertpapierabteilung eingesetzten Sparkassenmitarbeiter, wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in fünf Fällen schuldig gesprochen und hat ihn deswegen mit Strafvorbehalt verwarnt. Es sah als erwiesen an, daß der Angeklagte Bankkunden, welche der Zinsabschlagsteuer in Deutschland entgehen wollten, im Herbst 1992/Frühjahr 1993 bei der Übertragung von Vermögenswerten nach Luxemburg und in die Schweiz geholfen habe, indem er am "anonymisierten" Kapitaltransfer für diese Kunden mitgewirkt habe. Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen des Angeklagten, der die Auffassung vertritt, die von ihm geleisteten "neutralen" Handlungen könnten keine strafbare Beihilfe darstellen, und der Staatsanwaltschaft, welche die Ausführungen des Landgerichts zum festgestellten Schuldumfang und zur Strafzumessung als fehlerhaft beanstandet.

 

Beratungs- bzw. Verhandlungstermin: noch nicht bestimmt

5 StR 613/99

Das Landgericht Frankfurt/Oder hat drei Polizeibeamte wegen Körperverletzung im Amt in jeweils mehreren Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen zwischen 10 Monaten und 2 Jahren – jeweils mit Strafaussetzung zur Bewährung – und einen vierten Polizeibeamten wegen Körperverletzung im Amt zu einer Geldstrafe verurteilt. Nach den Feststellungen haben die Angeklagten in den Jahren 1993/1994 als Bedienstete der Polizeiwache Bernau anläßlich ihrer Ermittlungen mehrere illegal tätige vietnamesische Straßenzigarettenhändler mißhandelt. Die Geschädigten wurden zumeist nach ihrer vorläufigen Festnahme von den Angeklagten auf der Polizeiwache ohne rechtfertigenden Grund geschlagen und getreten. Gegen das Urteil haben sowohl sämtliche Angeklagte, welche die Verletzung formellen und sachlichen Rechts rügen, als auch die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt, welche allerdings nur den Schuldspruch und die Gesamtstrafenbildung hinsichtlich eines Angeklagten beanstandet.

 

Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr. Wolfgang Krüger

Richter am Bundesgerichtshof