Verknüpftes Dokument, siehe auch: Urteil des 6. Senats vom 4.5.2016 - B 6 KA 13/15 R -, Urteil des 6. Senats vom 4.5.2016 - B 6 KA 16/15 R -, Urteil des 6. Senats vom 4.5.2016 - B 6 KA 21/15 R -, Urteil des 6. Senats vom 4.5.2016 - B 6 KA 24/15 R -, Urteil des 6. Senats vom 4.5.2016 - B 6 KA 28/15 R -
Kassel, den 4. Mai 2016
Terminbericht Nr. 19/16
(zur Terminvorschau Nr. 19/16)
Der 6. Senat des Bundessozialgerichts berichtet über seine Sitzung vom 4. Mai 2016.
1) Die Revision des Klägers war erfolglos.
Die sachlich-rechnerische Richtigstellung der Honorarabrechnung des
Klägers ist nicht zu beanstanden.
Das sog Splittingverbot findet auch in der Konstellation Anwendung, in
der ein MKG-Chirurg in einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) mit
Zahnärzten tätig wird, die nicht auch zur vertragsärztlichen Versorgung
zugelassen sind. Für das Eingreifen des Splittingverbots spielt es keine
Rolle, dass die vertragsärztlichen Leistungen des Klägers von ihm in
seiner Einzelpraxis und die vertragszahnärztlichen Leistungen von den
Mitgliedern der BAG erbracht und abgerechnet werden. Da die BAG nach
außen als Rechtseinheit auftritt, sind die vertragszahnärztlichen
Leistungen grundsätzlich allen Mitgliedern zuzurechnen. Ansonsten könnte
durch die Wahl der Organisationsform das Splittingverbot umgangen
werden. Das Verbot, Leistungen in einem einheitlichen Behandlungsfall
teilweise gegenüber der KÄV und teilweise gegenüber der KZÄV
abzurechnen, verstößt nicht gegen das Grundrecht der
Berufsausübungsfreiheit aus Art 12 Abs 1 GG. Es dient der Sicherstellung
einer effizienten Wirtschaftlichkeitskontrolle der besonderen Arztgruppe
der MKG-Chirurgen, die als einzige Arztgruppe bei einem einheitlichen
Versorgungsauftrag sowohl über eine ärztliche als auch eine
zahnärztliche Zulassung verfügen. Die Berufsausübung dieser Gruppe wird
durch das Splittingverbot nicht in unverhältnismäßiger Weise
beeinträchtigt.
SG
Marburg - S 12 KA 609/13 -
Hessisches LSG - L 4 KA 30/14 -
Bundessozialgericht - B 6 KA 16/15 R -
2) Die Revision
des Klägers hatte keinen Erfolg. Er hat keinen Anspruch auf Erteilung
einer Genehmigung zur Durchführung strahlentherapeutischer Leistungen.
Strahlentherapeutische Leistungen sind für den Kläger, der als Facharzt
für Diagnostische Radiologie zur vertragsärztlichen Versorgung
zugelassen ist, fachfremd. Nach der für ihn geltenden
Weiterbildungsordnung hat der Kläger eingehende Kenntnisse lediglich im
Strahlenschutz sowie in der Indikation für Strahlentherapie erworben.
Das frühere Teilgebiet der Radiologie "Strahlenheilkunde" war in der
Weiterbildungsordnung als eigenes Fachgebiet ausgewiesen. Die insoweit
erforderliche Weiterbildung hat der Kläger nicht absolviert. Ob der
Kläger die besonderen Voraussetzungen erfüllt, unter denen die
Qualitätssicherungsvereinbarung zur Strahlendiagnostik und -therapie
ungeachtet einer einschlägigen Facharztweiterbildung eine
Leistungserbringung ermöglicht, kann offenbleiben.
SG Düsseldorf - S 14 KA 232/09 -
LSG
Nordrhein-Westfalen - L 11 KA 36/11 -
Bundessozialgericht - B 6 KA 13/15 R -
3) Die Revision
des Klägers hat keinen Erfolg gehabt.
Der Senat geht davon aus, dass Anstellungsgenehmigungen nach § 32b
Ärzte-ZV nicht dem einzelnen Arzt als Mitglied einer BAG zu erteilen
sind, sondern der BAG als Ganzes. Dies stünde dem Erfolg der Klage hier
aber bereits aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht entgegen; zudem
hat der Kläger ausdrücklich erklärt, dass er die Genehmigung der
Anstellung auch im Namen der BAG geltend macht.
In der Sache haben die Vorinstanzen indes zutreffend entschieden, dass
der Kläger aufgrund des sog Moratoriumsbeschlusses des Gemeinsamen
Bundesausschusses (G-BA) vom 6.9.2012, der anschließenden Neufassung der
Bedarfsplanungsrichtlinie vom 20.12.2012 und der auf dieser Grundlage
durch den zuständigen Landesausschuss angeordneten
Zulassungsbeschränkungen keinen Anspruch auf die begehrte Genehmigung
für die Anstellung eines Strahlentherapeuten hat. Der G-BA war
unabhängig von den Änderungen durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz
berechtigt, Arztgruppen mit bundesweit weniger als 1000 Vertragsärzten
in die Bedarfsplanung einzubeziehen. Auch das vom G-BA beschlossene
Entscheidungsmoratorium ist rechtlich nicht zu beanstanden. Nur auf
diese Weise konnte verhindert werden, dass sich eine bereits bestehende
Überversorgung in dem Zeitraum, der zur Entscheidung über die Anordnung
von Zulassungsbeschränkungen erforderlich ist, weiter erhöht.
Soweit der G-BA für alle neu in die Bedarfsplanung einbezogenen
Arztgruppen einschließlich der Ärzte mit unmittelbarem Patientenkontakt
gleichermaßen den gesamten Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung - und
damit vorliegend das Bundesland Bayern - als Planungsbereich festgelegt
hat, kann der Senat dafür allerdings keine ausreichenden sachlichen
Gründe erkennen. Der G-BA wird seine Entscheidung in diesem Punkt
jeweils bezogen auf die einzelnen neu beplanten Arztgruppen bis zum Ende
des Jahres 2017 zu überprüfen haben. Auf der Grundlage der vorliegenden
"Tragenden Gründe" des G-BA ist aus Sicht des Senats ferner nicht
nachvollziehbar, weshalb der G-BA für alle neu in die Bedarfsplanung
einbezogenen Arztgruppen - trotz der bestehenden Unterschiede -
einheitlich auf die Anwendung des Demographiefaktors verzichtet hat,
während dieser Berechnungsfaktor für alle anderen nicht auf die
Behandlung von Kindern und Jugendlichen ausgerichteten Arztgruppen zur
Anwendung kommen soll.
Dass der G-BA den Grad der bedarfsgerechten Versorgung auf der Basis
eines Stichtags bestimmt, ist nach Auffassung des Senats nicht zu
beanstanden, auch weil bisher kein allgemein anerkanntes Verfahren für
die Ermittlung der bedarfsgerechten Versorgung existiert. Der G-BA
konnte sich insoweit auf die Verfahrensweise des Gesetzgebers bei der
Einführung der im Grundsatz bis heute geltenden Bedarfsplanung im Jahr
1993 und bei der Einbeziehung der Psychotherapeuten in die
Bedarfsplanung im Jahr 1999 beziehen. Von dem durch den Gesetzgeber
vorgezeichneten Stichtagsverfahren ist der G-BA allerdings abgewichen,
indem er den tatsächlich zum Stichtag bestehenden Versorgungsgrad nicht
als bedarfsgerechten Versorgungsgrad (100 %), sondern - ohne dass dieser
Prozentsatz mit entsprechenden Daten hinterlegt wäre - auf 110 % und
damit an der Grenze zur Überversorgung definiert hat. Damit hat der G-BA
seinen Gestaltungsspielraum überschritten. Auf die Entscheidung im
vorliegenden Verfahren wirkt sich dies angesichts eines
Versorgungsgrades von etwa 160 % ebenso wenig aus, wie die Frage der
Anwendung eines Demographiefaktors.
SG Nürnberg - S 1 KA 50/13 -
Bayerisches LSG - L 12 KA 66/14 -
Bundessozialgericht - B 6 KA 24/15 R -
4) Die Revision
der Klägerin hat keinen Erfolg. Das LSG hat die Entscheidung des
beklagten Berufungsausschusses, die Nachbesetzung im Umfang einer
weiteren Viertel Arztstelle abzulehnen, zu Recht nicht beanstandet. Weil
Dr. O. nach dem Verzicht auf seine (volle) Zulassung nur im Umfang einer
¾ Arztstelle in dem MVZ tätig geworden ist, kann nach seinem Ausscheiden
auch nur eine ¾ Arztstelle nachbesetzt werden.
Die Nachbesetzung der Stelle in einem MVZ kann nur dann und nur insoweit
erfolgen, wie der Vertragsarzt tatsächlich als angestellter Arzt im MVZ
tätig geworden ist. Damit wird auch verhindert, dass die Entscheidungen,
die die Zulassungsgremien bei der Nachbesetzung im Falle der Beendigung
der vertragsärztlichen Tätigkeit zu treffen haben, umgangen werden,
indem ein Arzt zwar zunächst erklärt, auf seine Zulassung zu verzichten,
"um in einem MVZ tätig zu werden", die Tätigkeit dort tatsächlich aber
nicht antritt, um dem MVZ sogleich die "Nachbesetzung" durch einen
selbst gewählten Angestellten zu ermöglichen. Die zu fordernde Absicht
des (ehemaligen) Vertragsarztes, im MVZ tätig zu werden, wird sich - wie
der Senat für die Zukunft klarstellt - grundsätzlich auf eine
Tätigkeitsdauer im MVZ von drei Jahren beziehen müssen, wobei die
schrittweise Reduzierung des Tätigkeitsumfangs um ¼ Stelle in Abständen
von einem Jahr unschädlich ist. Bereits bestandskräftig erteilte
Anstellungsgenehmigungen bleiben davon unberührt und können auch
Grundlage einer späteren Stellennachbesetzung werden. Wenn ein
Vertragsarzt, der auf seine Zulassung verzichtet, um in einem MVZ tätig
zu werden, seine Tätigkeit im MVZ allerdings - wie vorliegend - von
Anfang an nur im Umfang einer ¾ Stelle antritt, dann kann auch nur diese
¾ Stelle nachbesetzt werden.
SG München - S 43 KA 1437/11 -
Bayerisches LSG - L 12 KA 31/14 -
Bundessozialgericht - B 6 KA 21/15 R -
5) Die
Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen zu 1 haben keinen Erfolg.
Die Klägerin hat
einen Anspruch auf Genehmigung der Erhöhung des Beschäftigungsumfangs
des bei ihr tätigen Dr. F. im Umfang einer Viertelstelle, denn die
Voraussetzungen für eine Nachbesetzung im Umfang einer Viertelstelle
lagen vor. Insbesondere hat die Klägerin den Antrag rechtzeitig
gestellt. Die Frist von sechs Monaten für die Nachbesetzung von
Arztstellen ist zwar nicht eingehalten worden, muss aber nach der
bisherigen Rechtsprechung des Senats bei der Nachbesetzung von lediglich
Viertel-Arztstellen auch nicht beachtet werden. Allerdings wird an dem
Grundsatz, dass Viertel‑Arztstellen in einem MVZ unbegrenzt offen
gehalten werden dürfen, für die Zukunft nicht festgehalten. Die
bisherige Annahme des Senats, es handele sich bei dem Offenhalten von
Viertel‑Stellen um ein seltenes und bedarfsplanungsrechtlich eher
marginales Phänomen, das über eine Missbrauchsprüfung im Falle der
gezielten Kumulation von solchen Beschäftigungsanteilen hinreichend
bewältigt werden kann, ist nicht mehr gerechtfertigt. Es kann nicht
ausgeschlossen werden , dass durch größere MVZ oder durch die Kumulation
von Viertelstellen mehrerer MVZ Beschäftigungskontingente doch in einem
für die Entsperrung eines Planungsbereichs relevanten Umfang "gebunkert"
werden. Aus diesem Grund verliert ein MVZ sein Nachbesetzungsrecht, wenn
es über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr überhaupt keine
ernsthaften und aussichtsreichen Bemühungen zur Nachbesetzung eine
Viertel-Stelle unternimmt und nicht belegen kann, dass und weshalb trotz
des Ablaufs eines Jahres zeitnah noch mit einer Nachbesetzung mit diesem
Beschäftigungsumfang gerechnet werden kann. Auch unter Beachtung dieser
modifizierten Rechtsprechungsgrundsätze liegen die Voraussetzungen für
die Genehmigung der Anstellung des Dr. F. im Umfang eines weiteren
Viertels vor, denn die Klägerin hat den Antrag auf Erhöhung des
Beschäftigungsumfangs von Dr. F. innerhalb eines Jahres nach der zweiten
Reduzierung des Beschäftigungsumfangs von Dr. P. gestellt.
SG München - S 38 KA 305/13 -
Bayerisches LSG - L 12 KA 175/14 -
Bundessozialgericht - B 6 KA 28/15 R -