Verknüpftes Dokument, siehe auch: Urteil des 1. Senats vom 13.12.2016 - B 1 KR 2/16 R -, Urteil des 1. Senats vom 13.12.2016 - B 1 KR 29/15 R -, Urteil des 1. Senats vom 13.12.2016 - B 1 KR 10/16 R -, Urteil des 1. Senats vom 13.12.2016 - B 1 KR 4/16 R -, Urteil des 1. Senats vom 13.12.2016 - B 1 KR 25/16 R -, Urteil des 1. Senats vom 13.12.2016 - B 1 KR 1/16 R -
Kassel, den 14. Dezember 2016
Terminbericht Nr. 50/16
(zur Terminvorschau Nr. 50/16)
Der 1. Senat des Bundessozialgerichts berichtet über seine Sitzung vom 13. Dezember 2016.
1) Der Senat hat die Revision der klagenden
Berufsgenossenschaft zurückgewiesen. Ihr steht kein Erstattungsanspruch
zu. Sie erbrachte bis 28.12.2009 als zuständiger Leistungsträger dem
Versicherten stationäre Krankenhausbehandlung und Heilmittel. Insoweit
haben nach den Feststellungen des LSG entschädigungspflichtige
Arbeitsunfallfolgen vorgelegen, die auch die Zahlung von Verletztengeld
und die Übernahme von Sozialversicherungsbeiträgen rechtfertigten. Die
Leistungsablehnung der Klägerin ist unbeachtlich. Die Klägerin ist als
vorleistender Träger hinsichtlich ihrer eigenen, gegenüber dem
Versicherten nachträglich erlassenen Leistungsablehnung nicht
vergleichbar schutzwürdig wie ein auf Erstattung in Anspruch genommener
vorrangiger oder zuständiger Leistungsträger hinsichtlich seiner
Entscheidung über die Leistung. Die Klägerin verursachte mit ihrer
ursprünglichen Bewilligung und späteren Ablehnung den Erstattungsstreit.
Wäre ihre spätere Ablehnung zu beachten, schränkte dies den Rechtsschutz
des in Anspruch genommenen Trägers unangemessen ein und wäre
missbrauchsanfällig.
SG Mannheim - S 2 KR 1228/11 -
LSG
Baden-Württemberg - L 11 KR 1601/14 -
Bundessozialgericht - B 1 KR 29/15 R -
2) Die Revision
der beklagten Krankenkasse ist im Sinne der Zurückverweisung erfolgreich
gewesen. Der klagenden Unfallkasse steht aus den im Fall 1 bezeichneten
Gründen nicht schon deswegen ein Erstattungsanspruch als unzuständiger
Leistungsträger zu, weil sie gegenüber der Versicherten einen Anspruch
auf Heilbehandlung nach dem 9.3.2006 und auf Verletztengeld nebst
Beitragstragung nach dem 20.3.2006 verneinte. Das LSG hat - ausgehend
von seiner Rechtsauffassung folgerichtig - keine Feststellungen dazu
getroffen, welcher Träger nach materiellem Recht für diese ab 10. und
21.3.2006 erbrachten Sozialleistungen zuständig ist. Es wird dies nun
nachzuholen und auch der Höhe nach über den Erstattungsanspruch zu
entscheiden haben.
SG Dresden - S 5 U 63/10 -
Sächsisches LSG - L 2 U 126/12 -
Bundessozialgericht - B 1 KR 25/16 R -
3) Der Senat hat
die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Versicherte haben in der
gesetzlichen Krankenversicherung keinen Anspruch auf
psychotherapeutische Behandlung durch nicht approbierte, nur als
Heilpraktiker zugelassene Diplom-Psychologen. Zwingende
Mindestvoraussetzung eines Anspruchs auf Behandlung durch einen
nichtärztlichen Psychotherapeuten ist dessen Approbation nach dem
Psychotherapeutengesetz. Das auf einen behaupteten Systemmangel
gestützte Kostenerstattungs- und Kostenübernahmebegehren der Klägerin
für die Behandlung bei einer nicht approbierten Diplom-Psychologin
musste deshalb erfolglos bleiben.
SG Braunschweig - S 31 KR 43/14 -
LSG
Niedersachsen-Bremen - L 4 KR 209/15 -
Bundessozialgericht - B 1 KR 4/16 R -
4) Die Revision
der beklagten Krankenkasse ist im Sinne der Klageabweisung erfolgreich
gewesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf IVIG. Das Arzneimittel ist
nicht für die Erkrankung der Klägerin zugelassen. Für einen
Off‑Label‑Use fehlt der erforderliche Wirksamkeitsnachweis. Die Klägerin
leidet nicht an einer lebensbedrohlichen, einer regelmäßig tödlich
verlaufenden oder einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren
Erkrankung, die Ansprüche auf eine grundrechtsorientierte
Leistungsauslegung eröffnet. Ein Seltenheitsfall liegt ebenfalls nicht
vor. Die Klägerin kann die IVIG-Therapie auch nicht als neue
Behandlungsmethode beanspruchen. Denn die Therapie ist im Rechtssinne
keine neue Behandlungsmethode, sondern betrifft lediglich den
zulassungsfremden Einsatz eines Arzneimittels. Ein Anspruch der Klägerin
auf IVIG besteht schließlich auch nicht im Rahmen einer teilstationären
Krankenhausbehandlung. Für die Arzneimittelversorgung gelten im
Krankenhaus grundsätzlich keine von der vertragsärztlichen Versorgung
abweichenden Maßstäbe. Im Übrigen ist teilstationäre Behandlung
gegenüber der ambulanten Versorgung nachrangig. Die Infusionsbehandlung
mit Immunglobulinen erfolgte bei der Klägerin vertragsärztlich in der
Institutsambulanz, stationäre Behandlung war nicht erforderlich.
SG Mannheim - S 4 KR 1565/10 -
LSG
Baden-Württemberg - L 11 KR 1116/12 -
Bundessozialgericht - B 1 KR 1/16 R -
5) Der Senat hat
die Revision des Klägers zurückgewiesen. Er kann keine Fahrkosten für
die ambulanten Kontrolluntersuchungen in Halle beanspruchen. Er ist kein
Ausnahmefall (§ 60 Abs 1 S 3 SGB V), da die Untersuchungen nicht in
einer "hohen Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum" erfolgen.
Sie finden zu selten statt, um mit den in der
Krankentransport-Richtlinie genannten anderen Behandlungsformen -
Dialyse, Strahlen- oder Chemotherapie - von ihrem zeitlichen Ausmaß her
wertungsmäßig vergleichbar zu sein. Die ambulanten Untersuchungen ersetzten
auch keine Krankenhausbehandlung des Klägers (§ 60 Abs 2 S 1 Nr 4
SGB V). Krankenhausbehandlung war nämlich aus medizinischen Gründen
nicht erforderlich.
SG Magdeburg - S 13 KR 620/11 WA -
LSG
Sachsen-Anhalt - L 6 KR 31/13 -
Bundessozialgericht - B 1 KR 2/16 R -
6) Der Senat hat
auf die Revision der beklagten Krankenkasse die Klage abgewiesen. Die
Beklagte lehnte es zu Recht ab, den "austherapierten" Versicherten, den
verstorbenen Ehemann der Klägerin, mit dem Fertigarzneimittel Avastin
zur Behandlung seines rezidivierenden Glioblastoms, einer regelmäßig
tödlich verlaufenden Krankheit, zu versorgen. Der Versicherte konnte
dies mangels indikationsgerechter Zulassung weder nach allgemeinen
Grundsätzen noch wegen fehlender Studien der Phase III nach denen des
Off-Lable-Use beanspruchen. Ein Anspruch nach Maßgabe der gesetzlich
geregelten grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungsrechts (§ 2
Abs 1a SGB V) scheitert an der Unvereinbarkeit mit Wertungen des
Arzneimittelrechts. Der Hersteller verfolgte seinen Antrag auf Zulassung
von Avastin zur Behandlung des rezidivierenden Glioblastoms im zwingend
bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) durchzuführenden
zentralisierten Verfahren nach deren ablehnender Begutachtung nicht
weiter. Dies entspricht wertungsmäßig einer Ablehnung der Zulassung, um
die Gesundheit der Patienten zu schützen. Solche institutionellen
Sicherungen dürfen nicht durch eine vermeintlich großzügige
richterrechtliche Zuerkennung von Ansprüchen systematisch unterlaufen
werden, um für die betroffenen Versicherten inakzeptable unkalkulierbare
Risiken von Gesundheitsschäden zu vermeiden.
SG Bayreuth - S 8 KR 309/13 -
Bayerisches LSG - L 5 KR 153/14 -
Bundessozialgericht - B 1 KR 10/16 R -