Verknüpftes Dokument, siehe auch: Urteil des 14. Senats vom 30.8.2017 - B 14 AS 30/16 R -, Urteil des 4. Senats vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R -, Urteil des 14. Senats vom 20.1.2016 - B 14 AS 35/15 R -, Urteil des 14. Senats vom 30.8.2017 - B 14 AS 31/16 R -, Urteil des 14. Senats vom 16.12.2015 - B 14 AS 15/14 R -, Urteil des 14. Senats vom 18.9.2014 - B 14 AS 58/13 R -
Kassel, den 30. August 2017
Terminbericht Nr. 41/17
(zur Terminvorschau Nr. 41/17)
Der 14. Senat des Bundessozialgerichts berichtet über seine Sitzung vom 30. August 2017.
1) Auf die Revision des Klägers sind der
Beschluss des LSG und das Urteil des SG aufgehoben sowie der Bescheid
des beklagten Jobcenters geändert worden, weil der Kläger für die
strittige Zeit Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts als Zuschuss und nicht (nur) als Darlehen hat.
Grundsätzlich haben Personen, die ihren Lebensunterhalt aus zu
berücksichtigendem Einkommen und Vermögen sichern können, keinen
Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II (§ 9 Abs 1 SGB II). Liegt zu
berücksichtigendes Vermögen vor, das nicht sofort verwertet werden kann,
wie zB ein Haus, sind die Leistungen nur als Darlehen zu erbringen (§ 9
Abs 4, § 24 Abs 5 SGB II).
Diese Voraussetzung ist beim Kläger
in der strittigen Zeit nicht erfüllt gewesen, weil sein Haus kein zu
berücksichtigendes Vermögen nach § 12 SGB II war. Nach § 12 Abs 3 SGB II
sind als Vermögen ua nicht zu berücksichtigen ein selbst genutztes Haus
von angemessener Größe oder eine entsprechende Eigentumswohnung sowie
Sachen und Rechte, deren Verwertung für den Betroffenen eine besondere
Härte bedeuten würde.
Das Haus des Klägers liegt mit 110 qm
Wohnfläche oberhalb der angemessenen Größe von 90 qm für eine Person wie
den alleinlebenden Kläger (vgl nur BSG vom 18.9.2014 ‑ B 14 AS 58/13 R ‑
SozR 4-4200 § 12 Nr 24) und ist grundsätzlich zu verwerten.
Es
ist aber dennoch als Vermögen nicht zu berücksichtigen, weil seine
Verwertung eine besondere Härte darstellen würde. Die Verwertung eines
selbstbewohnten Hauses unangemessener Größe ist für sich genommen keine
besondere Härte. Notwendig sind vielmehr außergewöhnliche Umstände, die
dem Betroffenen ein deutlich größeres Opfer abverlangen als die mit der
Vermögensverwertung stets verbundenen Einschnitte (BSG aaO). Die Dauer
des Leistungsbezugs kann im Rahmen der Beurteilung möglicher
außergewöhnlicher Umstände bei der Verwertung eines Hauses in Betracht
zu ziehen sein.
Eine besondere Härte folgt vorliegend aus dem
Umstand, dass bei Erlass des angefochtenen Bescheids vom 12.8.2013 die
ernste Möglichkeit bestand, der Kläger werde zeitnah wieder in das
Berufsleben eingegliedert und würde nur für eine vorübergehende Zeit
Leistungen nach dem SGB II benötigen. Denn sein Arbeitsverhältnis war
nach wie vor nicht gekündigt worden, und eine differenzierte Ermittlung
seines Leistungsvermögens mittels einer sog ERGOS-Untersuchung war
erfolgt. Die Forderung nach einer mit ganz überwiegender
Wahrscheinlichkeit bestehenden begründeten Aussicht auf
Wiedereingliederung in das Erwerbsleben überspannt die Voraussetzungen
für eine besondere Härte, zumal die Eingliederung in Arbeit und die
Vermeidung einer zukünftigen Hilfebedürftigkeit zentrale Ziele des
SGB II sind (§ 1 Abs 2, § 3 SGB II). Trotz des in dieser Weise nur
absehbar kurzzeitigen Leistungsbezugs sein Haus als Lebensmittelpunkt
verwerten zu müssen, wäre für den Kläger eine besondere Härte gewesen.
SG Detmold
- S 28 AS 1785/14 -
LSG Nordrhein-Westfalen
- L 12 AS 1794/15 -
Bundessozialgericht
- B 14 AS 30/16 R -
2) Auf die
zulässige Sprungrevision der Klägerin ist das Urteil des SG geändert
worden.
Hinsichtlich des Hauptantrags ‑ Aufhebung des Bescheids
und des Widerspruchsbescheids des beklagten Jobcenters sowie dessen
Verurteilung zur Gewährung von Leistungen nach dem SGB II ‑ ist die
Revision zurückgewiesen worden. Nach nochmaliger Prüfung hält der Senat
an der übereinstimmenden Rechtsprechung der für das SGB II zuständigen
Senate des BSG (vgl Urteile vom 3.12.2015 ‑ B 4 AS 44/15 R ‑ BSGE 120,
149 = SozR 4-4200 § 7 Nr 43, vom 16.12.2015 ‑ B 14 AS 15/14 R ‑ SozR
4-4200 § 7 Nr 48 und vom 20.1.2016 ‑ B 14 AS 35/15 R ‑ SozR 4-4200 § 7
Nr 47) in Bezug auf den Leistungsausschluss von EU-Ausländern nach § 7
Abs 1 Satz 2 SGB II aF fest. Insofern haben die Urteile nur wenig Kritik
erfahren und sind vom Gesetzgeber im Gesetz zur Regelung von Ansprüchen
ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem
Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften
Buch Sozialgesetzbuch vom 22.12.2016 (BGBl I 3155) bestätigt worden.
Demgemäß hat die Klägerin keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II
in der strittigen Zeit.
Auf den Hilfsantrag der Klägerin ist
jedoch der beigeladende Sozialhilfeträger zu verurteilen gewesen, ihr
für die strittige Zeit vom 1.1. bis 30.6.2015 Leistungen nach dem
SGB XII aF zu gewähren. Der Entscheidung zugrunde zu legen ist das
damals geltende Recht und nicht die Neuregelung im genannten Gesetz vom
22.12.2016, schon weil diese sich keine Rückwirkung beimisst.
Auch hinsichtlich des SGB XII aF hält der Senat nach nochmaliger Prüfung
an der schon angeführten, übereinstimmenden Rechtsprechung fest.
Erwerbsfähige Personen sind nicht grundsätzlich von Leistungen nach dem
SGB XII ausgeschlossen, wie in den genannten Urteilen ausführlich
dargelegt wird (vgl BSG vom 3.12.2015 ‑ B 4 AS 44/15 R ‑ RdNr 40 ff),
worauf weder vom SG noch von anderen kritischen Stimmen differenziert
eingegangen, sondern nur eine gegenteilige Überzeugung geäußert wird.
Der Gesetzgeber hingegen hat die Systemabgrenzung des BSG in dem schon
genannten Gesetz vom 22.12.2016 bestätigt.
Festgehalten wird
auch an dem grundsätzlichen Leistungsausschluss von EU-Ausländern nach
§ 23 Abs 3 SGB XII aF und dessen Anwendung auf Anspruchsleistungen nach
§ 23 Abs 1 Satz 1 SGB XII, nicht aber auf Ermessensleistungen nach § 23
Abs 1 Satz 3 SGB XII. Soweit das SG Letzterem unter Bezugnahme auf
Entscheidungen einzelner SG und LSG entgegengetreten ist, mangelt es
schon an einer Auseinandersetzung mit der Begründung des erkennenden
Senats (vgl BSG vom 20.1.2016 ‑ B 14 AS 35/15 R ‑ RdNr 40 ff), die sich
auf Verfassungsrecht stützt und aufzeigt, wieso es auf eine
Heimkehrmöglichkeit nicht ankommt. Diese mangelnde Auseinandersetzung zB
mit dem genannten Urteil gilt ebenso für die Kritik an der
Ermessensreduktion auf Null, die vom erkennenden Senat ebenfalls mit
verfassungsrechtlichen Erwägungen begründet wurde (vgl BSG, aaO,
RdNr 44 f).
Eine Vorlage an das BVerfG nach Art 100 Abs 1
GG, die das SG in Anlehnung an Literatur und die in ihr angeführten
Fragen für geboten erachtet hat, scheidet aus, weil eine solche Vorlage
nicht auf Fragen, sondern nur auf die Überzeugung, eine bestimmte Norm
sei verfassungswidrig und einer verfassungskonformen Auslegung nicht
zugänglich, gestützt werden darf.
SG Dortmund
- S 32 AS 190/16 WA -
Bundessozialgericht
- B 14 AS 31/16 R -
3) Auf Anregung
des Gerichts haben sich die Beteiligten in einem Vergleich hinsichtlich
des Ergebnisses dieses Verfahrens der Entscheidung des Senats im
Verfahren ‑ B 14 AS 31/16 R ‑ unterworfen.
SG Dortmund
- S 32 AS 4290/15 WA -
Bundessozialgericht
- B 14 AS 2/17 R -