| Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 SGG). Er hat keinen Anspruch auf weiteres Arbeitslosengeld II (Alg II) wegen eines höheren Mehrbedarfs. |
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| 1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die beiden vorinstanzlichen Urteile sowie der Bescheid des Beklagten vom 15.9.2011, mit dem der Bescheid vom 29.11.2010 und der Änderungsbescheid vom 26.3.2011, der auf die Erhöhung der Regelbedarfe zu Beginn des Jahres 2011 reagierte, sowie der Widerspruchsbescheid vom 28.6.2011 ersetzt und das höchste Alg II für die hier allein streitgegenständliche Zeit vom 1.1.2011 bis zum 30.6.2011 bewilligt wurde (§ 39 Abs 2 SGB X, §§ 86, 96 SGG). In der Sache begehrt der Kläger höheres Alg II unter Berücksichtigung eines über den vom SG ausgeurteilten Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von 42,82 Euro hinausgehenden Betrag von insgesamt 180 Euro, also von 137,18 Euro monatlich. |
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| 2. Verfahrensrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen, von Amts wegen zu beachtende Verfahrensmängel sind nicht zu erkennen. Der Kläger hat seine zunächst statthaft erhobene Untätigkeitsklage (§ 88 Abs 2 SGG) nach Erteilung des Widerspruchsbescheids vom 28.6.2011 in zulässiger Weise in eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG) umgestellt. Soweit der Kläger sinngemäß einen Verfahrensfehler in Form eines Verstoßes gegen Denkgesetze rügt, ist insoweit ein Verfahrensmangel zu verneinen, denn es fehlt an Tatsachen, aus denen nur eine Folgerung gezogen werden kann, die das LSG als allein denkbare Folgerung nicht gezogen hat (siehe ausführlich Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, IX. Kap, RdNr 334; vgl auch BSG SozR Nr 47 zu § 164 SGG; BSG SozR 1500 § 164 Nr 31). |
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| 3. Rechtsgrundlagen für das vom Kläger begehrte höhere Alg II sind §§ 7 und 19 ff SGB II (in der durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 <BGBl I 453> idF der Neubekanntmachung vom 13.5.2011 <BGBl I 850> rückwirkend zum 1.1.2011 erfolgten Anpassung). Ob der Kläger die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II für den Bezug von Alg II alle erfüllt - das LSG hat Zweifel daran geäußert, ob er nach Maßgabe des § 8 Abs 1 SGB II als erwerbsfähig angesehen werden könne -, kann dahingestellt bleiben, weil er zumindest keinen Anspruch auf höhere Leistungen hat. |
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| Denn sein Regelbedarf (§ 20 Abs 4 SGB II) wurde zutreffend ermittelt und die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung wurde kopfteilig in voller Höhe übernommen (§ 22 SGB II). Die Voraussetzungen für weitere Ansprüche, insbesondere einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung nach § 21 Abs 5 SGB II (dazu 4.) oder einen Härtefallmehrbedarf nach § 21 Abs 6 SGB II (dazu 5.) sind nicht zu erkennen, zumal das SG ihm einen weiteren Betrag von 42,82 Euro wegen eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung monatlich zugesprochen hat, gegen den der Beklagte keine Berufung eingelegt hat. |
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| 4. Dem Kläger steht kein höheres Alg II unter Berücksichtigung eines höheren Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung gemäß § 21 Abs 5 SGB II zu. Nach dieser Vorschrift wird bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt. |
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| Ausgehend von der Konkretisierung des Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung in Relation zum Regelbedarf ist kostenaufwändiger iS des § 21 Abs 5 SGB II eine Ernährung, die von dem im Regelbedarf umfassten typisierten Bedarf abweicht und von diesem nicht gedeckt wird (BSG Urteil vom 20.2.2014 - B 14 AS 65/12 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 17 RdNr 19 mwN). Voraussetzung für diesen Mehrbedarf ist ein medizinisch begründetes besonderes Ernährungsbedürfnis (BSG Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 48/12 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 15 RdNr 12). Ein solches liegt vor, wenn mit der Regelernährung bestimmte Inhaltsstoffe nicht vermieden werden können, sodass aus physiologischen Gründen ein objektiver Bedarf an einer besonderen Ernährung bedingt ist, die auf einer spezifischen Ernährungsempfehlung beruht (BSG Urteil vom 14.2.2013, aaO, RdNr 15; BSG Urteil vom 20.2.2014, aaO, RdNr 19, 29). Das objektive Erfordernis einer besonderen Kostform aus physiologischen Gründen ist zu unterscheiden von einem bestimmten Ernährungsverhalten oder einem Umgang mit Lebensmitteln, dem keine spezifische, physiologisch bestimmte Kostform zugrunde liegt. |
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| Ausgehend von den genannten Grundsätzen besteht vorliegend kein objektiver Bedarf an einer bestimmten Ernährung. Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen, für den Senat bindenden Feststellungen des LSG, lassen sich bei dem Kläger Nahrungsmittelunverträglichkeiten, die dazu führen, dass es bei dem Konsum bestimmter Lebensmittel zu negativen organischen Folgewirkungen kommt, nicht feststellen. Das LSG hat vielmehr ein besonderes Ernährungsverhalten des Klägers festgestellt, bei dem er zum Teil hochpreisige Nahrungsmittel kauft, diese nach einem bestimmten Vorkostsystem aussortiert, um sie sodann in größerem Umfang ungenutzt wegzuwerfen. Die Mehrausgaben des Klägers für Lebensmittel ergeben sich somit nicht aus einem objektiven Erfordernis an einer bestimmten Ernährung, sondern aus seinem Kaufverhalten und seinem Umgang mit Lebensmitteln. |
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| Mit dem vom LSG teilweise wiedergegebenen und in Bezug genommenen Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Dr. M.-L. wird die dargelegte Beurteilung bestätigt, weil der Sachverständige einerseits ein genau definiertes organisches Krankheitsbild, das eine konkrete Kostform zwingend nach sich zieht, verneint hat, während er andererseits aufgrund der Angst- und Zwangssymptomatik beim Kläger eine von der Vollkost abweichende Ernährungsform empfohlen hat. Dies spricht gegen einen objektiv notwendigen, physischen Bedarf an einer besonderen Ernährung seitens des Klägers und für ein spezifisches Verhalten im Umgang mit Lebensmitteln. Aus dem vom LSG ebenfalls in Bezug genommenen Befundbericht des Psychiaters Dr. M. folgt nichts anderes, weil dieser schon keine Fachkompetenz in Fragen von Nahrungsmittelunverträglichkeiten hat und solche auch nicht mit entsprechenden eigenen Befunderhebungen begründet. |
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| Nach den vorstehenden Ausführungen kommt es auf die vom LSG erörterten Fragen des Ursachenzusammenhangs zwischen medizinischen Gründen und besonderem Ernährungsbedarf nicht an, weil letzterer schon nicht gegeben ist. |
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| 5. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf höheres Alg II aufgrund eines Härtefallmehrbedarfs nach § 21 Abs 6 SGB II. Nach dieser Vorschrift wird bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht; der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht. |
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| Wie der Senat zuletzt zusammenfassend aufgeführt hat (BSG Urteil vom 29.4.2015 - B 14 AS 8/14 R - vorgesehen für BSGE und SozR 4-4200 § 21 Nr 22, RdNr 22), ist mit der Einführung des Härtefallmehrbedarfs der Gesetzgeber nach Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der im Urteil des BVerfG vom 9.2.2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12) getroffenen Vorgabe nachgekommen, im SGB II selbst sicherzustellen, dass auch in atypischen Bedarfslagen Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende erbracht werden (vgl BT-Drucks 17/1465 S 8). Damit soll gewährleistet werden, dass über die typisierten Mehrbedarfe nach § 21 Abs 2 bis 5 SGB II hinaus und jenseits der Möglichkeit, vorübergehende Spitzen besonderen Bedarfs durch ein Darlehen aufzufangen, solche Bedarfe im System des SGB II gedeckt werden, die entweder der Art oder der Höhe nach bei der Bemessung des Regelbedarfs nicht berücksichtigt sind (BVerfG, aaO, SozR RdNr 207 f). |
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| Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 21 Abs 6 SGB II sind nicht erfüllt. Es fehlt jedenfalls an dem Merkmal der Unabweisbarkeit. Unabweisbar im Sinne des Grundsicherungsrechts kann wegen der Subsidiarität dieses Leistungssystems ein medizinischer Bedarf grundsätzlich nur dann sein, wenn nicht die gesetzliche Krankenversicherung oder Dritte zur Leistungserbringung, also zur Bedarfsdeckung, verpflichtet sind (BSG Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 6/13 R - BSGE 115, 77 = SozR 4-4200 § 21 Nr 16, RdNr 22). Angesichts der psychischen Erkrankung des Klägers ist eine Krankenbehandlung nach § 11 Abs 1 Nr 4, § 27 Abs 1 Nr 1 SGB V eine vorrangige und zumutbare Alternative, sodass es an der Unabweisbarkeit fehlt. Das gilt selbst dann, falls für die Erkrankung des Klägers organische Ursachen vorliegen sollten, denn solange er sich nicht untersuchen oder behandeln lässt, unterbindet er eine mögliche Hilfe durch Dritte. |
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| Selbst wenn von der vor dem psychiatrischen Sachverständigen Dr. M.-L. bejahten Angst- und Zwangssymptomatik des Klägers und von einer Übergangszeit während einer Behandlung ausgegangen wird (vgl zu Beratungspflichten des Beklagten nur BSG Urteil vom 29.4.2015 - B 14 AS 8/14 R - vorgesehen für BSGE, SozR 4-4200 § 21 Nr 22, RdNr 27), scheidet ein feststellbarer, unabweisbarer Bedarf des Klägers hinsichtlich der geltend gemachten Aufwendungen für seine Lebensmitteleinkäufe in der strittigen Zeit aus. Denn der Bedarf des Klägers müsste nämlich nicht nur hinsichtlich seines Grundes, sondern auch seiner Höhe nach objektiviert werden, was entsprechende wissenschaftliche Erkenntnisse über die Erkrankung des Klägers und deren Auswirkungen voraussetzt. Zudem müssten Erkenntnisse über mögliche Behandlungen solcher Erkrankungen in die Beurteilung einfließen, ehe eine Unabweisbarkeit der entstehenden Kosten zu bejahen ist. |
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| Gegen die Unabweisbarkeit des geltend gemachten Betrags im vorliegenden Einzelfall spricht im Übrigen der Umstand, dass der Kläger von 2005 bis 2010 einen monatlichen Mehrbedarf für Ernährung in Höhe von 25,56 Euro erhielt, der anscheinend jahrelang ausreichte, sodass es nicht nachvollziehbar ist, warum der vom SG zugesprochene höhere Betrag von 42,82 Euro nun nicht genügen und ein Betrag von insgesamt 180 Euro benötigt werden soll. Mangels entsprechender Rügen und Substantiierungen im Revisionsverfahren scheidet eine Zurückverweisung zur Aufklärung dieser Frage aus, da dem LSG nur eine Ermittlung "ins Blaue hinein" angesonnen würde (vgl nur BSG Urteil vom 19.10.2011 - B 13 R 33/11 R - RdNr 26; BSG Urteil vom 18.11.2014 - B 1 KR 8/13 R - SozR 4-2500 § 60 Nr 7 RdNr 23). |
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| Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
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