Siehe auch: Urteil des 14. Senats vom 20.1.2016 - B 14 AS 35/15 R -, Urteil des 4. Senats vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R -, Urteil des 14. Senats vom 20.2.2014 - B 14 AS 65/12 R -, Urteil des 14. Senats vom 20.1.2016 - B 14 AS 8/15 R -, Urteil des 4. Senats vom 30.1.2013 - B 4 AS 54/12 R -, Urteil des 14. Senats vom 20.1.2016 - B 14 AS 15/15 R -
Kassel, den 20. Januar 2016
Terminbericht Nr. 1/16
(zur Terminvorschau Nr. 1/16)
Der 14. Senat des Bundessozialgerichts berichtet über seine Sitzung vom 20. Januar 2016.
1) Auf die Revision des Klägers ist das
Urteil des LSG aufgehoben und der Rechtsstreit gemäß der Rechtsprechung
beider für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des
BSG zurückverwiesen worden (vgl Urteile des 4. Senats des BSG vom
3.12.2015 nach Terminbericht Nr 54/15 Nr 2 - 4 und des erkennenden 14.
Senats des BSG vom 16.12.2015 nach Terminbericht Nr 61/15 Nr 1 - 3).
Das LSG hat zu Recht
einen Anspruch des Klägers auf Leistungen nach dem SGB II verneint,
obwohl dieser die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II
erfüllt. Denn der Kläger kann sich weder auf eine
Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU, die nicht von dem
Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II umfasst ist,
insbesondere als Arbeitnehmer, Selbstständiger oder Familienangehöriger,
noch auf ein Aufenthaltsrecht nach dem AufenthG berufen.
Die Klage ist jedoch nicht abzuweisen, weil als anderer
leistungspflichtiger Träger nach § 75 Abs 2 Alt 2 SGG der zuständige
Sozialhilfeträger in Betracht kommt, dessen Beiladung das LSG nach der
hilfsweise erfolgten Rüge des Klägers im wiedereröffneten
Berufungsverfahren nachzuholen hat. Ein Anspruch gegen diesen kann sich
vorbehaltlich der vom LSG noch zu prüfenden Voraussetzungen des
Einzelfalls aus dem SGB XII und dem EFA ergeben.
SG Berlin - S 190 AS 29699/13 -
LSG
Berlin-Brandenburg - L 31 AS 1258/14 -
Bundessozialgericht - B 14 AS 15/15 R -
2) Auf die
Revision des beklagten Jobcenters sind die Urteile des LSG und des SG
aufgehoben und die Klagen gegen den Beklagten abgewiesen worden; jedoch
ist die beigeladene Stadt als Sozialhilfeträger verurteilt worden, den
Klägern in der strittigen Zeit Leistungen nach dem SGB XII zu erbringen
(vgl Urteile des 4. Senats des BSG vom 3.12.2015 nach Terminbericht
Nr 54/15 Nr 2 - 4 und des erkennenden 14. Senats des BSG vom 16.12.2015
nach Terminbericht Nr 61/15 Nr 1 - 3).
Entgegen der Auffassung des LSG haben die Kläger keinen Anspruch auf
Leistungen nach dem SGB II, obwohl die Klägerin zu 1 die
Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II erfüllt und die
Kläger zu 2 und 3 mit ihr eine Bedarfsgemeinschaft bilden. Denn die
Klägerin zu 1 wird vom Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II
erfasst. Dieser gilt allgemein auch für EU-Ausländer, die weder über
eine Freizügigkeitsberechtigung insbesondere als Arbeitnehmer,
Selbstständiger oder Familienangehöriger nach dem FreizügG/EU noch über
ein Aufenthaltsrecht nach dem AufenthG verfügen. Die Klägerin zu 1 kann
sich weder auf eine Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU, die
nicht von dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II umfasst
ist, insbesondere als Arbeitnehmer, Selbstständiger oder
Familienangehöriger, noch auf ein Aufenthaltsrecht nach dem AufenthG
berufen, das eine Ausnahme von dem Leistungsausschluss zu rechtfertigen
vermag.
Denn
vorliegend kommt allenfalls ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht aus
humanitären Gründen nach § 25 Abs 4 AufenthG wegen der
Risikoschwangerschaft und der Geburt in Frage, nicht aber ein
Aufenthaltsrecht mit längerfristiger Bleibeperspektive, wie es sich zB
aus den Vorwirkungen einer Familiengründung (BSG vom 30.1.2013 - B 4 AS
54/12 R - BSGE 113, 160 = SozR 4-4200 § 7 Nr 34) ergeben kann.
Die Klage ist jedoch nicht insgesamt abzuweisen, weil als anderer
leistungspflichtiger Träger nach § 75 Abs 2 Alt 2, Abs 5 SGG der
beigeladene Sozialhilfeträger zu verurteilen gewesen ist, den Klägern
Leistungen nach dem SGB XII zu erbringen. Zwar sind die Kläger wegen der
fehlenden Freizügigkeitsberechtigung nach § 23 Abs 3 Satz 1 SGB XII von
einem Rechtsanspruch auf Sozialhilfe ausgeschlossen, nicht aber von
Ermessensleistungen nach § 23 Abs 1 Satz 3 SGB XII. Dieser Anspruch auf
Ermessensleistungen folgt aus dem Grundrecht auf Gewährleistung eines
menschenwürdigen Existenzminimums aus Art 1 Abs 1 GG iV mit dem
Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG (vgl BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL
1/09 ua - BVerfGE 125, 175-260) und dem tatsächlichen Aufenthalt der
Kläger in Deutschland, der von der Ausländerbehörde der beigeladenen
Stadt aufgrund des Schicksals der Klägerin zu 1 faktisch geduldet wurde.
Mit der Verfestigung dieses Aufenthalts einher geht eine
Ermessensreduzierung der Beigeladenen auf Null, so dass den Klägern nach
Ablauf von sechs Monaten nach der Einreise der Klägerin zu 1 Leistungen
nach dem SGB XII in gesetzlicher Höhe zu erbringen sind (BSG vom
3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - Terminbericht Nr 54/15) .
SG Köln - S 24 AS 1392/13 -
LSG
Nordrhein-Westfalen - L 19 AS 1923/14 -
Bundessozialgericht - B 14 AS 35/15 R -
3) Die Revision des
Klägers ist zurückgewiesen worden, weil er keinen Anspruch auf weiteres
Alg II wegen eines höheren Mehrbedarfs hat.
Die Voraussetzungen des von ihm geltend gemachten Mehrbedarfs für
Ernährung nach § 21 Abs 5 SGB II sind nicht erfüllt, weil sie ua einen
aus physiologischen Gründen objektiven Bedarf an einer besonderen
Ernährung bedingen (vgl zuletzt BSG vom 20.2.2014 - B 14 AS 65/12 R -
SozR 4-4200 § 21 Nr 17). Schon diese Voraussetzung ist bei dem Kläger
nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen des LSG
nicht gegeben, weil sich bei diesem eine Nahrungsmittelunverträglichkeit
nicht hat feststellen lassen und nur ein bestimmtes Ernährungsverhalten
besteht, in dem der Kläger teilweise hochpreisige Nahrungsmittel kauft
und zum Teil ungenutzt wegwirft.
Auch die Voraussetzungen eines Härtefall-Mehrbedarfs nach § 21 Abs 6
SGB II liegen nicht vor. Denn dieser setzt hinsichtlich Grund und Höhe
einen unabweisbaren, laufenden nicht nur einmaligen Bedarf voraus.
Jedenfalls hinsichtlich der Höhe der Leistung ist nicht zu erkennen,
wieso der dem Kläger vom SG zuerkannte Betrag von 42,82 Euro gegenüber
dem zuvor gewährten Betrag von 25,56 Euro unabweisbar zu niedrig sein
könnte.
SG Kiel - S 30 AS 811/11 -
Schleswig-Holsteinisches LSG - L 6 AS 115/12 -
Bundessozialgericht - B 14 AS 8/15 R -