Verknüpftes Dokument, siehe auch: Urteil des 12. Senats vom 3.7.2013 - B 12 KR 27/12 R -, Urteil des 12. Senats vom 18.12.2013 - B 12 KR 3/12 R -, Urteil des 12. Senats vom 18.12.2013 - B 12 KR 24/12 R -, Urteil des 12. Senats vom 18.12.2013 - B 12 KR 15/11 R -, Urteil des 12. Senats vom 30.10.2013 - B 12 AL 2/11 R -, Urteil des 12. Senats vom 18.12.2013 - B 12 KR 8/12 R -, Urteil des 12. Senats vom 18.12.2013 - B 12 R 2/11 R -
Kassel, den 19. Dezember 2013
Terminbericht Nr. 62/13
(zur Terminvorschau Nr. 62/13)
Der 12. Senat des Bundessozialgerichts berichtet über seine Sitzung vom 18. Dezember 2013.
1) Die Revision der Klägerin war unbegründet.
Da nur sie eine zulässige Revision eingelegt hat, steht nach dem Urteil
des LSG zwischen den Beteiligten fest, dass die Beklagten Beiträge
aufgrund der 100 Euro Forschungskostenpauschale monatlich nicht erheben
durften. Hierüber hatte der Senat nicht mehr zu befinden, obwohl an der
Richtigkeit dieser Einschätzung Zweifel bestehen könnten. Hinsichtlich
der Berücksichtigung der 1050 Euro Grundstipendium monatlich bei der
Bemessung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge ab 1.7.2009 hat
das Rechtsschutzbegehren der Klägerin keinen Erfolg, weil der
vorangegangene, bindend gewordene Beitragsbescheid nicht iS von § 44
Abs 1 S 1 SGB X auf einer fehlerhaften Rechtsanwendung beruht. Das LSG
hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass die Beklagten das
Grundstipendium der Beitragsbemessung zugrunde legen durften. Hierfür
bildet die in § 3 Abs 1 BeitrVerfGrsSz enthaltene Generalklausel eine
hinreichende Rechtsgrundlage. Der Senat hat bereits am 19.12.2012
entschieden, dass die am 1.1.2009 in Kraft getretenen BeitrVerfGrsSz als
solche in Einklang mit höherrangigem Recht stehen (SozR 4-2500 § 240
Nr 17, auch für BSGE vorgesehen). Daran hält er fest. Das von der
Klägerin hervorgehobene Argument, die Generalklausel sei zu unbestimmt,
um Promotionsstipendien beitragsrechtlich erfassen zu können, greift
nicht durch. Schon nach § 240 Abs 1 S 2 SGB V ist für die
Beitragsbemessung die "gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit" zu
berücksichtigen. Auf dieser Grundlage sind alle Einnahmen und Geldmittel
beitragspflichtig, die das Mitglied zum Lebensunterhalt verbraucht oder
verbrauchen könnte, unabhängig davon, ob die Einnahmen dem
Arbeitsentgelt vergleichbar sind ‑ was noch ein Kriterium unter Geltung
der RVO war ‑ und grundsätzlich auch unabhängig davon, ob mit einer
Zuwendung ein bestimmter Zweck verfolgt wird. Zu dieser Regelung
existiert umfangreiche Rechtsprechung des Senats. Danach erfordert die
Grenzziehung zwischen beitragspflichtigen und ausnahmsweise nicht
beitragspflichtigen Leistungen eine wertende Betrachtung. Der Senat hat
jedoch nur zwei Einnahmegruppen von der Beitragspflicht ausgenommen,
nämlich Leistungen, die gerade der Kompensation eines bestehenden
besonderen persönlichen Bedarfs dienen (vgl zB Urteil vom 19.12.2012
‑ B 12 R 20/11 R, auch für BSGE vorgesehen ‑ spezieller Pflegebedarf in
Bezug auf den Aufenthalt in einer stationären Einrichtung), sowie in
Ansehung eines erlittenen Sonderopfers gewährte, in nahezu allen
Rechtsbereichen in Bezug auf eine Einkommensanrechnung privilegierte
Sozialleistungen (vgl zB zuletzt Urteil vom 3.7.2013 ‑ B 12 KR
27/12 R ‑ SED-Opferpension, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).
Vor diesem Hintergrund ist das der Klägerin gewährte Stipendium
beitragspflichtig. Es diente gerade dazu, ihren allgemeinen
Lebensunterhalt während einer Promotion sicherzustellen. Eine
konkretisierende untergesetzliche Regelung in den BeitrVerfGrsSz war
dafür nicht erforderlich. Eine solche Regelung hat der Senat schon zum
Satzungsrecht der Krankenkassen nur dann gefordert, wenn die
Feststellung von beitragspflichtigen Einnahmen auf erhebliche
Schwierigkeiten stößt oder verschiedene Berechnungsweisen zur Verfügung
stehen und sich dem Gesetz keine eindeutigen Bewertungsmaßstäbe
entnehmen lassen (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 240 Nr 6 mwN). Ein derartiger
Fall liegt hier nicht vor.
SG Stuttgart - S 12 KR 2851/10 -
LSG
Baden-Württemberg - L 11 KR 5896/10 -
Bundessozialgericht - B 12 KR 3/12 R -
2) Die
Revisionen der Beklagten blieben im Kern ohne Erfolg. Vom Kläger können
keine Beitragszahlungen verlangt werden, die nach Einnahmen bemessen
werden, welche über eine Beitragsfestsetzung nach dem 90. Teil der
monatlichen Bezugsgröße hinausgehen
(= Mindest-Beitragsbemessungsgrundlage nach § 240 Abs 4 S 1 iVm § 227
SGB V und § 57 Abs 1 S 1 SGB XI). Eine höhere Beitragsfestsetzung lässt
sich nicht auf § 6 Abs 5 BeitrVerfGrsSz stützen, der vorsieht, dass die
beitragspflichtigen Einnahmen für den Kalendertag in Höhe von 1/30 der
monatlichen Beitragsbemessungsgrenze festgesetzt werden, "sofern und
solange (für die Beitragsbemessung erforderliche) Nachweise auf
Verlangen der Krankenkasse nicht vorgelegt werden". Zwar gelten die
unmittelbar für freiwillig Versicherte vorgesehene Regelung des § 240
SGB V und die am 1.1.2009 in Kraft getretenen, als solche in Einklang
mit höherrangigem Recht stehenden BeitrVerfGrsSz auch für
Auffangversicherungspflichtige nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V (wie den
Kläger). Das Gesetz bietet jedoch keine Handhabe dafür, dass der SpVBdKK
in den BeitrVerfGrsSz allgemein fiktive Einnahmen des Mitglieds bei der
Beitragsbemessung vorsieht. Schon in seiner bisherigen stRspr zu den
auch auf § 240 SGB V beruhenden früheren Satzungsregelungen hat der
Senat angenommen, dass eine Fiktion tatsächlich nicht erzielter
Einnahmen unzulässig ist (zB BSGE 71, 137, 140, 142 = SozR 3-2500 § 240
Nr 9; BSGE 71, 237, 243 = SozR 3-2500 § 240 Nr 12; BSG SozR 3-2500 § 240
Nr 35 S 170 f). Allein der Übergang der Regelungsbefugnis von den
Krankenkassen auf den SpVBdKK kann nicht zur Abkehr von diesen
Grundsätzen führen. Auch besteht im Rahmen des § 240 SGB V keine
allgemeine Schätzungsbefugnis (anders zB als nach § 28f Abs 2 SGB IV).
SG Karlsruhe- S 7 KR 3347/09 -
LSG
Baden-Württemberg - L 11 KR 3165/10 -
Bundessozialgericht - B 12 KR 15/11 R -
3) In dieser
Sache wurde der Termin kurzfristig aufgehoben, nachdem sich beide
Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung
einverstanden erklärt hatten. Der Senat hat ohne mündliche Verhandlung
entschieden und wird nach Zustellung der Entscheidung gesondert
berichten.
SG Speyer - S 7 KR 21/10 -
LSG
Rheinland-Pfalz - L 5 KR 56/12 -
Bundessozialgericht - B 12 KR 24/12 R -
4) Die Revision
der Klägerin blieb erfolglos. Die noch streitigen Beitragsforderungen
der Beklagten für die im Jahr 2001 gewährten Fahrvergünstigungen sind
revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Ob die Vergünstigungen als
Arbeitsentgelt der Beitragspflicht unterliegen, richtet sich in erster
Linie nach § 2 Abs 1 S 1 Nr 1 ArEV in der im Jahr 2001 geltenden
Fassung. Danach waren dem Arbeitsentgelt "sonstige Bezüge nach § 40
Abs 1 S 1 Nr 1 EStG" nicht zuzurechnen, die
nicht einmalig gezahltes
Arbeitsentgelt nach § 23a SGB IV sind (soweit weitere Voraussetzungen
erfüllt waren). Ausgehend von der Rechtsprechung des Senats waren die
Vergünstigungen jedenfalls "einmalig gezahltes Arbeitsentgelt" (Urteile
vom 7.2.2002 - BSGE 89, 158 = SozR 3‑2400 § 28f Nr 3 - kostenfreie
Kontoführung für Sparkassenmitarbeiter; BSG SozR 3‑2400 § 14 Nr 23 -
Flugpreisvergünstigungen). Damit war hier die zweite (negative)
Voraussetzung des § 2 Abs 1 S 1 Nr 1 ArEV für eine Ausnahme von der
Beitragspflicht nicht erfüllt. Wegen des Zeitraums ihrer Gewährung
(= 2001) waren die Vergünstigungen auch nicht in Anwendung des § 23a
Abs 1 S 2 SGB IV in seiner erst ab 1.1.2003 geltenden Fassung (durch das
Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom
23.12.2002, BGBl I 4621) vom Begriff des einmalig gezahlten
Arbeitsentgelts ausgenommen ‑ und damit auch nicht von der
Beitragspflicht. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch darauf, dass die
im Jahr 2001 gewährten Vergünstigungen ausnahmsweise (doch) als "nicht
einmalig gezahltes Arbeitsentgelt" behandelt werden. Sie kann sich
hierfür weder auf den verfassungsrechtlichen Grundsatz des
Vertrauensschutzes oder den Grundsatz von Treu und Glauben noch auf eine
"Bindungswirkung" berufen, die auf gemeinsamen Verlautbarungen der
Spitzenverbände beruht. Es fehlte im Zeitraum ihrer Dispositionen (dem
Jahr 2001) bereits an einem schützenswerten Vertrauen. So ist schon
zweifelhaft, ob in dieser Zeit eine von ihr behauptete einheitliche
Verwaltungspraxis überhaupt bestand. Jedenfalls existierte schon zuvor
Rechtsprechung des Senats zur Abgrenzungsproblematik, die nicht im Sinne
der Klägerin eindeutig war. Vertrauensschutz in eine unangefochtene und
rechtlich abgesicherte Verwaltungspraxis konnte sich damit nicht bilden.
Weder kann die Klägerin aus beanstandungsfrei gebliebenen
Betriebsprüfungen etwas zu ihren Gunsten herleiten noch kann sie unter
Rückgriff auf den Grundsatz von Treu und Glauben beanspruchen, dass die
Vergünstigungen wie "nicht einmalig gezahltes Arbeitsentgelt" behandelt
werden. Wenn die Beurteilung der Beitragspflicht von Arbeitsentgelt
zweifelhaft ist, muss ein Arbeitgeber ggf einen gesonderten
Verwaltungsakt der Einzugsstelle über die Beitragspflicht herbeiführen
(vgl § 28a Abs 2 S 1 SGB IV). Betriebsprüfungen bezwecken nicht, den
Schutz des Arbeitgebers vor Nachforderungen, sondern dienen der
Sicherung der Beitragsentrichtung zu den einzelnen Zweigen der
Sozialversicherung (zum Ganzen zuletzt BSG Urteil vom 30.10.2013
‑ B 12 AL 2/11 R, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Die
Klägerin kann von der Beklagten eine "Qualifikation" der im Jahr 2001
gewährten Vergünstigungen als "nicht einmalig gezahltes Arbeitsentgelt"
schließlich ebenfalls nicht im Hinblick auf eine "Bindungswirkung" der
erst nach Ergehen der Senatsurteile vom 7.2.2002 veröffentlichten
Besprechungsergebnisse der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger
verlangen. Eine tragfähige rechtliche Grundlage für ein solches Begehren
existiert nicht. Dem Gesetzgeber ist es grundsätzlich nicht verwehrt,
‑ wie hier geschehen ‑ eine Rechtslage nur mit Wirkung für die Zukunft
zu ändern. Nichts anderes ergibt sich unter dem Blickwinkel der
Rechtsanwendungsgleichheit. So ist nicht erkennbar, dass in den
Besprechungsergebnissen der Spitzenverbände der
Sozialversicherungsträger vereinbarte "Entscheidungsmaßstäbe"
Anknüpfungstatbestand für eine Selbstbindung der Beklagten mit
Außenwirkung sein könnten.
SG Mainz - S 8 KR 206/06 -
LSG
Rheinland-Pfalz - L 6 RS 11/08 -
Bundessozialgericht - B 12 R 2/11 R -
5) (= Nr. 6 der
Terminvorschau Nr. 62/13)
Der Termin in dieser Sache ist aufgehoben worden, nachdem die Beklagte
ihre Revision kurz zuvor zurückgenommen hatte.
SG Chemnitz- S 11 KR 384/10 -
Sächsisches LSG- L 1 LR 172/11 -
Bundessozialgericht - B 12 KR 2/13 R -
Die Urteile, die - wie hier in den Fällen 3) und 5) der Terminvorschau
Nr. 62/13 - ohne mündliche Verhandlung ergehen, werden nicht in der
Sitzung verkündet. Sofern die Ergebnisse von allgemeinem Interesse sind,
erscheint ein Nachtrag zum Terminbericht nach Zustellung der Urteile an
die Beteiligten.
Kassel, den 10. Juni 2014
Nachtrag
zum Terminbericht
Nr. 62/13
Der 12. Senat des Bundessozialgerichts berichtet
nach Zustellung der Urteile an die Beteiligten über die in der Sitzung
vom 18. Dezember 2013 ohne mündliche Verhandlung entschiedenen
Revisionsverfahren.
1) (= Nr.
3 der Terminvorschau Nr. 62/13)
Die Revision der Klägerin wurde zurückgewiesen. Von einer
Beitragserhebung bei freiwillig Versicherten der gesetzlichen
Krankenversicherung sind nach der Rechtsprechung des BSG nur
Sozialleistungen ausgeschlossen, die eine besonders privilegierte
Zweckrichtung aufweisen, insbesondere solche, die aufgrund eines für die
Allgemeinheit erlittenen Sonderopfers (BVG-Beschädigtengrundrente,
besondere Zuwendung für SED-Haftopfer) oder zur Befriedigung des einen
stationären Heimaufenthalt erfordernden Pflegebedarfs gewährt werden.
Mit derartigen Leistungen ist der Schadensersatz einer
Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung wegen der Folgen eines Unfalls
nicht vergleichbar. Auch eine nur teilweise beitragsrechtliche
Berücksichtigung der Leibrente beschränkt auf den Ausgleich des
Verdienstausfallschadens scheidet aus, weil nur ein pauschalierter,
nicht aber ein auf exakt bestimmbare Schäden bezogener Ersatz erfolgte.
SG Speyer - S 7 KR 21/10 -
LSG
Rheinland-Pfalz - L 5 KR 56/12 -
Bundessozialgericht - B 12 KR 24/12 R -
2) (= Nr. 5 der
Terminvorschau Nr. 62/13)
Die Revisionen der Beklagten (Krankenkasse und Pflegekasse) führten zur
Aufhebung des LSG-Urteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG zur
erneuten Verhandlung und Entscheidung. Ausgehend von den im
Terminbericht Nr. 62/13 schon zum Fall 1) dargestellten Grundsätzen war
das dem Kläger gewährte Stipendium beitragspflichtig, weil es gerade
dazu diente, seinen allgemeinen Lebensunterhalt während der Promotion
sicherzustellen. Über die in § 3 Abs 1 BeitrVerfGrsSz enthaltene
Generalklausel hinaus bedurfte es dazu keiner speziellen Regelung. Der
Senat konnte allerdings nicht abschließend selbst entscheiden, ob und
inwieweit die weiteren Voraussetzungen des § 45 SGB X für eine bereits
für die Zeit vor dem 1.12.2009 vorgenommene Änderung der
Beitragsfestsetzung vorliegen (insbesondere zur Ermessensausübung bzw zu
deren Entbehrlichkeit). Das LSG muss ‑ wozu es ausgehend von seiner
Rechtsauffassung keine Veranlassung hatte ‑ die hierfür notwendigen
Tatsachen noch feststellen.
SG Leipzig - S 27 KR 200/10 -
Sächsisches LSG - L 1 LR 145/11 -
Bundessozialgericht - B 12 KR 8/12 R -
3) (= Nr. 6 der
Terminvorschau Nr. 62/13)
Wie bereits im Nachtrag zur Terminvorschau Nr. 62/13 vom 9.1.2013 und im
Terminbericht Nr. 62/13 vom 19.12.2013 (dort unter 5) mitgeteilt, kam es
in dieser Sache zu keinem Urteil, weil das Verfahren zuvor durch
Rücknahme der von der Beklagten eingelegten Revision beendet wurde.
SG Chemnitz - S 11 KR 384/10 -
Sächsisches LSG - L 1 LR 172/11 -
Bundessozialgericht - B 12 KR 2/13 R -