Verknüpftes Dokument, siehe auch: Urteil des 7. Senats vom 20.12.2012 - B 7 AY 4/11 R -, Urteil des 7. Senats vom 26.6.2013 - B 7 AY 6/11 R -, Urteil des 7. Senats vom 26.6.2013 - B 7 AY 6/12 R -, Urteil des 7. Senats vom 26.6.2013 - B 7 AY 3/12 R -
Kassel, den 26. Juni 2013
Terminbericht Nr. 30/13
(zur Terminvorschau Nr. 30/13)
Der 7. Senat des Bundessozialgerichts berichtet über die Sitzung vom 26. Juni 2013.
1) Die Revision des Klägers hatte keinen
Erfolg, weil auf den Antrag vom November 2011 rückwirkend keine
Leistungen mehr für die Zeit vom 1.1.2007 bis 30.6.2009 unter Korrektur
bestandskräftiger Bescheide zu erbringen sind.
Die am 1.1.2011 ins SGB XII eingefügte Vorschrift des § 116a ist im
AsylbLG analog anwendbar. Nach § 116a SGB XII werden Leistungen unter
Abänderung bestandskräftiger Verwaltungsakte rückwirkend in Abweichung
von § 44 Abs 4 SGB X nur für einen Zeitraum von einem Jahr (statt von
vier Jahren) erbracht; dabei wird der Zeitraum von Beginn des Jahres
gerechnet, in dem der Antrag gestellt wird. Durch das Gesetz zur
Ermittlung der Regelbedarfe und zur Änderung des Zweiten und Zwölften
Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 wurde § 116a ins SGB XII und mit
gleichem Regelungsinhalt § 40 Abs 1 Satz 2 ins SGB II eingefügt. Dass
dieses Gesetz insoweit eine (ungewollte) Lücke enthält, als für das
AsylbLG keine zeitliche Begrenzung der rückwirkenden Leistungserbringung
vorgenommen worden ist, obwohl die Interessenlage gleich ist, ergibt
sich insbesondere aus der Begründung zum vorliegenden Referentenentwurf
eines Dritten Gesetzes zur Änderung des AsylbLG. In diesem ist nunmehr
auch im AsylbLG die Verkürzung des Zeitraums für die rückwirkende
Leistungserbringung mit derselben Begründung wie für das SGB II und
SGB XII und unter ausdrücklichem Hinweis darauf vorgesehen, dass im
Asylbewerberleistungsrecht nichts anderes gelten könne als im
Sozialhilferecht und im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende.
SG Münster
- S 12 AY 193/11 -
Bundessozialgericht
- B 7 AY 6/12 R -
2) Die Sache
wurde zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG
zurückverwiesen, weil es an für eine endgültige Entscheidung
erforderlichen tatsächlichen Feststellungen fehlt.
Dies gilt vorrangig für die Frage des Wegfalls der Bedürftigkeit nach
dem 31.5.2007, von der das LSG ausgegangen ist. Nach der Rechtsprechung
des Senats, an der festgehalten wurde, stünde ein solcher Wegfall der
rückwirkenden Leistungserbringung entgegen; hieran ändert sich auch
nichts durch das von den Klägern zur Begründung ihrer Revisionen
herangezogene Urteil des BVerfG vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL
2/11 - (siehe dazu das Senatsurteil vom 20.12.2012 - B 7 AY 4/11 R).
Anders als in dem Verfahren unter Nr 1 des Terminberichts war § 116a
SGB XII nicht entsprechend anwendbar, weil der Antrag auf Korrektur der
bestandskräftigen Bescheide (§ 44 SGB X) vor dem 1.4.2011 gestellt
worden ist und nach § 136 SGB XII idF des Gesetzes zur Ermittlung der
Regelbedarfe und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches
Sozialgesetzbuch § 116a SGB XII dann nicht gilt.
SG Freiburg
- S 9 AY 5487/10 -
LSG
Baden-Württemberg
- L 7 AY 879/11 -
Bundessozialgericht
- B 7 AY 3/12 R ‑
3) Die Sache
wurde mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen zur Höhe des
Bedarfs der Klägerin (insbesondere der Kosten der Unterkunft) an das LSG
zurückverwiesen. Zu entscheiden war nach dem sog
Meistbegünstigungsprinzip (aufgrund eines Antrags der Klägerin von
Dezember 2006) nicht nur über höhere Grundleistungen nach § 3 AsylbLG,
sondern auch über höhere Leistungen in Form von sog Analog-Leistungen
nach § 2 AsylbLG (Leistungen entsprechend dem SGB XII für Personen, die
nach der maßgeblichen Normfassung über eine Dauer von insgesamt
36 Monaten Grundleistungen nach § 3 erhalten haben) als Leistungen der
Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach §§ 41 ff SGB XII
(Grundsicherungsleistungen). Der Höhe nach sind die der Klägerin zu
zahlenden Leistungen jedoch ‑ gleichgültig ob als Grundleistungen oder
als Analog-Leistungen ‑ aufgrund des ausdrücklichen Antrags und der
Entscheidung des SG, gegen die die Klägerin keine Berufung eingelegt
hat, auf die Höhe der Grundleistung nach § 3 AsylbLG ohne
Einkommensanrechnung des Sohnes und der Schwiegertochter beschränkt.
Zwar ist die Klägerin
gemäß § 23 Abs 2 AsylbLG als Leistungsberechtigte nach § 1 Abs 1 Nr 3
AsylbLG grundsätzlich vom Leistungsbezug nach dem SGB XII, damit auch
vom Bezug von Grundsicherungsleistungen, ausgeschlossen; diese hat die
Klägerin jedoch bis 31.12.2004 nach den Vorschriften des früheren
Grundsicherungsgesetzes vor einer Änderung des § 1 AsylbLG, durch die
sie in den Anwendungsbereich des AsylbLG gefallen ist, bezogen.
Insbesondere unter Berücksichtigung dieses Vorgeschehens ist der
Leistungsantrag der Klägerin vom Dezember 2006 bei verständiger
Würdigung des von ihr Gewollten als umfassender Antrag auf Erbringung
aller denkbaren Existenzsicherungsleistungen (ohne Anrechnung des
Einkommens ihres Sohnes und ihrer Schwiegertochter) zu verstehen; jedoch
fehlen die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen des LSG für den
Leistungsvorbezug für die Zeit vor Januar 2003. Der Bezug von
Grundsicherungsleistungen nach dem Grundsicherungsgesetz jedenfalls
kommt dem Vorbezug von Grundleistungen nach dem AsylbLG nicht gleich.
Sollte die Klägerin vor
2003 mindestens 36 Monate Grundleistungen nach § 3 AsylbLG erhalten
haben, ergäbe sich bereits aus §§ 19 Abs 2, 43 Abs 1 SGB XII, auf die
§ 2 AsylbLG verweist, dass Einkommen und Vermögen des Sohnes bzw der
Schwiegertochter nicht bedarfsmindernd bei der Klägerin berücksichtigt
werden können; die Bedarfsdeckungsfiktion des § 36 aF SGB XII (Vermutung
bei Haushaltsgemeinschaften, dass die nachfragende Person von den
anderen Personen Leistungen zum Lebensunterhalt erhält, soweit dies nach
deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann) findet nach § 43
Abs 1 SGB XII bei Grundsicherungsleistungen keine Anwendung.
Entsprechendes galt bereits für die Zeit des Bezugs der Klägerin von
Grundsicherungsleistungen nach dem Grundsicherungsgesetz in der Zeit vor
dem 1.1.2005.
Nichts
anders würde gelten, wenn die Klägerin nicht berechtigt war,
Analog-Leistungen zu erhalten. Für diesen Fall ist in gleicher Weise
ohne die Bedarfsdeckungsfiktion des § 36 aF SGB XII ausschließlich auf
ihr eigenes Einkommen und Vermögen abzustellen. § 7 AsylbLG definiert
nämlich weder eigenständig die Begriffe des Einkommens und Vermögens,
noch bestimmt er, wessen Einkommen und Vermögen zu berücksichtigen ist.
Die Regelungen des AsylbLG sind vielmehr unvollständig; sie setzen nach
der historischen Entwicklung des AsylbLG, Sinn und Zweck, Wortlaut des
§ 7 AsylbLG und der gesamten Systematik des Gesetzes unausgesprochen
voraus, dass in diesen Punkten ‑ einschließlich der
Bedarfsdeckungsfiktion ‑ dieselben Kriterien gelten wie im
Sozialhilferecht allgemein. Im Sinne einer dynamischen Konzeption muss
deshalb insoweit bei Anwendung des AsylbLG auf die jeweiligen
Vorschriften des Sozialhilferechts zurückgegriffen werden. Die
Vorstellung des Gesetzgebers ist es, Personen, die dem AsylbLG
unterfallen, soweit es die Frage der Berücksichtigung von Einkommen
Dritter betrifft, weder schlechter noch besser zu behandeln als sonstige
Ausländer, die nach § 23 SGB XII Sozialhilfeleistungen beziehen.
Dies bedeutet zum einen, dass unter "Familienangehörigen" in § 7 Abs 1
Satz 1 AsylbLG wie im SGB XII nicht der volljährige Sohn der Klägerin
und die Schwiegertochter zu verstehen sind. Da die Klägerin allenfalls
wegen des fehlenden Vorbezugs von Grundleistungen nach § 3 AsylbLG die
Voraussetzungen für Grundsicherungsleistungen nach § 2 AsylbLG iVm §§ 41
ff SGB XII nicht erfüllt, ist zum anderen ausgeschlossen, zu ihren
Lasten die Bedarfsdeckungsfiktion des § 36 aF SGB XII anzuwenden. Würde
sie nicht dem AsylbLG unterfallen, wäre dies ebenso. Mit dieser
Auslegung wird der in der Entscheidung des BVerfG vom 18.7.2012
‑ 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 ‑ als bedenklich bezeichneten Einbeziehung von
Personen, bei denen sich die hinter § 1 AsylbLG stehende Vermutung des
nur kurzzeitigen Aufenthalts in Deutschland nicht rechtfertigen lasse,
hinreichend Rechnung getragen.
SG Aachen
- S 19 AY 5/08 -
LSG
Nordrhein-Westfalen
- L 20 AY 43/08 -
Bundessozialgericht
- B 7 AY 6/11 R -