| Die Revision ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>). Ob der Kläger für den streitbefangenen Zeitraum Anspruch auf höhere Leistungen in Form von Analog-Leistungen nach § 2 AsylbLG bzw von Grundleistungen nach § 3 AsylbLG besitzt, kann mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) nicht entschieden werden. |
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| Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom 26.5.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9.9.2009 (§ 95 SGG), soweit die Beklagte darin die Bewilligung höherer Leistungen unter entsprechender Änderung bestandskräftiger Bescheide abgelehnt hat. Gegen jenen Bescheid wendet sich der Kläger mit der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs 1 und 4, § 56 SGG (vgl nur BSG SozR 4-1300 § 44 Nr 22 RdNr 9), wobei auch im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X - wie vorliegend - ein Grundurteil nach § 130 SGG möglich wäre (BSGE 88, 299, 300 = SozR 3-4300 § 137 Nr 1). Ggf wird das LSG dafür jedoch die von der Beklagten abzuändernden bestandskräftigen Bewilligungsbescheide zu ermitteln haben, die den streitbefangenen Zeitraum betreffen. |
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| Es ist bereits nicht sicher nachvollziehbar, dass die Beklagte gemäß § 9 Abs 3 AsylbLG iVm § 44 Abs 3 SGB X (vgl dazu BSG SozR 4-1300 § 44 Nr 25 RdNr 13: keine Anwendung auf Verbandszuständigkeit) für die Abänderung der bestandskräftigen Bewilligungsbescheide und die daraus resultierende Leistungsgewährung zuständig ist. Sachlich zuständig für die Durchführung des AsylbLG sind nach § 10 Satz 1 AsylbLG iVm § 1 Abs 1 Satz 1 des nordrhein-westfälischen Gesetzes zur Ausführung des Asylbewerberleistungsgesetzes vom 29.11.1994 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen 1087) grundsätzlich die Gemeinden; die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich nach § 10a AsylbLG. Danach ist zuständig diejenige Gemeinde, in deren Bereich der Leistungsberechtigte aufgrund der Entscheidung der vom Bundesministerium des Innern bestimmten zentralen Verteilstelle verteilt oder von der im Land zuständigen Behörde zugewiesen worden ist; (nur) im Übrigen (bei fehlender Verteilung bzw Zuweisung) ist die Behörde zuständig, in deren Bereich sich der Leistungsberechtigte tatsächlich aufhält (§ 10a Abs 1 Satz 1 und 2 AsylbLG). Der Kläger wohnt im Zuständigkeitsbereich der Beklagten; den Feststellungen des LSG ist indes nicht zu entnehmen, ob er dorthin auch verteilt oder zugewiesen worden ist. Zwar spricht vieles für eine Zuständigkeit der Beklagten, in tatsächlicher Hinsicht nachvollziehbar ist es jedoch für den Senat nicht. |
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| Ähnlich ist die Situation, soweit es die Voraussetzungen des § 44 SGB X betrifft. Die tatsächlichen Feststellungen des LSG lassen - wenn auch hier vieles dafür spricht - jedenfalls nicht mit letzter Sicherheit beurteilen, ob die Bedürftigkeit des Klägers nach dem 29.2.2008 entfallen ist. Wäre dies der Fall, müsste die Beklagte nach der Rechtsprechung des Senats (dazu später) höhere Leistungen als die bewilligten überhaupt nicht erbringen, sodass auch keine höheren als die nachträglich bewilligten Leistungen zustehen. Entgegen der Ansicht des Klägers hat die Beklagte mit dieser Bewilligung einen Anspruch auf Analog-Leistungen nicht bereits dem Grunde nach anerkannt. Es entspricht vielmehr der ständigen Rechtsprechung des Senats und des BSG, dass bei einem Streit um die Höhe der Leistungen alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde nach zu prüfen sind; denn in Bindung erwächst lediglich der Verfügungssatz über die Leistungsbewilligung selbst, nicht die Begründung dafür bzw tragende Elemente (vgl nur im Ergebnis BSG SozR 4-1300 § 44 Nr 22; grundlegend und allgemein BSGE 75, 235 ff = SozR 3-4100 § 100 Nr 5 mwN). |
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| Nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X, der nach § 9 Abs 3 AsylbLG anwendbar ist, ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen (hier: Leistungen nach dem AsylbLG) zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, lässt sich nach den Feststellungen des LSG nicht beurteilen; dies wäre jedoch nicht erforderlich, wenn, wovon das LSG ausgegangen ist, die Bedürftigkeit des Klägers nach dem streitbefangenen Zeitraum entfallen ist. |
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| Hierzu hat der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 9.6.2011 (SozR 4-1300 § 44 Nr 22) unter Fortführung seiner Rechtsprechung für das Sozialhilferecht (BSGE 104, 213 ff = SozR 4-1300 § 44 Nr 20) ausgeführt, es genüge für einen Anspruch auf rückwirkende Erbringung von Leistungen über § 44 SGB X auch nach dem AsylbLG nicht, dass bei Erlass der bestandskräftigen Verwaltungsakte Leistungen zu Unrecht vorenthalten worden seien. Unter Berücksichtigung des § 44 Abs 4 SGB X ("nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuchs", hier das AsylbLG) müsse vielmehr den Besonderheiten des jeweiligen Leistungsrechts Rechnung getragen und berücksichtigt werden, dass die Leistungen nach dem AsylbLG ebenso wie die Sozialhilfe nur der Behebung einer gegenwärtigen Notlage dienten (BSG SozR 4-1300 § 44 Nr 22 RdNr 13) und deshalb für zurückliegende Zeiten nur dann zu erbringen seien, wenn die Leistungen ihren Zweck noch erfüllen könnten (vgl hierzu auch BSGE 101, 49 ff RdNr 49 = SozR 4-3520 § 2 Nr 2). Da dies nur der Fall ist, wenn die Bedürftigkeit fortbesteht, also nicht temporär oder auf Dauer entfallen ist, scheidet eine Nachzahlung im Verfahren nach § 44 SGB X bei Wegfall der Bedürftigkeit grundsätzlich aus (BSG SozR 4-1300 § 44 Nr 22 RdNr 20; BSGE 104, 213 ff RdNr 21 = SozR 4-1300 § 44 Nr 20). Bei zu erbringenden Monatsleistungen - wie hier entweder nach dem SGB II, SGB XII oder dem AsylbLG (dazu später) - genügt ein Entfallen für einen Monat (vgl zum Monatsprinzip: §§ 19 ff SGB II, §§ 27 ff SGB XII, § 3 AsylbLG). |
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| Soweit der Kläger der oben bezeichneten Rechtsprechung des Senats Wertungswidersprüche und einen Verstoß gegen Art 19 Abs 4 Grundgesetz (GG) vorwirft, sind diese Gesichtspunkte bereits ausführlich in den kritisierten Urteilen berücksichtigt. Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat hinsichtlich des Normverständnisses des Senats und der modifizierten Anwendung der Norm keine verfassungsrechtlichen Bedenken (BVerfG, Beschluss vom 7.2.2012 - 1 BvR 1263/11 -, juris RdNr 14 ff). |
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| Soweit sich der Kläger schließlich darauf beruft, die Rechtsprechung des Senats erfasse nur den Regelfall, ein solcher liege hier jedoch wegen der verfassungswidrig zu niedrigen Geldleistungen nach dem AsylbLG nicht vor, kann dem ebenso wenig gefolgt werden; insbesondere kann dies nicht aus dem Urteil des BVerfG vom 18.7.2012 (1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 -, Bundesgesetzblatt I 1715 ff) abgeleitet werden. In dieser Entscheidung hat das BVerfG sogar ausdrücklich eine Rückwirkung der von ihm selbst geschaffenen Übergangsregelung für höhere Geldleistungen in Form von Grundleistungen nach § 3 AsylbLG auf Leistungszeiträume ab dem 1.1.2011 begrenzt (RdNr 139); die vom Kläger begehrte Leistung betrifft jedoch ausschließlich den Zeitraum vom 1.1.2005 bis 29.2.2008. Zudem hat das BVerfG ausdrücklich klargestellt, dass eine Anwendung des § 44 SGB X in Bezug auf die Unvereinbarkeit der gesetzlichen Vorschriften über die Höhe der Grundleistungen mit dem GG bis Ende Juli 2012 ausgeschlossen sei (BVerfG aaO) und damit verfassungsrechtlich nicht geboten ist. Die vom Kläger vorrangig geltend gemachten Analog-Leistungen, die nach den Vorschriften des SGB XII erbracht werden, werden von der Entscheidung des BVerfG ohnedies nicht berührt. Sie sind in entsprechender Anwendung des SGB XII zu erbringen und damit höher als die Geldleistungen nach § 3 AsylbLG. |
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| Die Beantwortung der Frage, ob die Bedürftigkeit des Klägers im Anschluss an den streitbefangenen Zeitraum zumindest zeitweise (für einen Monat) weggefallen ist, ist abhängig vom Aufenthaltsstatus des Klägers, der die Anwendung des SGB II, SGB XII oder des AsylbLG determiniert (§ 7 Abs 1 SGB II, § 23 Abs 2 SGB XII, § 1 AsylbLG); daraus ergibt sich auch der Maßstab für die Bedürftigkeit. Mit anderen Worten: Solange der Kläger die Voraussetzungen des § 1 AsylbLG erfüllte, unterfiel er wegen der Ausschlussregelung des § 7 Abs 1 SGB II bzw des § 23 Abs 2 SGB XII weder dem System des SGB II noch dem des SGB XII; ab dem Zeitpunkt, ab dem die Voraussetzungen des § 1 AsylbLG nicht mehr vorlagen, beurteilt sich die Bedürftigkeit bei Erwerbsfähigkeit - was wohl der Fall war, aber ebenfalls in tatsächlicher Hinsicht nicht beurteilt werden kann - nach den Vorschriften des SGB II, bei fehlender Erwerbsfähigkeit denen des SGB XII. Letzteres würde auch gelten, wenn die Voraussetzungen des § 2 AsylbLG für die Gewährung von Analog-Leistungen vorlägen. Es ist auch nicht offensichtlich, dass die Bedürftigkeit des Klägers nach allen drei Regelungssystemen entfallen wäre. Selbst wenn die Entscheidung des LSG im Ergebnis richtig sein dürfte, so enthält sie doch keine eigenen Feststellungen über die Kosten der Unterkunft, zu dem für Freibeträge aus Erwerbseinkommen maßgeblichen Bruttoeinkommen, zu den berufsbedingten Aufwendungen und absetzbaren Versicherungen. Die Angabe, welche Bedarfe die Beklagte ihrem Bescheid zugrunde gelegt hat, ersetzt diese Feststellungen nicht. |
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| Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
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