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| Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne der Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) begründet. Es fehlen ausreichende tatsächliche Feststellungen des LSG, um abschließend entscheiden zu können. |
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| Gegenstand des Verfahrens sind wegen der Beschränkung des Streitgegenstandes auf die Zeit vom 2.2. bis 9.6.2007 nur die Bescheide vom 5.4., 10.5., 1.6. und 28.6.2007. Denn der Bescheid vom 8.2.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.2.2007 ist insgesamt ersetzt durch den Bescheid vom 14.3.2007 (§ 39 Abs 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz <SGB X>), der seinerseits durch den Bescheid vom 5.4.2007 unter Erhöhung des täglichen Leistungsbetrages für Februar 2007 auf 24,89 Euro ersetzt wird. Der Bescheid vom 10.5.2007 ersetzt ab März 2007 den Bescheid vom 5.4.2007 unter Erhöhung des täglichen Leistungsbetrages in diesem Monat auf 24,91 Euro. Der Bescheid vom 1.6.2007 ersetzt dann ab 1.4.2007 den Bescheid vom 10.5.2007 unter Anhebung des täglichen Leistungsbetrages für April 2007 auf 23,87 Euro. Schließlich ersetzt noch der Bescheid vom 28.6.2007 ab 1.5.2007 den Bescheid vom 1.6.2007 unter Erhöhung des täglichen Leistungsbetrages für diesen Monat auf 20,29 Euro. Diese Abänderungsbescheide betreffend die Monate Februar bis Juni 2007 sind gemäß § 96 Abs 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Den Änderungsbescheid vom 7.9.2007 betreffend den Leistungsanspruch vom 1.6. bis 9.6.2007 hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat aufgehoben. Die Bescheide aus dem Jahr 2006 über die Neuberechnung des Leistungsanspruchs unter Berücksichtigung der ab März 2006 wieder aufgenommenen Nebentätigkeit des Klägers sind bestandskräftig geworden (§ 77 SGG). |
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| Es handelt es sich um eine Teil-Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG), gerichtet auf höheres Alg unter Berücksichtigung eines um 69,30 Euro (234,30 Euro - 165 Euro) höheren Freibetrags, begrenzt in der Höhe des früher bewilligten Alg. Bei einem solchen Streit sind Grund und Höhe des Anspruchs auf Alg in vollem Umfang und unter allen denkbaren rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen (stRspr; vgl: BSGE 95, 8 ff RdNr 6 = SozR 4-4300 § 140 Nr 1; BSGE 95, 191 RdNr 13 = SozR 4-4300 § 37b Nr 2; BSG SozR 4-4300 § 130 Nr 3 RdNr 9). |
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| Ob die streitgegenständlichen Änderungsbescheide nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X iVm § 330 Abs 3 Satz 1 SGB III dann ihrerseits wegen der Einkommensanrechnung jeweils für einen Monat wieder nach §§ 44, 45 oder nach § 48 SGB X zu korrigieren waren, weil evtl die ursprüngliche Einkommensanrechnung von Anfang falsch war (vgl hierzu mit Nachweisen aus der Rspr: Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, Stand März 2007, § 329 RdNr 1 f), mag das LSG prüfen. Das LSG hat sich ausschließlich mit der Berechnung des Freibetrages nach § 141 Abs 2 SGB III (in der Fassung, die die Norm durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 - BGBl I 2848 - erhalten hat) auseinander gesetzt. Bei der Berechnung des Alg-Anspruchs ist dem Kläger allerdings kein Freibetrag nach § 141 Abs 2 SGB III zuzugestehen. |
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| Nach § 141 Abs 1 Satz 1 SGB III ist das Arbeitsentgelt aus einer weniger als 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung, die der Arbeitslose während einer Zeit ausübt, für die ihm Alg zusteht, nach Abzug der Steuern, der Sozialversicherungsbeiträge und der Werbungskosten sowie eines Freibetrages in Höhe von 165 Euro auf das Alg für den Kalendermonat, in dem die Beschäftigung ausgeübt wird, anzurechnen. Nach § 141 Abs 2 SGB III bleibt jedoch das Arbeitsentgelt aus einer geringfügigen Beschäftigung nach Abs 1 Satz 1 bis zu dem Betrag anrechnungsfrei, der in den letzten 12 Monaten vor der Entstehung des Anspruches aus einer geringfügigen Beschäftigung durchschnittlich auf den Monat entfällt, mindestens jedoch ein Betrag in Höhe des Freibetrages, der sich nach Abs 1 ergeben würde, wenn der Arbeitslose in den letzten 18 Monaten vor der Entstehung des Anspruches neben einem Versicherungspflichtverhältnis eine geringfügige Beschäftigung mindestens 12 Monate lang ausgeübt hat. |
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| Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) liegen die Voraussetzungen des § 141 Abs 2 SGB III für das vom Kläger in der Zeit ab 2.2.2007 erzielte Arbeitsentgelt aus der Beschäftigung nicht vor. Der Kläger hat nicht in den vor Entstehung des Alg-Anspruchs liegenden letzten 18 Monaten neben seiner versicherungspflichtigen Beschäftigung eine geringfügige Beschäftigung mindestens 12 Monate lang ausgeübt. Entgegen den Ausführungen des LSG im angefochtenen Urteil ist der Bezug von Verletztengeld aus der gesetzlichen Unfallversicherung der tatsächlichen Ausübung einer geringfügigen Beschäftigung in dem erforderlichen Umfang und Zeitraum nicht gleichzusetzen. Denn unabhängig von der Frage, ob und in welchem Umfang eine Unterbrechung der ausgeübten geringfügigen Beschäftigung die Berücksichtigung des Freibetrages nach § 141 Abs 2 SGB III entfallen lässt (vgl hierzu Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 1.7.2010 - B 11 AL 31/09 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen), handelt es sich entgegen den Ausführungen des LSG bei dem gezahlten Verletztengeld nicht um Arbeitsentgelt, das durch Ausübung einer geringfügigen Beschäftigung erzielt worden ist. |
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| Während § 141 Abs 1 SGB III den Zweck verfolgt, dem Arbeitslosen einen Anreiz zu geben, seine Arbeitskraft neben dem Bezug von Leistungen einzusetzen, um auf diese Weise seine Wiedereingliederung zu erleichtern (BT-Drucks 13/4941, zu § 141 - Anrechnung von Nebeneinkommen - S 180), verfolgt Abs 2 der Regelung ebenso wie der Abs 3 die Absicht, dem Arbeitslosen die Nebeneinkünfte zu belassen, die schon längere Zeit vor Eintritt der Arbeitslosigkeit seinen Lebensstandard mitbestimmt haben (BT-Drucks 14/873 S 14 zu Nr 21; s insgesamt hierzu BSGE 97, 80 ff = SozR 4-4300 § 141 Nr 3, RdNr 15 mwN). Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 141 Abs 2 SGB III muss dabei allerdings die geringfügige Beschäftigung auch tatsächlich ausgeübt worden sein. |
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| Diese Auslegung kann entgegen der Auffassung des LSG nicht ausschließlich durch die Teleologie des Gesetzes geprägt werden. Vielmehr stellt das Gesetz ausdrücklich und bewusst auf die Ausübung einer Nebentätigkeit ab. Das Verletztengeld als Lohnersatzleistung fällt damit nicht unter die Vorschrift des § 141 Abs 2 SGB III, weil es kein tatsächlich erzieltes Arbeitsentgelt aus einer ausgeübten Tätigkeit ist. Der Bezug von Verletztengeld ersetzt gerade ein tatsächlich erarbeitetes Einkommen bzw Nebeneinkommen, tritt quasi an dessen Stelle, und kann aufgrund seines Lohnersatzcharakters nicht dem tatsächlich erzielten Arbeitsentgelt iS des § 141 Abs 1 SGB III gleichgesetzt werden. Sozialleistungen wie das Verletztengeld fallen also nicht unter § 141 SGB III, weil dort die Begünstigung lediglich für das "Arbeitsentgelt" vorgesehen ist. |
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| Dass der Bezug einer Entgeltersatzleistung nicht dem Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung gleichzustellen ist, ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des § 141 SGB III (s die Darstellung in BSG, Urteil vom 1.7.2010 - B 11 AL 31/09 R - RdNr 19, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) und aus systematischen Erwägungen. Zwar bezogen sich die Ausführungen des BSG im Urteil vom 28.1.1992 (SozR 3-4100 § 115 Nr 3 S 13 f), dass nur das ausdrücklich genannte "Arbeitsentgelt", nicht aber damit zusammenhängende Lohnersatzleistungen wie das Verletztengeld von der Regelung umfasst seien, auf die Vorgängervorschrift des § 141 Abs 1 Satz 1 SGB III, den § 115 Abs 1 Satz 1 Arbeitsförderungsgesetz. Allerdings bezieht sich § 141 Abs 2 SGB III gleichfalls auf das Arbeitsentgelt in Abs 1 der Vorschrift, sodass der Arbeitsentgeltbegriff in beiden Absätzen nach der gesamten Struktur des § 141 SGB III, denknotwendig einheitlich auszulegen ist. Insoweit stellt § 141 SGB III auf die in § 14 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV) enthaltene Legaldefinition ab, wonach Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung sind. |
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| Die Änderung des § 141 SGB III mit Wirkung zum 1.1.2009 durch das Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21.12.2008 (BGBl I 2917), mit der der Gesetzgeber den Begriff einer geringfügigen Beschäftigung aus dem Gesetzestext entfernt und durch eine Bezugnahme auf eine Erwerbstätigkeit iS des § 119 Abs 3 SGB III ersetzt hat, der eine Tätigkeitszeit (Arbeitszeit) von weniger als 15 Stunden wöchentlich verlangt. Mit dieser Neuregelung sollte die nach altem Recht bestehende Ungleichbehandlung zwischen einem Arbeitslosen, der sein privilegiertes Nebeneinkommen aus einer selbstständigen Tätigkeit erzielte und einem Arbeitslosen, der eine abhängige Nebenbeschäftigung ausübte, beseitigt werden. Denn das Nebeneinkommen aus einer abhängigen Beschäftigung wurde nur in vollem Umfang geschützt, wenn es im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung erzielt wurde (Entgeltgrenze 400 Euro monatlich), während Nebeneinkommen aus einer selbstständigen Tätigkeit auch dann privilegiert war, wenn es mehr als geringfügig war, die Tätigkeit jedoch weniger als 15 Wochenstunden ausgeübt wurde (vgl: BT-Drucks 16/10810 S 38 zu Nr 40). Die Gesetzesbegründung stellt mithin ausdrücklich auf Einkommen aus einer Tätigkeit ab. |
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| Eine solche wörtliche Auslegung ist im Übrigen auch zur Gleichbehandlung abhängig Beschäftigter mit Selbstständigen nach § 141 Abs 3 SGB III erforderlich, die nicht im Falle von Krankheit, Arbeitsunfällen etc von Gesetzes wegen versichert sind, bzw denen eine etwaige Versicherungsleistung unabhängig von dem Einkommen aus der selbstständigen Tätigkeit erbracht wird. Die vom LSG zu Grunde gelegte teleologische Auslegung würde demgegenüber die abhängig Beschäftigten bei Berücksichtigung einer Lohnersatzleistung einseitig gegenüber den Selbstständigen bevorzugen. |
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| Ob die Regelung des § 141 Abs 2 SGB III wegen des Begriffs einer geringfügigen Beschäftigung in seiner bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung gegen Art 3 Grundgesetz verstößt und ob insoweit eine verfassungskonforme Auslegung erforderlich ist, kann hier dahinstehen. Denn es fehlt bereits an der vor der Arbeitslosigkeit erforderlichen Ausübung einer Beschäftigung. |
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| Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben. |
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