Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 94/2015

Verhandlungstermin: 10. Juli 2015

V ZR 229/14

Die Kläger sind seit 1990 Bewohner und seit 1994 Eigentümer eines in Nordrhein-Westfalen belegenen Grundstücks, das mit einem nach Süden ausgerichteten Reihenhausbungalow bebaut ist. Ihr 10 mal 10 m großer Garten grenzt an eine öffentliche Grünanlage der beklagten Stadt. Dort stehen in einem Abstand von 9 bzw. 10,30 m von der Grenze zwei ca. 25 m hohe, gesunde Eschen. Die Kläger verlangen die Beseitigung dieser Bäume mit der Begründung, ihr Garten werde vollständig verschattet. Er eigne sich infolgedessen weder zur Erholung noch zur Hege und Pflege der von ihnen angelegten anspruchsvollen Bonsai-Kulturen. Das Wachstum der Bäume sei für sie bei Erwerb des Hauses nicht vorhersehbar gewesen. Derartig hoch wachsende Laubbäume seien mit einer konzeptionell nach Süden ausgerichteten Bungalow-Siedlung unvereinbar.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Kläger mit folgender Begründung zurückgewiesen:

Ein Anspruch der Kläger gemäß § 1004 Abs. 1 BGB* bestehe nicht. Die durch die Bäume bewirkte Verschattung stelle keine abwehrfähige Einwirkung im Sinne von § 906 BGB** auf das Grundstück der Kläger dar. Bei dem Schattenwurf handele es sich nicht um die Zuführung bestimmter Stoffe, sondern um negative Einwirkungen, die der Eigentümer grundsätzlich hinnehmen müsse. Ein Abwehrrecht ergebe sich auch nicht aus dem sogenannten nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis. Hierfür gelte ein strenger Maßstab. Voraussetzung sei, dass die Kläger in schwerem und unerträglichem Maße in ihren Eigentümerbefugnissen beschränkt würden; dies sei zu verneinen. Allerdings komme es aufgrund der baulichen Gegebenheiten nicht auf die Beeinträchtigung der Nutzung des gesamten Grundstücks an, sondern allein auf die der Gartenfläche, da ein vorhandenes Atrium schon durch Mauern verschattet werde und es keine weitere Flächen für den Aufenthalt im Freien gebe. Die hiernach maßgebliche Gartenfläche werde zwar von Anfang August bis Mitte Mai vollständig verschattet. Zu berücksichtigen sei aber, dass die Eschen ab Mitte/Ende November nicht mehr belaubt seien, so dass Sonnenlicht durchdringe. Anfang April beginne das Wachstum der Blätter, die erst im Juni voll ausgebildet seien. In der Zeit von Mitte Mai bis Anfang August werde aufgrund des höheren Sonnenstands ohnehin nur ein Teil des Gartens verschattet.

Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision wollen die Kläger weiterhin erreichen, dass die Bäume beseitigt werden müssen.

*§ 1004 Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

**§ 906 BGB Zuführung unwägbarer Stoffe

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. (…)

(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. (…)

LG Bielefeld – Urteil vom 26. November 2013 – 1 O 307/12

OLG Hamm – Urteil vom 1. September 2014 – I-5 U 229/13

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