Der Bundesgerichtshof

PRESSEMITTEILUNGEN
 
XML RSS

Dokumentsuche

Datum

Nummer

Suchbegriff

[Icon: Dreieck] Hilfe

 

Kalender

Mo Di Mi Do Fr Sa So
    1 2 3 4 5
6 7 8 9 10 11 12
13 14 15 16 17 18 19
20 21 22 23 24 25 26
27 28 29 30 31    

Pressemitteilungen » Pressemitteilungen aus dem Monat August 2012 » Pressemitteilung Nr. 129/12 vom 15.8.2012

 

vorheriges DokumentDokumentlistenächstes Dokument

Druckansicht

Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 129/2012

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir möchten folgende Terminhinweise geben:

Verhandlungstermin: 16. Oktober 2012

Es stehen über die zwei bereits auf den 16. Oktober 2012 terminierten Verhandlungssachen (vgl. dazu Pressemitteilung 94/2012) hinaus zwei weitere Sachen zur Verhandlung an, die insbesondere "Lehman-Zertifikate" zum Gegenstand haben.

In beiden Fällen erwarben die Anleger von derselben beklagten Sparkasse - in der Sache XI ZR 332/11 zusammen mit weiteren Zertifikaten eines anderen Emittenten - jeweils "Bull Express Garant"-Zertifikate. Hierbei handelt es sich um Inhaberschuldverschreibungen der niederländischen Lehman Brothers Treasury Co. B.V., deren Rückzahlung von der US-amerikanischen Lehman Brothers Holdings Inc. garantiert wurde.

XI ZR 325/11

LG Hamburg - Urteil vom 17. Juni 2010 - 309 O 233/09

Hanseatisches Oberlandesgericht - Urteil vom 15. Juni 2011 - 13 U 118/10

Die Klägerin, die bei der beklagten Sparkasse seit längerem Kundin ist und bei dieser ein umfangreiches Wertpapierdepot unterhält, erwarb im November 2007 auf Empfehlung einer Mitarbeiterin der Beklagten 25 Stück der streitgegenständlichen "Bull Express Garant"-Zertifikate zum Nennwert von 1.000 € zuzüglich eines Ausgabeaufschlags von 1%. Die Zertifikate hatte die Beklagte zuvor von der Emittentin zu einem unter dem Nennwert liegenden Preis erworben und sodann aus dem Eigenbestand im Wege des Festpreisgeschäfts an die Klägerin veräußert. Nach der Insolvenz der Emittentin (Lehman Brothers Treasury Co. B.V.) und der Garantin (Lehman Brothers Holdings Inc.) im September 2008 wurden die erworbenen Zertifikate weitgehend wertlos und von der Klägerin gegen Zahlung von 25 € an die Beklagte zurückübertragen. Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin im Wesentlichen die Rückzahlung des Anlagebetrages in Höhe von 25.250 € nebst Zinsen abzüglich der bereits gezahlten 25 €.

Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat eine Beratungspflichtverletzung der Beklagten verneint. Die Empfehlung der Lehman-Zertifikate sei insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Klägerin wegen des wiederholten Erwerbs risikoreicher Wertpapiere in der Vergangenheit keine unerfahrene Anlegerin gewesen sei, anlegergerecht gewesen. Zudem habe es sich bei den Lehman-Zertifikaten nach dem von einem Bankberater im Herbst 2007 zu erwartenden Kenntnisstand um eine sichere Anlage gehandelt. Auf den ein Jahr später erfolgten Zusammenbruch der Garantiegeberin habe nichts hingedeutet. Ihre Behauptung einer nicht sachgerechten Aufklärung über die Funktionsweise des Zertifikats, die Emittentin und das Emittentenrisiko habe die Klägerin nicht beweisen können. Die als Zeugin vernommene Mitarbeiterin der Beklagten habe unwiderlegt ausgesagt, die Klägerin anhand der ihr vorliegenden Unterlagen über diese Punkte aufgeklärt zu haben. Einen Hinweis darauf, dass die Lehman-Zertifikate nicht dem System der (deutschen) Einlagensicherung unterfielen, habe die Beklagte neben dem Hinweis auf das Emittentenrisiko nicht geschuldet. Eine Beratungspflichtverletzung sei schließlich nicht darin zu sehen, dass die Beklagte über ihre beim Verkauf erzielte Gewinnmarge nicht aufgeklärt habe.

Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

XI ZR 332/11

LG Hamburg - Urteil vom 28. Juni 2010 - 318 O 199/09

Hanseatisches Oberlandesgericht - Urteil vom 15. Juni 2011 - 13 U 138/10

In diesem Fall erwarben die Kläger auf Empfehlung eines Mitarbeiters der Beklagten im Mai 2007 zunächst 13 Stück "BA-CA Flex Bonus"-Zertifikate der Bank Austria Creditanstalt sowie im November 2007 ebenfalls 25 Stück "Bull Express Garant"-Zertifikate der Lehman Brothers Treasury Co. B.V., und zwar jeweils zum Nennwert von 1.000 € zuzüglich eines Ausgabeaufschlags von 1%. Beide Zertifikate hatte die Beklagte zuvor von den Emittenten zu einem unter dem Nennwert liegenden Preis erworben und sodann aus dem Eigenbestand im Wege des Festpreisgeschäfts an die Kläger veräußert. Die erworbenen Lehman-Zertifikate wurden nach der Insolvenz der Emittentin (Lehman Brothers Treasury Co. B.V.) und der Garantin (Lehman Brothers Holdings Inc.) im September 2008 weitgehend wertlos und von den Klägern gegen Zahlung von 25 € an die Beklagte zurückübertragen. Darüber hinaus erhielten die Kläger 4.495,92 € als Rückzahlung aus den "BA-CA Flex Bonus-" Zertifikaten. Mit ihrer Klage verlangen die Kläger im Wesentlichen die Rückzahlung der Anlagebeträge nebst Zinsen abzüglich der bereits gezahlten Beträge.

Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat eine Beratungspflichtverletzung der Beklagten verneint.

Die Beratung hinsichtlich der "BA-CA Flex Bonus-" Zertifikate sei anlegergerecht gewesen. Allein der Umstand, dass die investierten Mittel aus einer sicheren Anlageform, einem Bausparvertrag, stammten, führe nicht dazu, dass die Beklagte das fragliche Zertifikat den Klägern nicht habe anbieten dürfen. Dass die Beratung nicht anlagegerecht gewesen sei, hätten die Kläger nicht beweisen können. Der als Zeuge vernommene Mitarbeiter der Beklagten habe unwiderlegt angegeben, die Beratung anhand des Produktflyers vorgenommen zu haben. Diese Beratung sei sachgerecht gewesen, da dort sowohl die Funktionsweise des Zertifikats verständlich erklärt als auch ein deutlicher Hinweis auf das bestehende Totalverlustrisiko gegeben werde. Entgegen der Auffassung der Kläger sei es nicht erforderlich gewesen, sie anhand von Charts darauf hinzuweisen, dass die als Bemessungsgrundlage dienenden Aktienkurse in der Vergangenheit bereits einmal einen Wertverfall um deutlich mehr als 40 % gehabt hätten. Der damalige Kurseinbruch könne als Folge ganz ungewöhnlicher Ereignisse in den Jahren von 2001 bis 2003 eingestuft werden. Seit 2003 hätten sich die Aktien in einer kontinuierlichen Aufwärtsbewegung befunden. Außerdem habe es sich um einen überschaubaren Anlagezeitraum von 18 Monaten gehandelt.

Die Empfehlung der Lehman-Zertifikate sei ebenfalls anlegergerecht gewesen. Zum einen sei die Beklagte, wie ausgeführt, nicht gehalten gewesen, den Klägern ausschließlich konservativ strukturierte Anlagen anzubieten. Zum anderen habe es sich bei den Lehman-Zertifikaten nach dem von einem Bankberater im Herbst 2007 zu erwartenden Kenntnisstand um eine sichere Anlage gehandelt. Ferner bestätige die Anlagehistorie der Kläger die Einschätzung des als Zeugen vernommenen Sparkassenmitarbeiters, dass es sich bei den Klägern nicht um sicherheitsorientierte Anleger gehandelt habe. Auch die Behauptung der Kläger, die Empfehlung sei nicht anlegergerecht gewesen, weil sie eine Laufzeit von nicht mehr als zwei Jahren gewünscht hätten, sei unbewiesen geblieben. Ihre weitere Behauptung einer nicht sachgerechten Aufklärung über die Funktionsweise des Zertifikats, die Emittentin und das Emittentenrisiko hätten die Kläger ebenfalls nicht beweisen können. Soweit der Sparkassenmitarbeiter als Zeuge angegeben habe, mit den Klägern zwar nicht über die Emittentin, wohl aber über die amerikanische Muttergesellschaft gesprochen zu haben und dabei insbesondere auf deren Rating eingegangen zu sein, habe dies zur Darstellung des Emittenten genügt. Bei wirtschaftlicher Betrachtung sei es für die Beurteilung der Zertifikate weniger auf die holländische Tochter als vielmehr auf die garantiegebende Muttergesellschaft angekommen. Ein Hinweis auf eine mögliche Insolvenz der Garantiegeberin sei nicht erforderlich gewesen. Jedenfalls bei Kunden wie den Klägern, die schon mehrfach Anlagen bei anderen Instituten getätigt hätten, habe die Darstellung des Ratings und der Hinweis darauf, dass die Beklagte die Garantiegeberin für ein "gutes Institut" halte, genügt. Einen Hinweis auf die fehlende Einlagensicherung habe die Beklagte neben dem Hinweis auf das Emittentenrisiko nicht geschuldet. Schließlich sei auch daran festzuhalten, dass eine Bank nicht auf die von ihr im Rahmen eines derartigen Verkaufs von Wertpapieren erzielte Gewinnmarge habe hinweisen müssen.

Verhandlungstermin: 13. November 2012

Es steht über die bereits auf den 13. November 2012 terminierte Verhandlungssache (vgl. dazu Pressemitteilung 94/2012) hinaus eine weitere Sache zur Verhandlung an, die eine im Preis- und Leistungsverzeichnis eines Kreditinstituts enthaltene Klausel zu den Kosten eines Pfändungsschutzkontos zum Gegenstand hat.

XI ZR 145/12

LG Bremen - Urteil vom 21. September 2011 - 1 O 737/11

OLG Bremen - Urteil vom 23. März 2012 - 2 U 130/11

Der Kläger ist ein Verbraucherschutzverband, der als qualifizierte Einrichtung gemäß § 4 UKlaG eingetragen ist. Die Beklagte ist eine Sparkasse.

Der Kläger macht die Unwirksamkeit einer im Preis- und Leistungsverzeichnis der Beklagten verwendeten Klausel geltend, in der es auszugsweise heißt:

"Preis/EUR

1.4 Kontoführung Pfändungsschutzkonto

monatlicher Pauschalpreis 7,50"

Die Beklagte bietet in ihrem Preis- und Leistungsverzeichnis verschiedene (weitere) Konten- und Preismodelle für Privatkunden an. So beträgt der monatliche Pauschalpreis für das Kontomodell "Giro kompakt" 6,75 € und für das Kontomodell "Giro standard" 4 €, wobei ein Neuabschluss für beide - von Altkunden genutzte - Kontomodelle nicht mehr möglich ist. Die Kontoführung für das heute angebotene Kontomodell "Giroflexx" beträgt im Standardtarif 7,50 € monatlich; daneben sind Treueboni möglich.

Der Kläger ist der Ansicht, die Klausel betreffend das Pfändungsschutzkonto ("P-Konto") verstoße gegen § 307 BGB* und nimmt die Beklagte darauf in Anspruch, deren Verwendung gegenüber Privatkunden zu unterlassen. Zur Begründung führt er unter anderem an, die Klausel benachteilige die Kunden der Beklagten unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB, weil die Beklagte mit der Führung eines Girokontos als "P-Konto" lediglich eine ihr durch § 850k Abs. 7 ZPO** auferlegte gesetzliche Pflicht erfülle, dies aber von der Zahlung eines höheren Preises abhängig mache, als sie für ein sonstiges Konto mit vergleichbaren Leistungen verlange.

Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolgreich gewesen. Das Berufungsgericht hat angenommen, bei einem Pfändungsschutzkonto handele es sich nicht um eine von der Beklagten dem Kunden freiwillig angebotene Zusatzleistung, sondern um die Umsetzung eines dem Kunden auf dessen Verlangen von Gesetzes wegen einzuräumenden Pfändungsschutzes. Die angegriffene Klausel stelle deshalb eine kontrollfähige Preisnebenabrede dar. Der Inhaltskontrolle halte die Klausel nicht stand, weil sich die Beklagte jedenfalls von den Kunden, die noch die Kontomodelle "Giro kompakt" oder "Giro standard" nutzten, die Einrichtung eines Pfändungsschutzkontos mit dem hierfür vorgesehenen höheren monatlichen Grundpreis zusätzlich vergüten lasse. Dem stünden bei vergleichender Betrachtung keine verbesserten Leistungen der Beklagten gegenüber, so dass ihr die angegriffene Entgeltklausel die Möglichkeit biete, im Rahmen der Umwandlung von Altkonten in Pfändungsschutzkonten eine Vergütung auch für solche Tätigkeiten zu verlangen, die sie als Kreditinstitut nach dispositivem Recht ohne gesondertes Entgelt zu erbringen habe.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter. In jüngerer Zeit haben weitere Land- und Oberlandesgerichte vergleichbare Entgeltklauseln ebenfalls für unwirksam erachtet (vgl. etwa OLG Frankfurt/Main, BB 2012, 974; KG Berlin, WM 2012, 267 ff.; LG Leipzig, ZVI 2011, 73 f.; LG Halle, ZVI 2011, 35 f.; LG Erfurt, VuR 2011, 188 ff.; LG Bamberg, Urteil vom 22. Februar 2011 - 1 O 445/10, juris; LG Köln, VuR 2011, 392 f.; aA LG Frankfurt/Main, ZIP 2012, 114 ff.).

Zur Rechtsgrundlage des Pfändungsschutzkontos: Mit dem am 1. Juli 2010 in Kraft getretenen Gesetz zur Reform des Kontopfändungsschutzes hat der Gesetzgeber die Verbesserung des Pfändungsschutzes für Girokonten bezweckt und hierzu insbesondere das sogenannte P-Konto eingeführt. Dessen gesetzliche Grundlage bildet § 850k ZPO. Danach können der Bankkunde und das Kreditinstitut vereinbaren, dass ein schon bestehendes oder ein neu eingerichtetes Girokonto als Pfändungsschutzkonto geführt wird. Auf dem zu einem Pfändungsschutzkonto umgewandelten Bankkonto erhält der Kunde in Höhe seines Pfändungsfreibetrages einen Basispfändungsschutz. Wird das Guthaben auf einem "P-Konto" gepfändet, kann der Kunde hierüber bis zur Höhe des monatlichen Pfändungsfreibetrages frei verfügen. Die aktuelle Pfändungstabelle zeigt, in welchem Umfang bei einer Lohnpfändung das Einkommen erhalten bleibt bzw. gepfändet werden kann. Damit sollen dem Schuldner ohne aufwändiges gerichtliches Verfahren die Geldmittel verbleiben, die er zur Bestreitung des existentiellen Lebensbedarfs benötigt.

* § 307 BGB

Inhaltskontrolle

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.

mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder

2.

wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

** § 850k ZPO (Auszug)

Pfändungsschutzkonto

(1) …

(7) In einem der Führung eines Girokontos zugrunde liegenden Vertrag können der Kunde, der eine natürliche Person ist, oder dessen gesetzlicher Vertreter und das Kreditinstitut vereinbaren, dass das Girokonto als Pfändungsschutzkonto geführt wird. Der Kunde kann jederzeit verlangen, dass das Kreditinstitut sein Girokonto als Pfändungsschutzkonto führt. Ist das Guthaben des Girokontos bereits gepfändet worden, so kann der Schuldner die Führung als Pfändungsschutzkonto zum Beginn des vierten auf seine Erklärung folgenden Geschäftstages verlangen.

(8) …

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501

Druckansicht