Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 181/2012

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir möchten auf folgenden Termin hinweisen:

Verhandlungstermin: 15. Januar 2013

XI ZR 22/12

LG Bremen - Urteil vom 6. Januar 2011 - 2 O 2150/09

Hanseatisches OLG Bremen - Urteil vom 9. Dezember 2011 - 2 U 20/11 (veröffentlicht: WM 2012, 1239 ff.)

Die Parteien streiten um den Fortbestand eines Girovertrages.

Die Klägerin, die Bücher und Zeitschriften vertreibt, unterhielt bei der Beklagten seit September 2006 ein Girokonto, das sie für ihren Geschäftsverkehr nutzte. Ihrer Vertragsbeziehung zur Beklagten lagen deren Allgemeine Geschäftsbedingungen zugrunde, die unter anderem folgende Klausel enthielten:

"19.Kündigungsrechte der Bank

(1) Kündigung unter Einhaltung einer Kündigungsfrist

Die Bank kann die gesamte Geschäftsverbindung oder einzelne Geschäftsbeziehungen, für die weder eine Laufzeit noch eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart ist, jederzeit unter Einhaltung einer angemessenen Kündigungsfrist kündigen (zum Beispiel den Scheckvertrag, der zur Nutzung von Scheckvordrucken berechtigt). Bei der Bemessung der Kündigungsfrist wird die Bank auf die berechtigten Belange des Kunden Rücksicht nehmen. Für die Kündigung der Führung von laufenden Konten und Depots beträgt die Kündigungsfrist mindestens sechs Wochen."

Die Beklagte teilte der Klägerin im Juli 2009 mit, sie sehe sich "aus grundsätzlichen Erwägungen" nicht mehr in der Lage, die Kontoverbindung mit der Klägerin aufrecht zu erhalten, und erklärte, diese gemäß Ziffer 19 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit einer sechswöchigen Kündigungsfrist zu kündigen.

Das Landgericht hat die auf Feststellung des Fortbestehens des Girovertrages gerichtete Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe den Girovertrag durch Kündigung wirksam beendet. Dabei könne dahinstehen, ob die Beklagte bei Abgabe der Kündigungserklärung im Juli 2009 - wie von der Klägerin bestritten - wirksam vertreten worden sei. Jedenfalls habe die Beklagte die Kündigung mit ihrer der Klägerin zugestellten Klageerwiderung bekräftigt und sie damit erneut ausgesprochen. Der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz habe die Beklagte an einer Kündigung nicht gehindert, weil sie als private Bank nicht Grundrechtsverpflichtete sei. Art. 21 Abs. 2 Satz 2 GG* habe einer Kündigung ebenfalls nicht entgegengestanden, weil die Klägerin keine von dieser Bestimmung privilegierte politische Partei sei. Andere berechtigte Belange der Klägerin habe die Beklagte nicht bei der Kündigung selbst, sondern nur bei der Bemessung der Kündigungsfrist berücksichtigen müssen. Insbesondere habe ihr - entgegen einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden (WM 2002, 486 ff. = NJW 2002, 757 ff.) - keine Angemessenheitsprüfung oder Interessenabwägung mit den Belangen der Klägerin oblegen, zumal die Klägerin nicht behauptet habe, es sei kein anderes Kreditinstitut bereit, mit ihr einen Girovertrag einzugehen. Die Wirksamkeit der Kündigung scheitere schließlich nicht an den Grundsätzen von Treu und Glauben oder dem Schikaneverbot gemäß § 226 BGB**. Soweit die Klägerin vermute, dass sich hinter den in der Kündigungserklärung angeführten "grundsätzlichen Erwägungen" eine politische Zielrichtung verberge, bedürfe dies keiner Diskussion. Die Beklagte habe hierzu nichts vorgetragen und müsse dies im Zuge der Kontokündigung auch nicht. Bestandteil der Meinungsfreiheit sei auch, sich zu politischen Beweggründen nicht zu äußern.

Mit der vom Berufungsgericht im Hinblick auf die abweichende Auffassung des Oberlandesgerichts Dresden zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

* Art. 21 GG (Auszug)

(1) …

(2) Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig. Über die Frage der Verfassungswidrigkeit entscheidet das Bundesverfassungsgericht.

(3) …

** § 226 BGB

Schikaneverbot

Die Ausübung eines Rechts ist unzulässig, wenn sie nur den Zweck haben kann, einem anderen Schaden zuzufügen.

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