Der Bundesgerichtshof

PRESSEMITTEILUNGEN
 
XML RSS

Dokumentsuche

Datum

Nummer

Suchbegriff

[Icon: Dreieck] Hilfe

 

Kalender

Pressemitteilungen » Pressemitteilungen aus dem Jahr 2011 » Pressemitteilung Nr. 199/11 vom 21.12.2011

Siehe auch:  Urteil des VIII. Zivilsenats vom 21.12.2011 - VIII ZR 262/09 -

vorheriges DokumentDokumentlistenächstes Dokument

Druckansicht

Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 199/2011

Bundesgerichtshof zu Laufzeitvereinbarungen in Wärmeversorgungsverträgen

Der Bundesgerichtshof hat heute eine Entscheidung zur Wirksamkeit von Laufzeitvereinbarungen in Wärmeversorgungsverträgen getroffen.

Die Klägerin ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft, die Beklagte ein Energiedienstleistungsunternehmen. Die Beklagte schloss am 17. September 2002 einen vorformulierten Wärmelieferungsvertrag mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin. In dem Vertrag ist die Geltung der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme (AVBFernwärmeV*) vereinbart. Weiter sieht der Vertrag vor, dass der Heizraum und die Heizstation, in denen die Wärme erzeugt wird, vom Kunden gestellt und von der Beklagten für 1 €/Jahr gepachtet werden und dass der Kunde die Kosten der baulichen Instandhaltung und künftig notwendig werdende Ersatzinvestitionen zu tragen hat. Die Laufzeit des Vertrages ist mit 10 Jahren vereinbart. Die Klägerin hält diese Laufzeitvereinbarung für unwirksam und hat den Vertrag zum 31. August 2007 gekündigt. Das Amtsgericht hat der auf Feststellung der Vertragsbeendigung zum 31. August 2007 gerichteten Klage mit der Maßgabe stattgegeben, dass der Vertrag zum 31. Dezember 2007 endet. Auf die Berufung der Beklagten hat das Kammergericht die Klage abgewiesen.

Die dagegen gerichtete Revision der Wohnungseigentümergemeinschaft hatte Erfolg. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die in dem Vertrag enthaltene Laufzeitvereinbarung unwirksam ist. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ergibt sich die Zulässigkeit der zehnjährige Vertragsbindung nicht aus § 32 Abs. 1 AVBFernwärmeV**, weil das Vertragsverhältnis nicht die Lieferung von Fernwärme zum Gegenstand hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist für den gesetzlich nicht definierten Begriff Fernwärme entscheidend, dass aus einer nicht im Eigentum des Gebäudeeigentümers stehenden Heizungsanlage Wärme geliefert wird. Das entspricht auch der Auffassung des Verordnungsgebers, der die nach § 32 Abs. 1 AVBFernwärmeV zulässige Vertragslaufzeit von bis zu 10 Jahren deswegen als gerechtfertigt ansieht, weil die Fernwärmeversorgung den Versorger zu hohen Investitionen zwingt. Hieran fehlte es im Streitfall, weil die Beklagte die der Klägerin gehörende und von dieser zu unterhaltende Anlage nur zu einem symbolischen Pachtzins von 1 €/Jahr gepachtet hat.

Der Bundesgerichtshof hat weiter entschieden, dass die Laufzeitklausel nicht der Inhaltskontrolle des § 307 BGB*** standhält, da es mangels hoher Investitions- und Vorhaltekosten auf Seiten der Beklagten an einer sachlichen Rechtfertigung für die zehnjährige Vertragsbindung fehlt. Eine Aufrechterhaltung der Klausel mit einer kürzeren Laufzeit kam wegen des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion unangemessener Allgemeiner Geschäftsbedingungen nicht in Betracht.

*§ 1 AVBFernwärmeV: Gegenstand der Verordnung

(1) Soweit Fernwärmeversorgungsunternehmen für den Anschluss an die Fernwärmeversorgung und für die Versorgung mit Fernwärme Vertragsmuster oder Vertragsbedingungen verwenden, die für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind (allgemeine Versorgungsbedingungen), gelten die §§ 2 bis 34. Diese sind, soweit Absatz 3 und § 35 nichts anderes vorsehen, Bestandteil des Versorgungsvertrages

**§ 32 AVBFernwärmeV : Laufzeit des Versorgungsvertrages, Kündigung

(1) Die Laufzeit von Versorgungsverträgen beträgt höchstens zehn Jahre. …

***§ 307 Inhaltskontrolle

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.

mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder

2.

wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist

Urteil vom 21. Dezember 2011 – VIII ZR 262/09

LG Berlin - Urteil vom 29. April 2008 – 22 O 473/07;

KG Berlin - Urteil vom 1. September 2009 – 27 U 76/08;

Karlsruhe, den 21. Dezember 2011

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501

Druckansicht