Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 140/2009

Vizepräsidentin des Bundesgerichtshofs

Dr. Gerda Müller im Ruhestand

Vizepräsidentin des Bundesgerichtshofs Dr. Gerda Müller wird mit Ablauf des 30. Juni 2009 nach Erreichen der Altersgrenze in den Ruhestand treten.

Frau Dr. Müller wurde am 26. Juni 1944 in Bad Brückenau geboren. Sie ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.

Ihre richterliche Laufbahn begann Frau Dr. Müller nach dem Abschluss ihrer juristischen Ausbildung im Jahre 1970 im höheren Justizdienst des Landes Baden-Württemberg. Nach Verwendung bei dem Landgericht und dem Amtsgericht Mannheim wurde sie 1974 zur Richterin am Landgericht Mannheim ernannt. Von dort wurde sie in den Jahren 1977 bis 1979 als wissenschaftliche Mitarbeiterin an den Bundesgerichtshof, im Anschluss daran an das Oberlandesgericht Hamm abgeordnet.1980 wurde sie – unter Versetzung in den höheren Justizdienst des Landes Nordrhein-Westfalen – zur Richterin am Oberlandesgericht Hamm befördert.

Frau Dr. Müller wurde 1991 zur Richterin am Bundesgerichtshof ernannt. Sie ist seitdem Mitglied des für das Recht der unerlaubten Handlungen und das Arzthaftungsrecht zuständigen VI. Zivilsenats. Mit der – im Jahre 2000 erfolgten - Ernennung zur Vorsitzenden Richterin am Bundesgerichtshof übernahm Frau Dr. Müller den Vorsitz in diesem Senat, den sie auch im Großen Senat für Zivilsachen und im Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes vertritt. 2005 wurde Frau Dr. Müller zur Vizepräsidentin des Bundesgerichtshofs ernannt.

Frau Dr. Müller hat zunächst als Beisitzerin, dann als Vorsitzende die Rechtsprechung des VI. Zivilsenats maßgeblich mitgeprägt. Schwerpunkte ihrer Tätigkeit waren vor allem das Persönlichkeits-, das Unfallhaftungs- und das Arzthaftungsrecht.

Soweit es das Persönlichkeitsrecht anbelangt, war der VI. Zivilsenat in den vergangenen Jahren insbesondere mit Rechtsfragen befasst, die an die Wort- und Bildberichterstattung über Prominente anknüpfen. Unter dem Vorsitz von Frau Dr. Müller ist es dem Senat gelungen, Lösungen zu entwickeln, die in dem Spannungsverhältnis zwischen dem Persönlichkeitsrecht einerseits und dem Recht der Presse- und der Kunstfreiheit andererseits einen angemessenen Ausgleich der beteiligten Interessen bewirken und dadurch das Persönlichkeitsrecht im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte überzeugend fortgebildet haben

Im Bereich des Unfallhaftungsrechts sind die Entscheidungen hervorzuheben, mit denen Frau Dr. Müller und ihr Senat eine neue Rechtsprechung zum Unfallersatztarif eingeleitet haben. Besondere Erwähnung verdienen zudem Entscheidungen, die bei Schwerstverletzungen mit Beeinträchtigung der Persönlichkeit die Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes in den Vordergrund gerückt und sich mit dem Ausgleich psychischer Schäden befasst haben.

Auch und gerade im Arzthaftungsrecht hat der VI. Zivilsenat in der Zeit des Vorsitzes von Frau Dr. Müller die Rechtsentwicklung durch zahlreiche – von ihr maßgeblich beeinflusste – Grundsatzentscheidungen wesentlich vorangetrieben. Dafür sollen hier nur beispielhaft die Leitentscheidungen des Senats angeführt werden, die sich mit der Haftung des Arztes für den Unterhalt eines Kindes befassen, dessen Geburt durch seine Tätigkeit vermieden werden sollte, mit der ärztlichen Aufklärungspflicht, mit der Beweislastumkehr bei einem groben Behandlungsfehler sowie mit den Beweiserleichterungen bei der Unterlassung einer gebotenen Befunderhebung und bei verschwundenen Befundträgern.

Als Vizepräsidentin des Bundesgerichtshofs setzte sich Frau Dr. Müller immer wieder mit ganzer Kraft und großem Erfolg für die Belange des Hauses ein. Bei zahlreichen Anlässen, die der Präsident des Bundesgerichtshofs nicht wahrnehmen konnte, war das Gericht durch sie glänzend vertreten. Besondere Verdienste hat sie sich auf dem Feld der internationalen rechtlichen Beziehungen erworben. Vor allem in den Rechtsstaatsdialog mit China sowie in den Erfahrungsaustausch mit höchsten englischen Richtern und angesehenen Juristen aus den GUS-Staaten hat sich Frau Dr. Müller äußerst aktiv und sachkundig eingebracht.

Hervorzuheben ist das Engagement von Frau Dr. Müller in den Selbstverwaltungsgremien des Bundesgerichtshofs. Getragen von dem Vertrauen der Kolleginnen und Kollegen ist sie Mitglied des Präsidiums und des Präsidialrates und war viele Jahre Mitglied des Richterrates. Außerdem stand Frau Dr. Müller eine Reihe von Jahren an der Spitze des Vereins der Bundesrichter und Bundesanwälte e. V.

Frau Dr. Müller ist es in vorbildlicher Weise gelungen, die Belange von Rechtspraxis und Rechtswissenschaft zusammenzuführen. Neben ihrer richterlichen Arbeit opferte sie ihre Zeit für zahlreiche wissenschaftliche Beiträge, die das Persönlichkeitsrecht, das Unfallhaftungsrecht und das Arzthaftungsrecht systematisch erschlossen und zugleich die Rechtsprechung des VI. Zivilsenats befruchtet haben. Bei Vortragsveranstaltungen nahm sie Gelegenheit, sich mit Praxis und Lehre über schwierige Fragen des Schadensersatzrechts auszutauschen. Auch die dabei gewonnenen Erkenntnisse kamen der Fortbildung der Rechtsprechung zugute. Die außergewöhnliche Anerkennung, die sich Frau Dr. Müller in der Fachöffentlichkeit erworben hat, kommt darin zum Ausdruck, dass der Deutsche Verkehrsgerichtstag sie zu seiner Vizepräsidentin berufen hat.

Der Bundesgerichtshof verliert mit Frau Vizepräsidentin Dr. Müller eine ganz herausragende, "präsidiale" Richterpersönlichkeit, die im Inland wie im Ausland ausnahmslos höchstes Ansehen und Wertschätzung genießt.

Die Bundesministerin der Justiz, Frau Brigitte Zypries, wird Frau Vizepräsidentin Dr. Müller am 6. Juli 2009 im Rahmen einer Festveranstaltung im Rathaus der Stadt Karlsruhe offiziell verabschieden.

Karlsruhe, den 30. Juni 2009

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
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