Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 88/2008

Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Ursula Gerhardt

 im Ruhestand

 

Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Ursula Gerhardt wird mit Ablauf des 30. April 2008 in den Ruhestand treten.

 

Frau Dr. Gerhardt wurde am 25. April 1943 in Düsseldorf geboren. Sie hat eine erwachsene Tochter.

 

Nach Abschluss ihrer juristischen Ausbildung im Jahre 1972 trat Frau Dr. Gerhardt in den höheren Justizdienst der Freien und Hansestadt Hamburg ein. Nach Verwendungen bei dem Justizprüfungsamt bei dem Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg, bei dem Amtsgericht und dem Landgericht Hamburg wurde sie 1975 zur Richterin am Landgericht Hamburg ernannt. Von dort wurde Frau Dr. Gerhardt an das Amtsgericht Hamburg sowie an die Senatskanzlei Hamburg (Leitstelle Gleichstellung der Frau) abgeordnet. Die Beförderung zur Vorsitzenden Richterin am Landgericht Hamburg folgte 1989. Im Jahre 1991 wurde sie als Direktorin des Amtsgerichts an das Amtsgericht Hamburg – Blankenese versetzt.

 

Frau Dr. Gerhardt wurde 1996 zur Richterin am Bundesgerichtshof ernannt. Sie war – nahezu von Anfang an - dem 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs zugewiesen und gehörte zur Erstbesetzung des 5. Strafsenats bei dessen Umzug von Berlin nach Leipzig im Sommer 1997. So hat sie noch an einer Vielzahl von Entscheidungen des Senats zum Bereich staatlichen Unrechts in der DDR (insbesondere zum Grenzregime und zu Rechtsbeugungsfällen) mitgewirkt.

 

Als Berichterstatterin war Frau Dr. Gerhardt vorwiegend mit Kapitalstrafsachen und Fällen sonstiger Gewaltdelikte, mit Sexualstrafsachen, insbesondere Jugendschutzsachen, und mit Betäubungsmittelstrafsachen befasst. Ein Schwerpunkt ihres Interesses galt Problemfällen der Schuldfähigkeit, des Maßregelrechts sowie des Jugendstrafrechts, eingeschlossen die mit diesen Bereichen verbundenen speziellen Verfahrensfragen.

 

So war Frau Dr. Gerhardt Berichterstatterin des Grundsatzurteils des 5. Strafsenats zur Spielsucht (BGHSt 49, 365). In mehreren von ihr als Berichterstatterin formulierten Entscheidungen wurde die Verpflichtung von Schwurgerichten und Jugendstrafkammern zu sorgfältiger Prüfung der Schuldfähigkeit, namentlich in Kapitalsachen, mit Hilfe psychiatrischer Sachverständiger hervorgehoben. In jüngerer Zeit war sie häufig mit der vielschichtigen Problematik des neu eingeführten Rechtsinstituts der nachträglichen Anordnung von Sicherungsverwahrung (§ 66b StGB) befasst.

 

Im Jahre 2007 war Frau Dr. Gerhardt Berichterstatterin in den spektakulären Fällen der Tötung von acht neugeborenen Kindern durch eine Frau aus Frankfurt/Oder, die die Leichen ihrer Kinder in Balkonkästen vergraben aufbewahrte (5 StR 491/06), des von den Eltern zu verantwortenden Hungertodes des vierjährigen Dennis aus Cottbus, dessen Leiche von der Mutter in einer Tiefkühltruhe abgelegt wurde (5 StR 320/06), und des "Ehrenmordes" eines jungen Türken an seiner Schwester, dessen Brüder das Landgericht Berlin vom Vorwurf der Beteiligung freigesprochen hatte (5 StR 31/07).

 

Karlsruhe, den 30. April 2008

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