Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 69/2008

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir möchten folgenden Hinweis geben:

1 StR 83/08

Landgericht Stuttgart – Entscheidung vom 27. September 2007 – 5 KLs (a) 1 Js 64595/04

Mit Urteil vom 27. September 2007 hat das Landgericht Stuttgart die ehemalige Justizministerin des Landes Baden-Württemberg, Corinna Werwigk-Hertneck, wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses in zwei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt.

Nach den Urteilsfeststellungen stand der damalige stellvertretende Ministerpräsident und Wirtschaftsminister des Landes Baden-Württemberg, Dr. Walter Döring, ein Parteifreund der Angeklagten in der Freien Demokratischen Partei (FDP), im Frühsommer 2004 unter erheblichem politischem und öffentlichem Druck. Im Zusammenhang mit möglichen Verwicklungen in die Affäre um die Firma FlowTex ging es um eine von der Firma infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft GmbH erstellte "Bevölkerungsumfrage zu wirtschaftspolitischen Themen in Baden-Württemberg", die Döring im Mai 1999 auf einem Bundesparteitag der FDP als unabhängige Studie präsentiert hatte. Es bestand der Verdacht, dass die Geschäftsführerin eines Tochterunternehmens der Firma Flowtex – als Zuwendung an Döring – 10.000 DM zu den Kosten dieser Umfrage beigesteuert hatte. Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe hatte deswegen gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen Vorteilsannahme eingeleitet. Nachdem der hiermit befasste Untersuchungsausschuss des baden-württembergischen Landtages Döring und die damalige Leiterin seines Ministerbüros als Zeugen vernommen hatte, erfuhr die Angeklagte durch einen von einem Mitarbeiter des Justizministeriums verfassten internen Vermerk, dass in einem von der Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen weitere Beschuldigte geführten Ermittlungsverfahren relevante Unterlagen sichergestellt worden waren. Diese erhärteten den Verdacht, dass Döring in die Entstehung und Finanzierung der infas-Umfrage involviert war und – ebenso wie seine Büroleiterin – vor dem Untersuchungsausschuss wahrheitswidrig ausgesagt hatte. Am Morgen des 17. Juni 2004 rief die Angeklagte Döring an und informierte ihn über Ermittlungsergebnisse, die ihn und seine Büroleiterin betrafen. Nachdem anschließend das Büro und die Wohnung der Büroleiterin durchsucht und dabei weitere Döring belastende Unterlagen gefunden worden waren, berichtete die zuständige Staatsanwaltschaft Stuttgart dem Justizministerium auch hierüber und teilte mit, dass die Aufhebung der parlamentarischen Immunität zur Einleitung eines Verfahrens wegen des Verdachts der falschen uneidlichen Aussage beantragt worden sei. Hiervon wurde die Angeklagte als Justizministerin unterrichtet. Am Morgen des hierauf folgenden Tages, des 6. Juli 2004, gab sie Informationen über das beabsichtigte weitere Ermittlungsverfahren und die sichergestellten Unterlagen an Döring weiter. Die von der Angeklagten gegenüber Döring offenbarten Umstände waren jeweils allein den zuständigen Mitarbeitern der Ermittlungsbehörden und des Justizministeriums bekannt.

Gegen das Urteil wendet sich die Revision der Angeklagten mit Verfahrensrügen und der Sachbeschwerde. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs wird die Sache demnächst beraten.

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