Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 37/2007

BGH-Entscheidung zur vorsätzlichen Tötung des Kindes Dennis

Das Landgericht Cottbus hat die Angeklagten, die Eltern des in Cottbus zu Tode gekommenen knapp siebenjährigen Dennis, jeweils wegen Mordes durch Unterlassen in Tateinheit mit Misshandlung von Schutzbefohlenen zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Der 5. (Leipziger) Strafsenat des Bundesgerichtshofs hatte über die Revisionen beider Angeklagten zu entscheiden.

Der Bundesgerichtshof hat den Schuldspruch bestätigt, soweit die Angeklagten wegen vorsätzlicher Tötung ihres Kindes und wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen verurteilt sind. Denn die Angeklagten hatten nach den Urteilsfeststellungen erkannt, dass ihr Sohn immer mehr abmagerte und schließlich vollständig entkräftet war. Dennoch unterließen sie geeignete Hilfsmaßnahmen. Der vom Schwurgericht auf dieser Tatsachenbasis gezogene Schluss auf den bedingten Tötungsvorsatz war tragfähig, allerdings nur für die letzte Phase der Mangelversorgung des Kindes Dennis.

Soweit das Schwurgericht das Geschehen als grausame Tötung und damit als Mord gewertet hat, hat der Bundesgerichtshof das Urteil dahin abgeändert, dass die Angeklagten wegen Totschlags verurteilt sind. Es bleibt letztlich offen, ob das Untätigbleiben der Angeklagten nicht insgesamt nur einer von Gedanken- und Hilflosigkeit geprägten, durch Passivität gekennzeichneten Lebensführung entsprang. Hierfür sprechen die außergewöhnlichen Umstände im Tatbild und die mit psychischen Beeinträchtigungen belasteten Täterpersönlichkeiten. Zudem verspürte das Tatopfer nach den Feststellungen des sachverständig beratenen Schwurgerichts infolge der sich über Jahre hinziehenden Mangelernährung – wobei ihm Nahrung nicht verweigert wurde – bereits etwa eineinhalb Jahre vor seinem Tode und damit in dem Zeitraum, in dem die Angeklagten mit Tötungsvorsatz handelten, keinen Hunger mehr. Für die Verwirklichung des Mordmerkmals der Grausamkeit wäre es aber erforderlich, dass das Opfer die besonderen Schmerzen oder Qualen zu einem Zeitpunkt erlitten hat, zu dem bereits Tötungsvorsatz gegeben war. Da Dennis weder Hungergefühl äußerte noch sonst besondere Schmerzen erkennen ließ, kann allein aus dem Unterlassen von Hilfe trotz von den Angeklagten bemerkter fortschreitender Auszehrung – anders als vom Schwurgericht angenommen – nicht ohne weiteres darauf geschlossen werden, dass die mit der Versorgung ihrer sieben Kinder heillos überforderten Angeklagten etwaige Schmerzen körperlicher und seelischer Art bei Dennis noch in der maßgeblichen letzten Phase ihres Unterlassens erkannt hätten.

Mit Blick auf den Zeitablauf seit der Tat und die besondere Tatentwicklung ist ausgeschlossen, dass das Landgericht noch Mordmerkmale tragfähig feststellen kann. Der Senat hat daher den Schuldspruch selbst geändert und die Sache zur Festsetzung einer neuen Strafe an das Landgericht zurückverwiesen.

Beschluss vom 13. März 2007 – 5 StR 320/06

LG Cottbus – 21 Ks 3/05 – Urteil vom 20. Februar 2006

Karlsruhe, den 19. März 2007

Pressestelle des Bundesgerichtshof
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501