Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 3/2007

Unbeachtlichkeit des Widerrufs der Rechtshilfebewilligung durch die Schweizer Justizbehörden im Komplex Schreiber

Weitere Strafreduzierungen gegen Thyssen-Manager

Der 5. (Leipziger) Strafsenat des Bundesgerichtshofs hatte erneut über die Revisionen zweier Manager des Thyssen-Konzerns zu entscheiden, deren Verurteilungen durch das Landgericht Augsburg wegen Untreue und Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit dem Schmiergeldsystem des Kaufmanns Schreiber im ersten Revisionsverfahren nur teilweise bestätigt worden waren (vgl. Presseerklärung Nr. 133/2004). Das Landgericht Augsburg hatte mit Rücksicht auf den bei beiden Angeklagten jeweils nur noch festgestellten geringeren Gesamtschaden auf erheblich niedrigere Strafen als im ersten Urteil erkannt. Der Bundesgerichtshof konnte auch die reduzierten Strafen nicht bestätigen, weil die Strafzumessung des Landgerichts aus Rechtsgründen zu beanstanden war. Um das nunmehr seit elf Jahren anhängige Verfahren rechtskräftig abzuschließen, hat der Bundesgerichtshof von einer abermaligen Zurückverweisung abgesehen und die Strafen gegen beide Angeklagte noch weitergehend ermäßigt, so dass mit rechtskräftigem Verfahrensabschluss nunmehr gegen beide Angeklagte nur noch Bewährungsstrafen verhängt sind.

Auf die Revision des einen Angeklagten hatte der Bundesgerichtshof zuvor erneut über Einwände gegen die Verwertung in der Schweiz beschlagnahmter Kontounterlagen zu befinden. Das Schweizer Bundesamt für Justiz hatte mit Schreiben vom 7. November 2006 die Verwendung der im Wege der Rechtshilfe überlassenen Unterlagen untersagt. Dies betraf vor allem Aufzeichnungen von Karlheinz Schreiber und Kontounterlagen von Schweizer Banken. Die Verteidigung der Angeklagten sieht in dem nunmehr ausgesprochenen Verwertungsverbot durch die Schweizer Justizbehörden ein Verfahrenshindernis. Dem ist der Bundesgerichtshof nicht gefolgt. Der die Verurteilung tragende Schuldspruch war bereits im ersten Rechtsgang – unter Berücksichtigung von vorgetragenen Bedenken gegen die Verwertung der im Wege der Rechtshilfe gewonnenen Unterlagen – rechtskräftig geworden. Eine erneute Verwertung dieser Unterlagen fand im zweiten Verfahren vor dem Landgericht nicht mehr statt, mithin konnte eine solche Verwertung nicht Gegenstand der revisionsgerichtlichen Überprüfung des zweiten Urteils des Landgerichts Augsburgs sein. Eine neue Beurteilung durch die Schweizer Justizbehörden begründet weder ein Verfahrenshindernis noch einen Wiederaufnahmegrund im Hinblick auf die von den deutschen Gerichten bereits abschließend erfolgte Verwertung. Besondere Gründe, die bereits vollzogene Verwertung von Unterlagen etwa wegen einer Täuschung oder eines Irrtums der Schweizer Behörden vor Bewilligung der Rechtshilfe abweichend zu beurteilen, lagen nicht vor. Der Bundesgerichtshof hat keine Anhaltspunkte dafür gefunden, dass die Schweizer Behörden durch die zuständige Augsburger Staatsanwaltschaft vor Bewilligung der Rechtshilfe unzulänglich informiert worden wären. Für die Frage, ob ein sachlich anerkennenswerter Grund für die nachträgliche Untersagung der Verwertung von Unterlagen vorliegt, hat der Bundesgerichtshof jedenfalls für das Stadium bereits geleisteter und abschließend verwerteter Rechtshilfe eine eigene Prüfungskompetenz des um Rechtshilfe ersuchenden Staates, also hier der deutschen Gerichtsbarkeit, angenommen.

Beschlüsse vom 10. Januar 2007 – 5 StR 304 und 305/06

LG Augsburg - Urteile vom 28. November und 19. Dezember 2005 – 9 KLs 501 Js 127135/95

Karlsruhe, den 10. Januar 2007

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