Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 94/2006

Verurteilungen in Wuppertaler Korruptionsverfahren

überwiegend rechtskräftig

Das Landgericht hat zwei frühere Geschäftsführer der Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft (GWG) der Stadt Wuppertal wegen mehrerer Fälle der Untreue und der Steuerhinterziehung zu Freiheitsstrafen von sechs Jahren bzw. fünf Jahren und sechs Monaten sowie zu hohen Schadensersatzzahlungen an die GWG verurteilt. Einen Prokuristen der GWG hat es wegen Untreue zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, von den Vorwürfen weiterer Untreuehandlungen und der Steuerhinterziehung indes freigesprochen. Den Vorstandsvorsitzenden einer privatrechtlich organisierten Stiftung hat das Landgericht wegen Bestechung in Tateinheit mit Untreue zu einer Bewährungsstrafe sowie wegen Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe verurteilt. Einen frühpensionierten ehemaligen Oberamtsanwalt, der ebenfalls Vorstandsmitglied dieser und einer weiteren Stiftung war, hat es wegen mehrerer Fälle der Bestechung und Untreue zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten sowie zu hohen Schadensersatzzahlungen an die GWG und an eine der Stiftungen verurteilt. Schließlich hat das Landgericht einen Wuppertaler Bauunternehmer wegen Beteiligung an den Untreuedelikten zu einer Bewährungsstrafe und wegen Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe verurteilt.

Den Verurteilungen lag nach den Feststellungen des Landgerichts im Wesentlichen Folgendes zu Grunde: Die beiden Stiftungen planten jeweils die Errichtung von Altenwohnheimen in Wuppertal. Dem ehemaligen Oberamtsanwalt gelang es, die GWG zur Übernahme von größeren Teilen der beiden Projekte zu bewegen. Die GWG ließ die erforderlichen Baumaßnahmen durch den Bauunternehmer ausführen. Der Auftragsvergabe und zwei Grundstücksankäufen zu überteuerten Preisen durch die GWG war vorausgegangen, dass die Geschäftsführer der GWG großzügige Geld- und Sachzuwendungen von dem ehemaligen Oberamtsanwalt erhielten; dieser bekam wiederum für seine Bemühungen eine erhebliche Provision durch den Bauunternehmer. Die erhaltenen Vorteile wurden von den Empfängern überwiegend nicht versteuert. Darüber hinaus verpflichteten die Vorstandsmitglieder einer der Stiftungen ein Mitglied der Fraktion der Grünen im Wuppertaler Stadtrat als Berater, damit dieser naturschutzrechtliche Maßnahmen der Stadt Wuppertal im Interesse dieser Angeklagten in den politischen Gremien der Stadt lenken sollte. Zudem machten sie im Zusammenwirken mit dem Bauunternehmer gegenüber jener Stiftung überhöhte Kosten für eine nachträglich von der Stiftung übernommene Altlastenbeseitigung geltend.

In den Revisionsverfahren wandten sich die Angeklagten gegen ihre Verurteilungen. Die Staatsanwaltschaft beanstandete den Teilfreispruch des Prokuristen sowie die Strafzumessung und die Nichtanordnung des Verfalls betreffend den Bauunternehmer.

Der 5. (Leipziger) Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat die Verurteilungen der Geschäftsführer der GWG überwiegend bestätigt und seine Rechtsprechung zur Untreue im Zusammenhang mit Korruption fortentwickelt: Kommt es durch Schmiergeldzahlungen zur Ausschaltung des marktwirtschaftlichen Wettbewerbs, werden dadurch regelmäßig überhöhte Preise erzielt; ein Vermögensnachteil für das geschädigte Unternehmen wird zumindest in Höhe derjenigen Rechnungsposten bestehen, die sachfremd sind oder sich unter Wettbewerbsbedingungen nicht ohne weiteres durchsetzen lassen. Dies betraf vorliegend die vom Bauunternehmer an den ehemaligen Oberamtsanwalt gezahlten erheblichen Provisionen in Millionenhöhe.

Nur in den beiden die Grundstücksankäufe betreffenden Untreuefällen hat der Bundesgerichtshof die Verurteilungen beanstandet. In einem der Fälle, der zugleich den Prokuristen der GWG betrifft, hat der Bundesgerichtshof die Angeklagten freigesprochen, in dem zweiten Fall die Strafzumessung bemängelt. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen die Teilfreisprüche bei dem Prokuristen der GWG hat nur insoweit Erfolg, als dieser Angeklagte vom Vorwurf - eher geringfügiger – Steuerhinterziehungen freigesprochen wurde. Die Revision des Bauunternehmers hat der Bundesgerichtshof ebenso verworfen wie die gegen diesen Angeklagten gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft; lediglich den gegen das Bauunternehmen selbst angeordneten Verfall hat der Bundesgerichtshof aufgehoben.

Nachdem der Senat mit Urteil vom 9. Mai 2006 (5 StR 453/05 – dazu Pressemitteilung Nr. 72/06 vom 9. Mai 2006) bereits eine Grundsatzentscheidung zur Frage der Strafbarkeit der Bestechung von Mitgliedern kommunaler Volksvertretungen getroffen hatte, entfiel damit die Notwendigkeit, wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfragen über die Revisionen der Stiftungsvorstände nach einer öffentlichen Hauptverhandlung durch Urteil zu entscheiden. Insoweit hat der Senat die betreffenden Urteile mit Beschluss vom heutigen Tage teilweise aufgehoben.

In allen Verfahren hat der Senat von einer Entscheidung über die im Strafverfahren erhobenen Schadensersatzklagen der geschädigten Stiftungen und der GWG mit Blick auf die erfolgten Teilaufhebungen und nicht hinreichend geklärte zivilrechtliche Haftungsvoraussetzungen abgesehen. Die Geschädigten können ihre Ansprüche nunmehr im Zivilrechtswege verfolgen.

Das Landgericht wird auf der Grundlage der rechtskräftigen Schuldsprüche neue Strafen zu verhängen, das Geschehen im Hinblick auf die Stiftungsvorstände unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Strafbarkeit nach § 108e StGB (Abgeordnetenbestechung) zu prüfen und über die angeklagten Steuerhinterziehungsdelikte des Prokuristen zu befinden haben.

Urteile vom 29. Juni 2006 – 5 StR 482 bis 485/05

Beschlüsse vom 29. Juni 2006 – 5 StR 76 und 77/06

Landgericht Wuppertal – Urteile vom 14. November 2003, 17. Dezember 2003,

27. April 2004, 26. Mai 2004, 15. Juni 2004 und 29. Juni 2004 - 211 Js 370/99 26 KLs 14/02 VI

Karlsruhe, den 29. Juni 2006

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