Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 80/2006

Sehr geehrte Damen und Herren,

folgenden Terminhinweis möchten wir bekannt geben:

Verhandlungstermin: 6. September 2006

2 StR 499/05

Landgericht Wiesbaden (6 Js 320.4/00 16 KLs)

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt über die Revisionen der Angeklagten Kanther und Weyrauch gegen das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 18. April 2005, durch das der Angeklagte Kanther wegen Untreue zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten mit Bewährung, der Angeklagten Weyrauch wegen Beihilfe hierzu zu einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen zu je 170,- Euro verurteilt worden sind.

Der Angeklagte Kanther war von 1970 bis 1987 Landesgeschäftsführer, von 1991 bis 1998 Landesvorsitzender der CDU Hessen. Nach den Feststellungen des Landgerichts verfügte der Landesverband im Jahr 1983 über Geldvermögen in Höhe von 22 Mio. DM, das in dem offiziellen Rechnungswerk der CDU nicht enthalten war und dessen Herkunft das Landgericht nicht aufklären konnte. Um es vor dem staatlichen Zugriff im Zusammenhang mit der damaligen „Flick-Spenden-Affäre“ in Sicherheit zu bringen und der CDU Hessen zu erhalten, transferierten die Angeklagten im Zusammenwirken mit dem gesondert verfolgten Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg (nachfolgend: Prinz Wittgenstein), der bis 1998 das Amt des Schatzmeisters der CDU Hessen innehatte, das Geldvermögen auf ein verschleiertes Treuhandkonto in der Schweiz. Der Angeklagte Weyrauch übernahm hierbei die Funktion eines Treuhänders. Der Treuhandvertrag wurde vom Angeklagten Kanther für die CDU Hessen mit ihm geschlossen und gegenüber den Führungsgremien und den Mitgliedern der Partei geheim gehalten. Bis zum Jahr 1993 verwaltete der Angeklagte Weyrauch das Treuhandkonto vereinbarungsgemäß; hierbei wurden durch Geldanlagen teilweise auch erhebliche Gewinne erwirtschaftet. Auf jeweilige Anforderung des Angeklagten Kanther transferierte der Angeklagte Weyrauch erhebliche Beträge auf Konten der CDU Hessen zurück, indem er sie bar abhob und über verschleierte Drittkonten an die CDU überwies. Der Angeklagte Kanther wandte diese Beträge sodann nach seinem Ermessen Teilorganisationen der Partei zu, insbesondere im Zusammenhang mit der Finanzierung von Wahlkämpfen und sonstigen politischen Kampagnen. Im Jahre 1993 überführte der Angeklagte Weyrauch in Absprache mit Prinz Wittgenstein die in der Schweiz befindlichen Guthaben auf Konten einer zu diesem Zweck in Liechtenstein gegründeten Stiftung (Stiftung „Zaunkönig“). Hintergrund dieser Neuordnung war die zum 1. Januar 1994 in Kraft tretende Neufassung des Parteiengesetzes, von der die Angeklagten verschärfte Kontrollen des Rechnungswerks der Parteien befürchteten. Der Angeklagte Kanther hatte von der Übertragung an die Stiftung Kenntnis.

Gegenstand der Verurteilung wegen Untreue bzw. Beihilfe zur Untreue sind, nachdem die früheren Handlungen durch Teileinstellungen ausgeschieden wurden, nur Handlungen der Angeklagten ab dem Jahr 1994. Nach den Feststellungen des Landgerichts lief das schon ab 1983 praktizierte System verdeckter Finanzierung weiter. In drei Fällen wurden erhebliche Geldbeträge, die aus dem Vermögen der Stiftung „Zaunkönig“ stammten, von dem Angeklagten Weyrauch und dem gesondert verfolgten Prinz Wittgenstein in verschleierter Form an die CDU Hessen geleitet, indem sie als angebliche Vermächtnisse anonymer Erblasser ausgegeben wurden. Der Angeklagte Kanther wirkte ab 1994 an der Vorlage und Verabschiedung von Haushaltsplänen und Rechenschaftsberichten mit, die nach seiner Kenntnis unrichtig waren, weil in ihnen das in der Liechtensteinischen Stiftung verborgene Vermögen nicht aufgeführt war. Der Angeklagte Weyrauch wirkte als Treuhänder an zahlreichen Geldtransfers mit, übernahm als Stiftungsbeirat die Verwaltung des Stiftungsvermögens und nahm wider besseres Wissen die Testate für die jährlich abgegebenen unrichtigen Rechenschaftsberichte vor. Eine persönliche Bereicherung der Angeklagten hat das Landgericht nicht festgestellt. Soweit Gelder zurückgeflossen sind, wurden diese für Parteizwecke verwendet.

Nach Ansicht des Landgerichts traf den Angeklagten Kanther in seiner Funktion eine Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der Partei, die die rechtliche Form eines nicht rechtsfähigen Vereins hat. Durch die von ihm als Täter vorgenommene pflichtwidrige Verschleierung des Parteivermögens vor den Organen der Partei sei dem Landesverband Hessen und dem Bundesverband der CDU ein Nachteil im Sinne eines Gefährdungsschadens entstanden. Der Angeklagte Weyrauch, den selbst keine Vermögensbetreuungspflicht traf, habe hierzu Beihilfe geleistet. Die schadensgleiche Gefährdung habe sich daraus ergeben, dass nur die beiden Angeklagten und der gesondert verfolgte Prinz Wittgenstein von den Geldern wussten. Der Landesverband habe aufgrund falscher Haushaltspläne über die Gelder nicht verfügen können. Der Bundespartei, in deren jährliche Rechenschaftsberichte gegenüber dem Präsidenten des Deutschen Bundestags das falsche Rechnungswerk des Landesverbands Hessen jeweils einging, habe aufgrund der Abgabe falscher Rechenschaftsberichte der Verlust der staatlichen Parteienfinanzierung gedroht, dem Landesverband die Gefahr eines Regresses durch die Bundespartei. Tatsächlich wurde dem CDU-Bundesverband durch Bescheid des Bundestagspräsidenten vom 14. Februar 2000 später ein Betrag von rund 41 Mio. DM an staatlicher Mittelzuwendung versagt; der Landesverband Hessen geriet durch die erforderlichen Ausgleichszahlungen in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten, die Sonderumlagen bei den Parteimitgliedern erforderlich machten.

Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts stützen sich auf eine Reihe von Verfahrensrügen sowie auf die Sachrüge. Mit dieser machen sie insbesondere geltend, es sei dem zu betreuenden Vermögen der Partei kein Schaden entstanden. Das festgestellte Verhalten habe zwar gegen das Parteiengesetz verstoßen und sei politisch falsch gewesen; es habe sich aber nicht um strafbare Untreue gehandelt.

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