Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 30/2005

Bundesgerichtshof entscheidet über Prospekthaftungsansprüche nach § 20 des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften

Der für das Bank- und Börsenrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hatte über Prospekthaftungsansprüche nach § 20 des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften a.F. (KAGG) zu entscheiden.

Die Kläger erwarben in der Zeit von April bis September 2000 Anteile an dem Julius Bär Creativ-Fonds, den die beklagte Kapitalanlagegesellschaft im Dezember 1999 aufgelegt hatte. Nach einem starken Kursverfall der Anteilscheine vertreten die Kläger die Auffassung, der von der Beklagten gemäß § 19 KAGG herausgegebene Verkaufsprospekt sei unrichtig und unvollständig, und zwar u.a. deshalb, weil er nicht auf den beabsichtigten Investitionsschwerpunkt im "Neuen Markt" hingewiesen habe. Sie nehmen die Beklagte auf Erstattung der für den Erwerb der Anteilscheine gezahlten Beträge in Anspruch.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Zur Begründung hat das Berufungsgericht ausgeführt, die Beschreibung der Anlageziele und der Anlagepolitik in dem Prospekt entspreche den Anforderungen des § 19 KAGG. Der Prospekt vermittele den Gesamteindruck, daß es sich bei dem Fonds um eine sehr riskante Anlage handele, die erheblicher Spekulation unterliege. Er enthalte eine Beschreibung der Anlageziele und der Anlagepolitik, die einer wesentlichen Investition in den "Neuen Markt" entspreche. Der durchschnittliche Anleger könne dem Prospekt entnehmen, daß für die Anlage des Sondervermögens die Innovationsfähigkeit sowie die Wachstums- und Zukunftschancen einzelner Unternehmen und Branchen von erheblicher Bedeutung seien. Die Bezeichnung "Neuer Markt" habe in den Prospekt nicht ausdrücklich aufgenommen werden müssen, da nicht feststellbar sei, daß die Beklagte ihre Anlagepolitik auf Dauer auf den "Neuen Markt" habe konzentrieren wollen. Daß der Fonds im Jahr 2000 zu 53,91% und im Mai 2001 zu ca. 70% in Werte des "Neuen Marktes" investiert habe, genüge dafür nicht, weil die Zusammensetzung des Fonds sich in der Zwischenzeit grundlegend gewandelt habe. Investitionsschwerpunkte seien heute neben dem Nasdaq asiatische Märkte und nicht der Tec-Dax, wie es bei einer Festlegung auf deutsche Innovations- und Technologiewerte nach Schließung des Neuen Marktes zu erwarten gewesen wäre.

Der Bundesgerichtshof hat die Revision gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts zurückgewiesen. Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts enthält der Verkaufsprospekt keine unrichtigen oder unvollständigen Angaben, die für die Beurteilung der Anteilscheine von wesentlicher Bedeutung sind. Er bringt insbesondere zum Ausdruck, daß die Anlagepolitik der Beklagten auch den Erwerb am "Neuen Markt" gehandelter Aktien umfaßt, und bezeichnet als Kriterien für die Anlage des Sondervermögens die wesentlichen Eigenschaften und besonderen Risiken der am "Neuen Markt" gehandelten Aktien. Ein ausdrücklicher Hinweis auf einen schwerpunktmäßigen Erwerb am "Neuen Markt" gehandelter Aktien und die mit dieser (teilweisen) Konzentration auf ein Marktsegment verbundenen Risiken war rechtlich nicht geboten, weil das Berufungsgericht eine dauerhaft beabsichtigte Beschränkung auf den "Neuen Markt" nicht festgestellt hat. Diese tatrichterliche Würdigung hatte der Bundesgerichtshof seinem Urteil zugrunde zu legen. Andere Einwendungen gegen den Prospekt waren aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht zu prüfen.

Urteil vom 22. Februar 2005 - XI ZR 359/03

(OLG Frankfurt am Main - 8 U 24/03 ./. LG Frankfurt am Main - 2-21 O 15/02)

Karlsruhe, den 22. Februar 2005

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