Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 49/2005

Frankfurter Urteil gegen Zuhälterring rechtskräftig

Das Landgericht Franfurt am Main hatte mit Urteil vom 1. Dezember 2003 den Angeklagten R.-K. - neben weiteren Angeklagten - wegen Zuhälterei in Tateinheit mit Verschaffen von falschen amtlichen Ausweisen in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Menschenhandel, und wegen Beihilfe zur Zuhälterei in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Nach den Feststellungen vermittelte ein Zuhälterring um den Mitangeklagten L., dem der Angeklagte R.-K. ebenfalls angehörte, Ausländerinnen im Rotationsprinzip an verschiedene Bordelle, Saunaclubs oder Begleitserviceunternehmen in Hessen. Von den den Prostituierten nach Abzug der Anteile der Bordelle verbleibenden Einnahmen beanspruchte L. die Hälfte. Darüber hinaus mußten die Frauen für weitere Dienstleistungen wie Unterkunft oder gefälschte Pässe überhöhte Vergütungen an L. zahlen. Der Angeklagte R.-K. vereinnahmte in zwei Fällen von Prostituierten, die aufgrund eines von ihm vorgetäuschten „Liebesverhältnisses“ für ihn arbeiteten, deren Einnahmen ganz oder in wesentlichen Teilen. In einem der Fälle hatte er eine 18jährige Frau außerdem dazu gebracht, die Prostitution aufzunehmen. In drei weiteren Fällen „kassierte“ er für den Mitangeklagten L. mindestens 50 % des den Prostituierten verbleibenden Lohns bzw. fuhr die Frauen zu ihren jeweiligen Arbeitsstellen. Gegen den die Haftfortdauer anordnenden Beschluß des Landgerichts hatte der Angeklagte Beschwerde eingelegt, die durch das Oberlandesgericht Frankfurt am Main verworfen worden war. Hiergegen hat der Angeklagte Verfassungsbeschwerde erhoben, die zur Aufhebung der Haftfortdauerentscheidung des Oberlandesgerichts durch das Bundesverfassungsgericht führte. Daraufhin nahmen die Staatsanwaltschaft und die Nebenkläger ihre Revisionen gegen die Mitangeklagten zurück.

Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision des Angeklagten R.-K. hat der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs am 15. März 2005 als offensichtlich unbegründet verworfen.

Nachdem in dem Verfahren, das sich gegen insgesamt elf Angeklagte richtete, sieben der insgesamt acht von der Staatsanwaltschaft und den Nebenklägern eingelegten Revisionen zurückgenommen worden waren, konnte der Senat über die Revision des Angeklagten R.-K., die nicht zur Hauptverhandlung anstand, bereits jetzt beraten und entscheiden. Weder der Schuldspruch noch der Strafausspruch waren rechtlich zu beanstanden. Bei der Prüfung war zu berücksichtigen, daß durch das 37. Strafrechtsänderungsgesetz (vom 11. Februar 2005; in Kraft seit dem 19. Februar 2005) der Tatbestand des Menschenhandels gemäß § 180 b StGB aufgehoben und durch die im konkreten Einzelfall schärfere Nachfolgeregelung des § 232 StGB ersetzt wurde; der Schuldspruch hatte jedoch Bestand, da der zur Tatzeit geltende § 180 b StGB als milderes Recht anzuwenden war (§ 2 Abs. 3 StGB).

Es gab keinen Anlaß zur Aufhebung des Strafauspruchs, weil eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung, die eine Strafmilderung nach sich zieht, nicht vorlag.

Ein derartiger Verstoß ist durch den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Februar 2005 (2 BvR 109/05) nicht festgestellt. Zum einen befaßt sich dieser Beschluß nicht entscheidungserheblich mit dem Problem einer Strafmilderung, sondern mit Fragen der Haftfortdauer (u.a. §§ 120, 121 StPO), zum anderen ging das Bundesverfassungsgericht bei seinen Berechnungen davon aus, daß der Senat erst am 15. Juni 2005 über alle Revisionen entscheiden würde und nicht wie jetzt bereits am 15. März 2005 über die Revision des Angeklagten. Nach der Rechtsprechung des EGMR und des Bundesverfassungsgerichts sind die durch Justizorgane verursachten Verfahrensverlängerungen, die Gesamtdauer des Verfahrens, die Schwere des Tatvorwurfs, der Umfang und die Schwierigkeit des Verfahrensgegenstands sowie das Ausmaß der mit der Dauer des schwebenden Verfahrens für den Betroffenen verbundenen besonderen Belastungen von Bedeutung. Entscheidend ist, ob das Verfahren insgesamt in angemessener Frist verhandelt worden ist. Eine gewisse Untätigkeit in einzelnen Verfahrensabschnitten führt dann nicht zu einer Verletzung des Art. 6 Abs. 1 MRK, wenn dadurch die Gesamtdauer des Verfahrens nicht unangemessen lang wird. Nach diesen Grundsätzen schied ein zur Strafmilderung führender Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK aus. Dabei war insbesondere zu berücksichtigen, daß die - von Amts wegen zu prüfende - 255 Seiten umfassende Anklageschrift elf Beschuldigte betraf, denen in wechselnder Beteiligung insgesamt 26, teilweise schwerwiegende, Taten vorgeworfen wurden. Zum Zeitpunkt der Terminierung durch den Bundesgerichtshof lagen vier Revisionen der Staatsanwaltschaft, vier Revisionen von Nebenklägern sowie die Revision des Angeklagten R.-K. vor, die eine umfassende Überprüfung des gesamten Sachverhalts schon im Hinblick auf § 301 StPO und § 357 StPO erforderten. Hinzu kam die am 19. Februar 2005 in Kraft getretene Neuregelung durch das 37. Strafrechtsänderungsgesetz. In Anbetracht dieser Umstände liegt keine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung vor. Darüber hinaus sind die ausgeworfenen Einzelstrafen und die Gesamtstrafe ohne weiteres tat- und schuldangemessen (§ 354 Abs. 1 a und 1 b StPO).

Nachdem am 15. März 2005 auch die Revision der Staatsanwaltschaft zu Lasten des Angeklagten R.-K. zurückgenommen wurde, ist das Urteil nunmehr insgesamt rechtskräftig.

Beschluß vom 15. März 2005 – 2 StR 320/04

LG Frankfurt am Main – 63/80 Js 10 666/99 (2/2003) 5/6 KLs

Karlsruhe, den 16. März 2005

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