Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 95/2004

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit möchten wir Sie auf folgenden Termin hinweisen:

Verhandlungstermin: 17. September 2004

V ZR 339/03

LG Dresden - 6 O 3261/02 ./. OLG Dresden - 11 U 737/03

Den beklagten Eheleuten wurde 1984 durch den damaligen Rat der Stadt Dresden ein dingliches Nutzungsrecht an einem volkseigenen Grundstück verliehen, das sie berechtigte, darauf ein Eigenheim zu errichten, was sie auch taten. Als die DDR noch vor den ersten freien Wahlen mit dem Gesetz über den Verkauf volkseigener Gebäude vom 7. März 1990 den Verkauf auch von Grundstücken zu den damals geltenden sog. Stopppreisen zuließ, stellten sie – wie Tausende andere Bürger auch - bei dem Rat der Stadt Dresden einen Kaufantrag, der aber zunächst nicht beschieden wurde. Nach rechtskräftiger Abweisung für das Grundstück von dritter Seite gestellter Rückübertragungsansprüche nach dem Vermögensgesetz teilte die Stadt Dresden den beklagten Eheleuten im August 1996 mit, sie wolle ihrem Kaufantrag nunmehr zu den bei Antragstellung geltenden Bedingung, also zu dem Stopppreis, entsprechen. Im September 1996 verkaufte die Stadt Dresden den beklagten Eheleuten das Grundstück für 4250 DM. Diese verpflichteten sich, bei einem Verkauf in den nächsten 20 Jahren einen Mehrerlös in gestaffelter Höhe an die Stadt Dresden abzuführen. Dieser Vertrag wurde im Januar 1998 im Grundbuch vollzogen. Entsprechend den Vorschriften des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes gaben die beklagten Eheleute dabei ihr dingliches Nutzungsrecht an dem Grundstück auf.

In der Folgezeit überprüfte das Regierungspräsidium in Dresden diesen und 145 andere Kaufverträge, die die Stadt Dresden mit Bürgern geschlossen hatte, die einen Kaufantrag nach dem Verkaufsgesetz vom 7. März 1990 gestellt hatte. Im Jahre 2001 beanstandete sie diese Verträge wegen der extrem niedrigen Preise. Es hält alle diese Verträge für sittenwidrig und forderte die Stadt Dresden auf, die Rückabwicklung dieser Verträge zu betreiben. Dazu hat diese ein Musterverfahren gegen die beklagten Eheleute eingeleitet und diese auf Bewilligung der Grundbuchberichtigung, hilfsweise auf Rückübereignung des Grundstücks verklagt. Ziel ist es, von den beklagten Eheleuten einen höheren Preis, nämlich den halben Bodenwert nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz zu erhalten.

Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen und sich dabei entscheidend auf die Vorgeschichte dieses und vieler anderer sog. Modrowkäufe gestützt. Damit hat es folgende Bewandtnis:

Auf Grund des Verkaufsgesetzes vom 7. März 1990 wurden damals nicht nur der Rat der Stadt Dresden, sondern alle Räte der Kreise und Städte mit Kaufgesuchen geradezu überschüttet. Sie arbeiteten diese Anträge aber nicht nach der Reihenfolge ihres Eingangs oder anderen sachlich nachvollziehbaren Kriterien, sondern völlig willkürlich ab. So kam es, daß bei Freigabe der Preise am 1. Juli 1990 überall zahlreiche Kaufgesuche, auch wenn sie spät gekommen waren, erledigt wurde, die große Masse dieser Gesuche aber unerledigt blieb, ohne dass dafür ein Grund erkennbar war. Die am 17. Mai 1990 gebildeten Kommunen in den neuen Ländern waren jetzt zwar nicht rechtlich verpflichtet, diese eklatante Ungleichbehandlung auszugleichen. Sie konnten andererseits die Mehrzahl der Grundstücke nur an die Nutzer verkaufen, weil diese, wie die beklagten Eheleute, dingliche Nutzungsrechte hatten. Wegen dieser Nutzungsrechte wurde der Wert dieser Grundstücke gering eingeschätzt und ein Verkauf zu den Stopppreisen nach wie vor für gerechtfertigt gehalten. In Sachsen erlaubte der damalige Staatsminister des Innern dies ausdrücklich. In zahlreichen Fällen kam es daraufhin zu einem solchen Verkauf. In zahlreichen anderen Fällen war ein Verkauf dagegen nicht möglich, weil, wie auch im Fall der beklagten Eheleute, zunächst zu klären war, ob angemeldete Rückübertragungsansprüche nach dem Vermögensgesetz begründet waren. Das führte bei den Nutzern zu einer neuen Schwierigkeit, bei denen die Rückübertragungsansprüche nicht bis zum Inkrafttreten des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes am 1. Oktober 1994 erfolgte. Denn danach konnten die Kommunen von Nutzern mit dinglichen Nutzungsrechten den halben Bodenwert verlangen. Den Kommunen jedenfalls in Sachsen wurde aber dennoch der Verkauf auch zu den Stopppreisen erlaubt, wenn die Nutzer noch unter Geltung dieser Stopppreise, also bis zum 30. Juni 1990, einen Kaufantrag gestellt hatten. In Thüringen wurde diese Möglichkeit 1997 auch gesetzlich vorgesehen. Die Stadt Dresden entschloß sich deshalb im Jahre 1995 zur Fortsetzung des Verkaufs zu den Stopppreisen, wenn der Antragsteller über ein dingliches Nutzungsrecht verfügte und den Antrag bis zum Ablauf des 30. Juni 1990 gestellt hatte. Im April 1996, also einige Monate vor dem Verkauf an die beklagten Eheleute, änderte das sächsische Staatsministerium des Innern seines Praxis und ließ einen weiteren Verkauf nur noch zu, wenn die die Kommunen ihre Mindereinnahme haushaltsrechtlich ausglichen. Die Stadt Dresden verkaufte trotzdem. Das war möglich, weil ihr das Grundstück noch nicht förmlich zugeordnet war und sie deshalb nach Bundesrecht ohne Erlaubnis der Aufsichtsbehörde verkaufen konnte.

Der Bundesgerichtshof muß jetzt entscheiden, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen solche „späten Modrowverkäufe“ wie der an die verklagten Eheleute unter dem Gesichtspunkt einer sittenwidrigen Schädigung der Allgemeinheit (Verschleuderung von Staatsvermögen?) nichtig sind.

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