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Pressemitteilungen » Pressemitteilungen aus dem Monat Juni 2004 » Pressemitteilung Nr. 73/04 vom 24.6.2004

Siehe auch:  Urteil des 5. Strafsenats vom 24.6.2004 - 5 StR 306/03 -, Beschluss des 5. Strafsenats vom 4.5.2004 - 5 StR 306/03 -

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Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle

 

 

Nr. 73 /2004

 

 

Urteil im Fall "La Belle" rechtskräftig

 

Der 5. (Leipziger) Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat die Revisionen gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 13. November 2001 verworfen. Das Landgericht hatte nach vierjähriger Hauptverhandlung die Angeklagte Verena C. wegen gemeinschaftlich begangenen dreifachen Mordes, 104-fachen versuchten Mordes und vorsätzlicher Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion sowie die Angeklagten Ali C., Yasser Chr. und Musbah E. wegen Beihilfe hierzu zu Freiheitsstrafen zwischen 12 und 14 Jahren verurteilt; die Angeklagte Andrea H. hatte es freigesprochen.

Nach den Feststellungen explodierte in den frühen Morgenstunden des 5. April 1986 in der in Berlin-Friedenau gelegenen und zu dieser Zeit überwiegend von US-Soldaten besuchten Diskothek "La Belle" eine Bombe. Durch die Explosion wurden drei Menschen getötet, zahlreiche weitere Besucher sowie Angestellte des Lokals erlitten Verletzungen. Libysche Dienststellen hatten vor dem Hintergrund damals zunehmender Spannungen zwischen den USA und Libyen das in Ost-Berlin gelegene "Libysche Volksbüro" (die für die DDR zuständige libysche Auslandsvertretung) beauftragt, in Deutschland Anschläge gegen amerikanische Einrichtungen zu begehen. Verena C. ist als Mittäterin verurteilt worden, weil sie – in Begleitung ihrer Schwester Andrea H. – die Bombe eigenhändig in die Diskothek transportiert und dort den Zündmechanismus ausgelöst hatte. Ali C., Yasser Chr. und Musbah E. sind im Hinblick auf ihre Tatbeiträge im Vorfeld des Anschlags wegen Beihilfe verurteilt worden. Andrea H. wurde freigesprochen, weil ihr eine vorherige Kenntnis von dem Anschlag nicht nachzuweisen war.

Staatsanwaltschaft und Nebenkläger wandten sich unter anderem dagegen, daß nicht das weitere Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe bejaht worden ist, daß Ali C., Yasser Chr. und Musbah E. nur als Gehilfen, nicht als Mittäter verurteilt worden sind und daß Verena C. eine erhebliche Verminderung in ihrer Steuerungsfähigkeit strafmildernd zugute gehalten worden ist. Diese Beschwerdeführer erstrebten letztlich eine Verurteilung der Angeklagten zu lebenslangen Freiheitsstrafen. Auch die verurteilten Angeklagten hatten Revisionen eingelegt.

Sämtliche Revisionen waren erfolglos. Die Annahme des Landgerichts, daß die Angeklagten lediglich im Vorfeld des Anschlags Tatbeiträge geleistet haben und im Hinblick hierauf wegen Beihilfe zu verurteilen sind, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Wertung des Tatrichters bei der Abgrenzung zwischen Täterschaft und Beihilfe ist im Revisionsverfahren nur eingeschränkt überprüfbar. Der Senat hat auch die Zubilligung erheblich verminderter Schuldfähigkeit bei Verena C. nicht beanstandet.

Im Gegensatz zum Landgericht hat der Bundesgerichtshof allerdings entschieden, daß derjenige, der aus terroristischen Motiven gezielt an der politischen Auseinandersetzung unbeteiligte Dritte durch einen Sprengstoffanschlag tötet, aus niedrigen Beweggründen handelt. Damit ist neben den vom Landgericht angenommenen Mordmerkmalen "Heimtücke" und Tötung "mit gemeingefährlichen Mitteln" ein weiteres Mordmerkmal erfüllt. Gleichwohl hat der Senat das Urteil des Landgerichts Berlin aufrecht erhalten. Er hat ausgeschlossen, daß sich die Annahme eines weiteren Mordmerkmals angesichts des erheblichen Zeitablaufs auf die ohnehin nahe der Obergrenze von 15 Jahren liegenden Strafen auswirken könnte.

Die übrigen gegen das Urteil erhobenen Rügen hat der Senat ebenfalls als unbegründet zurückgewiesen. Damit ist das Urteil rechtskräftig.

Der Senat verkennt nicht, daß insbesondere aus der Perspektive der teilweise erheblich verletzten und schwer betroffenen Opfer die Verhängung nur zeitiger Freiheitsstrafen – die der schwierigen Beweis- und Rechtslage geschuldet ist – nicht leicht nachzuvollziehen sein mag. Dies gilt umso mehr, als eine andere Entscheidung des Landgerichts gleichermaßen vertretbar zu begründen und damit aus revisionsrechtlicher Sicht ebenfalls hinzunehmen gewesen wäre. Bei allem ist aber auch zu bedenken, daß nicht die eigentlichen Haupttäter – libysche Drahtzieher und Hintermänner – vor Gericht standen.

 

 

Urteil vom 24. Juni 2004 - 5 StR 306/03

Karlsruhe, den 24. Juni 2004

Pressestelle des Bundesgerichtshofs

76125 Karlsruhe

Telefon (0721) 159-5013

Telefax (0721) 159-5501

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