Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 148/2004

 

Bundesgerichtshof bestätigt Freispruch eines ehemaligen Oberbürgermeisters der Stadt Schwerin vom Vorwurf der Untreue

Das Landgericht Schwerin hat den Angeklagten vom Vorwurf der Untreue freigesprochen. Dem Angeklagten lag zur Last, im Jahre 1996 als Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Schwerin pflichtwidrig dem dortigen Hauptamtsleiter A. einen Betrag in Höhe von DM 175.000,- als Ausgleich dafür gewährt zu haben, daß sich A. in den vorzeitigen Ruhestand versetzen ließ.

Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Verwaltungsjurist A. als Angestellter der Stadt Wuppertal in leitender Funktion beschäftigt und wurde aufgrund entsprechender Verträge ab Dezember 1990 im Rahmen der engen Städtepartnerschaft mit der Stadt Schwerin dorthin als Berater entsandt. Vereinbarungsgemäß bezahlte die Stadt Wuppertal auch weiterhin das Gehalt an A., erhielt aber von der Landeshauptstadt Schwerin für dessen Tätigkeit eine Vergütung, solange seine Dienste dort in Anspruch genommen wurden. Da der Angeklagte jedoch seit 1995 den A. aus fachlichen und gesundheitlichen Gründen nicht mehr für geeignet hielt, seine dienstlichen Aufgaben zu erfüllen, die Stadt Wuppertal ihrerseits aber zu erkennen gab, daß sie für A. keine adäquate Einsatzmöglichkeit habe, kam es schließlich zu einer Vereinbarung zwischen dem inzwischen 60-jährigen A. und den beteiligten Städten, nach der die Stadt Wuppertal bei einer vorzeitigen Versetzung des A. in den Ruhestand sämtliche Versorgungslasten übernahm und die durch den Angeklagten vertretene Stadt Schwerin sich zur Zahlung von 175.000.- DM als Abfindung verpflichtete. Dieser Betrag errechnete sich aus der Differenz zwischen den bei Eintritt in den Ruhestand durch die Stadt Wuppertal zu leistenden Versorgungsbezügen und den Bezügen, die A. bei seiner weiteren aktiven Beschäftigung bis zu seinem 65. Lebensjahr erhalten hätte. Nach der Versetzung des A. in den vorzeitigen Ruhestand veranlaßte der Angeklagte die Auszahlung der zugesagten Abfindung.

Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten nicht als pflichtwidrig im Sinne des Untreuetatbestands gewertet, da er unter angemessener Berücksichtigung der Belange der Landeshauptstadt Schwerin – insbesondere im Hinblick auf ihre städtepartnerschaftliche Beziehung zur Stadt Wuppertal und das Risiko eines arbeitsgerichtlichen Prozesses – den ihm als Oberbürgermeister eröffneten Beurteilungsspielraum noch nicht überschritten habe.

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat die Revision der Staatsanwaltschaft, die eine Aufhebung des freisprechenden Urteils erstrebt, verworfen. Er hat im Ergebnis die Auffassung des Landgerichts bestätigt, daß der Angeklagte in Anbetracht der gegebenen besonderen Umstände nicht pflichtwidrig gehandelt hat. Insbesondere mußte damit gerechnet werden, daß nach den damals maßgeblichen Bestimmungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und der hierzu ergangenen höchstrichterlichen arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung ein Arbeitsverhältnis zwischen der Stadt Schwerin und A. bejaht worden wäre, aufgrund dessen die Stadt Schwerin unter Umständen zu weitaus höheren Zahlungen als der geleisteten Abfindung verpflichtet gewesen wäre. Angesichts dieses Risikos lag die Zahlung der Abfindung noch im Rahmen des dem Angeklagten als Oberbürgermeister der Stadt Schwerin zustehenden Beurteilungsspielraums.

Urteil vom 9. Dezember 2004 – 4 StR 294/04

Karlsruhe, den 9. Dezember 2004

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