Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 119/2004

Urteil gegen zwei deutsche Führungskader der PKK

im wesentlichen bestätigt

Das Oberlandesgericht Celle hatte zwei Angeklagte, die im Zeitraum von Mai 2000 bis März 2002 Gebietsverantwortliche der PKK in Deutschland waren, wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung (§ 129 Abs. 1 StGB) zu Freiheitsstrafen verurteilt. Auf die Revision eines der Angeklagten hat der für Staatsschutzsachen zuständige 3. Strafsenat des Bundesgerichtshof das Urteil im Schuldspruch bestätigt, jedoch den Strafausspruch aufgehoben.

Schwerpunkt des Revisionsverfahrens war die Auslegung des § 129 Abs. 1 StGB. Die Vorschrift stellt die Beteiligung an Vereinigungen unter Strafandrohung, „deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Straftaten zu begehen.“ Diese Voraussetzung hatte die aus den Mitgliedern der Führungsebene der PKK in Deutschland gebildete Vereinigung, der als Gebietsverantwortliche auch die Angeklagten angehörten, nach der Rechtsprechung der Staatsschutzsenate der Oberlandesgerichte und des Bundesgerichtshofs in der Zeit vor dem hier zu beurteilenden Tatzeitraum in dreifacher Hinsicht erfüllt: Im Rahmen der Tätigkeit des sogenannten Heimatbüros, das sich unter anderem auch der Versorgung verwundeter Guerillakämpfer in Europa annahm, wurden die Führungskader der PKK für deren Reisen in Europa mit falschen Papieren und Aufenthaltserlaubnissen ausgestattet. Im Rahmen des Bestrafungssystems, das sich die PKK gegenüber in Deutschland lebenden Kurden anmaßt, veranlaßten sie die Begehung von Straftaten wie Bedrohung, Freiheitsberaubung und Körperverletzung. Der dritte Bereich betraf die Begehung demonstrativer Gewaltstraftaten wie etwa der gewaltsamen Besetzung von Konsulaten.

Soweit es diesen Bereich demonstrativer Gewaltstraftaten anbelangt, hat das Oberlandesgericht für den in Frage stehenden Tatzeitraum (Mai 2000 bis März 2002) eine Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse festgestellt. Es hat ausgeführt, daß die PKK im Januar 2000 verkündet habe, ihre Ziele fortan mit politischen und friedlichen Mitteln zu verfolgen, und daß sich demonstrative Gewaltstraftaten auch tatsächlich nicht mehr ereignet hätten. Gleichwohl waren nach Auffassung des Oberlandesgerichts die Zwecke der aus der deutschen Führungsebene der PKK gebildeten kriminellen Vereinigung auch nach dem Kurswechsel auf die Begehung demonstrativer Gewaltstraftaten gerichtet: Denn die PKK habe sich - wie das Oberlandesgericht weiter festgestellt hat und worauf es abstellt - für den Fall einer maßgeblichen Verschlechterung ihrer Lage die Rückkehr zu solchen Delikten vorbehalten. Das reiche für die Anwendung des Tatbestandes aus.

Diese Auslegung des § 129 Abs. 1 StGB hat der Bundesgerichtshof nicht bebilligt. Eine Vereinigung ist nur dann im Sinne der Strafnorm auf die Begehung von Gewalttaten gerichtet, wenn dies ihr verbindlich festgelegtes Ziel ist. Ein Zusammenschluß, der seine Ziele mit friedlich-politischen Mitteln verfolgt und sich die Begehung von Straftaten nur unter bestimmten Bedingungen vorbehält, von denen nicht abzusehen ist, ob und wann sie eintreten, wird von dem Tatbestand nicht erfaßt. Dementsprechend hängt die rechtliche Bewertung davon ab, ob der Friedenskurs der PKK ernsthaft gewollt war und nicht nur aus taktischen Erwägungen proklamiert wurde, um nach einer nur vorübergehenden Pause wieder zum Gewaltkurs zurückzukehren. Das hat sich indes nach den - insofern nicht widerspruchsfreien - Feststellungen des Oberlandesgerichts nicht beurteilen lassen.

Im Ergebnis hat die Verurteilung der beiden Angeklagten im Schuldspruch gleichwohl bestehen bleiben können. Denn die Führungsebene der PKK in Deutschland war - wie in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs näher ausgeführt ist - schon wegen ihrer Aktivitäten in den Bereichen „Heimatbüro“ und „Bestrafungssystem“ eine kriminelle Vereinigung. An diesen Aktivitäten hatte sich nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des angefochtenen Urteils durch den Kurswechsel nichts Wesentliches geändert.

Den Strafausspruch hat der Bundesgerichtshof aufgehoben. Er konnte nicht Bestand haben, weil das Oberlandesgericht bei der Strafzumessung strafschärfend die Ausrichtung der Führungsebene der PKK auf drei Bereiche von Straftaten berücksichtigt hat. Wegen der Strafzumessung ist die Sache an einen anderen Senat des Oberlandesgerichts zurückverwiesen worden. Dieser ist nicht gehindert, in der neuen Verhandlung Feststellungen dazu zu treffen, ob die Absage der PKK an demonstrative Gewalttaten im Rahmen des Friedenskurses ernst gemeint oder nur taktisch motiviert war.

Urteil vom 21. Oktober 2004 - 3 StR 94/04 Karlsruhe den 21. Oktober 2004

Pressestelle des Bundesgerichtshof
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501