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Pressemitteilungen » Pressemitteilungen aus dem Monat März 2003 » Pressemitteilung Nr. 32/03 vom 13.3.2003

Siehe auch:  Urteil des VII. Zivilsenats vom 13.3.2003 - VII ZR 370/98 -

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Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle

 

 

Nr. 32/2003

Bundesgerichtshof entscheidet über die Rechtsfähigkeit einer niederländischen Gesellschaft (BV) nach Verlegung ihres Ver-waltungssitzes in die Bundesrepublik Deutschland

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in einer Sache verhandelt, in der es darum geht, ob die sogenannte Sitztheorie des Internationalen Gesellschaftsrechts uneingeschränkt aufrechterhalten bleiben kann. Eine in den Niederlanden gegründete Gesellschaft (BV) hatte einen Unternehmer mit Malerarbeiten an einem in der Bundesrepublik Deutschland gelegenen Gebäude beauftragt. Wegen behaupteter Mängel hat sie ihn beim Landgericht Düsseldorf auf Zahlung von 1.163.657,77 DM nebst Zinsen als Kostenaufwand für die Beseitigung der Mängel und daraus entstandener Schäden verklagt. Die Klage war sowohl beim Land- als auch beim Oberlandesgericht erfolglos, weil die BV mittlerweile ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in die Bundesrepublik Deutschland verlegt und deshalb ihre Rechts- und Parteifähigkeit verloren habe. Der Bundesgerichtshof hat dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob diese, auf der Sitztheorie beruhende Auffassung mit der im EG-Vertrag vereinbarten Niederlassungsfreiheit vereinbar ist.

Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 5. November 2002 entschieden, es verstoße gegen Artikel 43 EG und 48 EG, wenn einer Gesellschaft, die nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet sie ihren satzungsmäßigen Sitz hat, gegründet worden ist und von der nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats angenommen wird, daß sie ihren tatsächlichen Verwaltungssitz dorthin verlegt hat, in diesem Mitgliedstaat die Rechtsfähigkeit und damit die Parteifähigkeit vor seinen nationalen Gerichten für das Geltendmachen von Ansprüchen aus einem Vertrag mit einer in diesem Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft abgesprochen werde. Mache ein Gesellschaft, die nach dem Recht des Mitgliedstaats gegründet worden ist, in dessen Hoheitsgebiet sie ihren satzungsmäßigen Sitz hat, in einem anderen Mitgliedstaat von ihrer Niederlassungsfreiheit Gebrauch, so sei dieser andere Mitgliedstaat nach den Artikeln 43 EG und 48 EG verpflichtet, die Rechtsfähigkeit und damit die Parteifähigkeit zu achten, die diese Gesellschaft nach dem Recht des Gründungsstaats besitze.

Der VII. Zivilsenat war an diese Auslegung des Gemeinschaftsrechts gebunden. Er hat es deshalb für erforderlich gehalten, die Klägerin nach deutschem internationalen Gesellschaftsrecht hinsichtlich ihrer Rechtsfähigkeit dem Recht des Staates zu unterstellen, in dem sie gegründet worden ist. Nach seiner Entscheidung ist eine Gesellschaft, die unter dem Schutz der im EG-Vertrag garantierten Niederlassungsfreiheit steht, berechtigt, ihre vertraglichen Rechte in jedem Mitgliedstaat geltend zu machen, wenn sie nach der Rechtsordnung des Staates, in dem sie gegründet worden ist und in dem sie nach einer Verlegung ihres Verwaltungssitzes in einen anderen Mitgliedstaat weiterhin ihren satzungsmäßigen Sitz hat, hinsichtlich des geltend gemachten Rechts rechtsfähig ist.

Die Parteifähigkeit der Klägerin hängt nach dem anwendbaren deutschen Prozeßrecht von der Rechtsfähigkeit ab, für die insoweit das dargestellte Personalstatut maßgebend ist.

Im Ergebnis kann die Klägerin deshalb ihre Rechte aus dem Vertrag abweichend von den Vorentscheidungen und der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor den deutschen Gerichten als niederländische BV verfolgen. Sie muß sich nicht darauf verweisen lassen, daß sie nach deutschem Recht als rechtsfähige Personengesellschaft aktiv und passiv parteifähig ist (vgl. BGH, Urteil vom 1. Juli 2000 - II ZR 380/00, BGHZ 151, 204). Denn eine derartige Verweisung würde ebenfalls einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit darstellen, wie der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs unmißverständlich entnommen werden kann, weil sie damit nämlich in eine andere Gesellschaftsform mit besonderen Risiken, wie z.B. Haftungsrisiken, gedrängt würde..

Urteil vom 13. März 2003 - VII ZR 370/98

Karlsruhe, den 13. März 2003

Pressestelle des Bundesgerichtshofs

76125 Karlsruhe

Telefon (0721) 159-422

Telefax (0721) 159-831

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