Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle

 

 

Nr. 24/2003

 

Urteil gegen KFOR-Soldaten der Bundeswehr wegen

Waffeneinfuhr aus dem Kosovo aufgehoben

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat die Verurteilung von drei Bundeswehrsoldaten wegen unerlaubter Einfuhr von Munition, Handgranatenzündern und explosivstoffhaltigem Wehrmaterial aufgehoben. Der Kompaniechef einer Pionierkompanie, ein Zugführer sowie ein Truppführer einer Einheit, die im Rahmen des KFOR-Einsatzes der Bundeswehr im Kosovo im Jahr 1999 zur Kampfmittelräumung eingesetzt waren, hatten nach den Feststellungen des Landgerichts Darmstadt ohne Genehmigung der vorgesetzten Stellen große Mengen explosivstoffhaltigen Wehrmaterials, Handgranatenzünder sowie scharfe Gefechtsmunition befehlswidrig nicht abgeliefert, sondern mit einem Bundeswehr-Transport durch eine private Spedition an ihre Heimatkaserne in Deutschland gesandt, um das Material dort und in anderen Bundeswehreinheiten zu Ausbildungszwecken zu verwenden. Das Landgericht hatte die Soldaten deswegen im Mai 2002 zu Bewährungsstrafen zwischen 7 und 11 Monaten verurteilt.

Der Bundesgerichtshof hat die Verurteilung auf die Revision der Angeklagten aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen. Der 2. Strafsenat hatte erstmals über die Frage zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen Angehörige der Bundeswehr von den Genehmigungs- und Strafvorschriften des Waffengesetzes, des Kriegswaffenkontrollgesetzes und des Sprengstoffgesetzes erfaßt werden. Diese Gesetze enthalten im wesentlichen übereinstimmende Regelungen, wonach die Vorschriften unter anderem "für die Bundeswehr" nicht gelten. Daher ist der dienstliche Umgang mit Waffen und Sprengstoffen von diesen allgemeinen Gesetzen nicht erfaßt, weil dies die Aufgabenerfüllung behindern würde und weil innerdienstliche Kontroll- und Disziplinarvorschriften die Sicherheit hinreichend gewährleisten; Verstöße gegen diese Vorschriften werden unter anderem mit Disziplinarstrafen geahndet.

Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, daß dienstlich jede Tätigkeit ist, die zum allgemeinen Aufgabenbereich des Soldaten gehört oder damit in unmittelbarem Zusammenhang steht und nach objektiven Gesichtspunkten als Diensthandlung nach außen in Erscheinung tritt sowie vom Willen getragen ist, dienstliche Aufgaben zu erfüllen. Nicht jeder Verstoß gegen Dienstvorschriften oder Befehle und nicht jedes eigenmächtige Handeln führen ohne weiteres zur Einordnung der Tätigkeit als privat. Dies steht nicht im Widerspruch zu dem Willen des Gesetzgebers, der eine ausreichende Kontrolle in bestimmten Fällen durch innerdienstliche Sicherheits- und Kontrollvorschriften gewährleistet sah und deshalb die Bundeswehr von der Anwendung des Kriegswaffenkontrollgesetzes, des Sprengstoffgesetzes und des Waffengesetzes freigestellt hat.

Das Landgericht hat demgegenüber die Voraussetzungen der Ausnahmebestimmungen des Kriegswaffenkontrollgesetzes, des Sprengstoffgesetzes und des Waffengesetzes zu eng bestimmt und damit in zu weitem Umfang innerdienstliche Verstöße von Bundeswehrangehörigen als "Privathandlungen" angesehen. Es hat auf der Grundlage dieser Rechtsansicht nicht hinreichend indiziell berücksichtigt, daß im vorliegenden Fall die Waffen und Sprengmittel den Bereich der Bundeswehr zu keinem Zeitpunkt verließen, daß die Angeklagten bei vorgesetzten Stellen – wenn auch unvollständig und zum Teil verspätet – Genehmigungen beantragt hatten und daß sie das Wehrmaterial in Deutschland zu Dienstzwecken verwenden wollten. Aus demselben Grund hat das Landgericht mögliche weitere Feststellungen unter anderem zum Aufgabenbereich der einzelnen Angeklagten und zur möglichen innerdienstlichen Genehmigungsfähigkeit ihrer Handlungen nicht getroffen. Die Sache muß daher vom Landgericht insgesamt neu verhandelt werden.

Urteil vom 19. Februar 2003 – 2 StR 371/02

Karlsruhe, den 19. Februar 2003

 

 

 

 

 

Wortlaut der gesetzlichen Vorschriften

Kriegswaffenkontrollgesetz

§ 15 Bundeswehr und andere Organe

(1) Die §§ 2 bis 4a und 12 gelten nicht für die Bundeswehr, die Polizeien des Bundes und den Zollgrenzdienst.

...

§ 22a Sonstige Strafvorschriften

(1) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer

...

4. Kriegswaffen einführt, ausführt, durch das Bundesgebiet durchführt oder sonst in das Bundesgebiet verbringt, ohne daß die hierzu erforderliche Beförderung genehmigt ist,

...

Sprengstoffgesetz

§ 1 Anwendungsbereich

...

(4) Dieses Gesetz gilt nicht für

1. die Bundeswehr, die in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Streitkräfte, die Vollzugspolizei des Bundes und der Länder, den Zollgrenzdienst sowie für die für die Kampfmittelbeseitigung zuständigen Dienststellen der Länder,

...

§ 40 Strafbarer Umgang und Verkehr sowie strafbare Einfuhr

(1) Wer ohne die erforderliche Erlaubnis

...

wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer

1. entgegen § 15 Abs. 1 Satz 1 explosionsgefährliche Stoffe einführt oder verbringt oder durch einen anderen einführen oder verbringen läßt, ohne seine Berechtigung zum Umgang mit explosionsgefährlichen Stoffen oder zu deren Erwerb nachgewiesen zu haben,

...

Waffengesetz

§ 6 Anwendungsbereich, Ermächtigungen

(1) Diese Gesetz ist auf die obersten Bundes- und Landesbehörden, die Bundeswehr und die Deutsche Bundesbank sowie auf deren Bedienstete, soweit sie dienstlich tätig werden, nicht anzuwenden, wenn es nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt. ...

...

§ 53 Strafvorschriften

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer

...

2. entgegen § 27 Abs. 1 Satz 1 Schußwaffen oder Munition, zu deren Erwerb es der Erlaubnis bedarf, einführt oder sonst in den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbringt oder durch einen anderen einführen oder verbringen läßt, ohne seine Berechtigung zum Erwerb oder zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt nachgewiesen zu haben,

...

(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 3a bis 7 oder des Absatzes 3 fahrlässig, so ist die Strafe bei Taten nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 3a bis 7 Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe, bei den Taten nach Absatz 3 Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

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