Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle

 

 

Nr. 154/2003

Bundesgerichtshof entscheidet zur Frage, ob Zuwendungen an

die Stiftung Frauenkirche Dresden der Pflichtteils-

ergänzung unterliegen

 

Die Klägerin begehrt als Alleinerbin ihres 1998 verstorbenen Vaters einen Teil der 4,7 Mio. DM zurück, die ihr Vater 1995 und 1997 der beklagten Stiftung Frauenkirche Dresden zuwandte. Dafür wurde ihm ideell die Turmspitze des Treppenhauses zugeordnet und ein entsprechender Stifterbrief ausgestellt. Außerdem bedachte er die Beklagte in seinem Testament mit einem Vermächtnis in Höhe von 300.000,- DM.

Die Klägerin hat die Beklagte auf Zahlung von rund 1,85 Mio. DM in Anspruch genommen. Zur Begründung führt sie aus, ihr Vater habe ihr nur Werte von rund 1,3 Mio. DM hinterlassen. Unter Hinzurechnung der an die Beklagte geflossenen Beträge ergebe sich ein – fiktiver – Gesamtnachlass von 6,3 Mio. DM. Ihr Pflichtteil (die Hälfte des Nachlasses) belaufe sich damit rechnerisch auf 3,15 Mio. DM. Weil es sich bei den Zahlungen zu Lebzeiten ihres Vaters um Schenkungen an die Beklagte gehandelt habe, könne sie von dieser eine sog. Pflichtteilsergänzung gemäß § 2329 Abs. 1 BGB in Höhe der Differenz zu ihrer tatsächlichen Erbschaft fordern. Die Beklagte hingegen stellt sich auf den Standpunkt, sie selbst sei nicht beschenkt worden. Die Gelder seien nicht in das Stiftungsvermögen gelangt, sondern unmittelbar dem Stiftungszweck – Wiederaufbau der Frauenkirche – zugute gekommen.

Landgericht und Oberlandesgericht (OLG) Dresden haben die Klage abgewiesen. Das OLG ist dabei in seiner Entscheidung (veröffentlicht u. a. in NJW 2002, 3181 ff.) weitgehend der Argumentation der Beklagten gefolgt. Diese sei nicht Beschenkte, da sie die Zuwendungen aufgrund ihrer Stiftungssatzung nur treuhänderisch verwaltet habe und deswegen nicht bereichert sei.

Auf die Revision der Klägerin (mit der sie ihr Begehren in Höhe von 750.000,- € weiterverfolgt) hat der unter anderem für erbrechtliche Fragen zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs das Urteil des OLG aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Er ist zu dem Ergebnis gelangt, daß es sich bei den Zuwendungen an die Beklagte entgegen der Annahme des OLG um – der Pflichtteilsergänzung unterliegende – Schenkungen handelte. Die Stiftung war nicht lediglich Treuhänderin für die Gelder. Sie war in der Verwendung der Mittel nicht durch eine Treuhandabrede gebunden, sondern nur gehalten, diese zu Stiftungszwecken zu verwenden. Daß die Gelder in den Wiederaufbau der Frauenkirche geflossen sind, steht einer Bereicherung der Beklagten nicht entgegen. Die Stiftung hat ein Erbbaurecht an dem Kirchengrundstück. Die Frauenkirche ist damit der bedeutendste Teil des Stiftungsvermögens, dem die durch die Wiederaufbaumaßnahmen eingetretene Werterhöhung des Gebäudes zugute kommt. Endgültige unentgeltliche Zuwendungen dieser Art unterliegen als stiftungskapitalerhöhende Zustiftungen oder als zum zeitnahen Einsatz für Stiftungszwecke gedachte freie oder gebundene Spenden dem Schenkungsrecht. Damit knüpft der Senat an eine langjährige gefestigte Rechtsprechung des Reichsgerichts an.

Eine andere Beurteilung wäre mit dem Zweck der Pflichtteilsergänzungsbestimmungen nicht zu vereinbaren. Diese sollen eine Aushöhlung des Pflichtteilsrechts durch lebzeitige Rechtsgeschäfte des Erblassers verhindern. Aus Sicht des Pflichtteilsberechtigten ist der Erfolg einer Schenkung und einer Spende zu Stiftungszwecken wirtschaftlich gleich. Beide dürfen erbrechtlich nicht unterschiedlich behandelt werden.

Das OLG Dresden muß im weiteren Verfahren u. a. den Wert des der Klägerin hinterlassenen Nachlasses ermitteln.

Urteil vom 10. Dezember 2003 - IV ZR 249/02

Karlsruhe, den 10. Dezember 2003

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