Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle

 

 

Nr. 156/2003

Zur Unterhaltspflicht von Kindern gegenüber ihren Eltern

Der u.a. für Familiensachen zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte sich mit einer weiteren Variante des sogenannten Elternunterhalts zu befassen (Stichwort: verschleierte Schwiegersohnhaftung).

Der klagende Landkreis nimmt die Beklagte aus übergegangenem Recht auf restliche Heim- und Pflegekosten für deren Mutter in Anspruch. Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte könne aufgrund ihres Halbtagseinkommens (jährlich brutto ca. 29.000 DM), ihres Naturalunterhaltsanspruchs gegen ihren vollschichtig berufstätigen Ehemann (jährliches Bruttoeinkommen ca. 117.000 DM) und unter Berücksichtigung des Wohnvorteils des im hälftigen Miteigentum der Ehegatten stehenden Familienheims für ihre Mutter einen monatlichen Unterhalt von 580 DM zahlen. Die Ehegatten haben einen 1981 geborenen Sohn, der noch Schüler ist. Für das Haus sind Kredite in Höhe von monatlich ca. 1.075 DM abzuzahlen. Das Amtsgericht hat die Klage teilweise, das Oberlandesgericht in vollem Umfang mangels Leistungsfähigkeit der Beklagten abgewiesen, weil ihr eigenes Arbeitseinkommen den ihr zuzubilligenden erhöhten Selbstbehalt von 2.250 DM nicht übersteige und eine Erhöhung ihrer Einkünfte durch den Naturalunterhaltsanspruch gegen ihren Ehemann zu einer unzulässigen indirekten "Schwiegersohnhaftung" führe.

Der Senat hat das vom Landkreis angefochtene Urteil teilweise aufgehoben. Er hat die Auffassung vertreten, für die Leistungsfähigkeit eines verheirateten Unterhaltspflichtigen, der selbst nur über Einkünfte unterhalb des Selbstbehalts verfüge, komme es entscheidend darauf an, ob und ggf. inwieweit sein Einkommen zur Bestreitung des vorrangigen angemessenen Familienunterhalts benötigt werde. Dieser könne nicht generell mit den Mindestselbstbehalten des Unterhaltspflichtigen und seines Ehegatten angesetzt werden. Denn der Ehegatte stehe außerhalb des Unterhaltsrechtsverhältnisses des Unterhaltspflichtigen zu seinen Eltern und sei rechtlich nicht verpflichtet, sich zu deren Gunsten in seiner Lebensführung einzuschränken. Was die Ehegatten für ihren Familienunterhalt benötigten, müsse vielmehr nach den im Einzelfall maßgebenden Verhältnissen, insbesondere unter Berücksichtigung der jeweiligen Lebensstellung, des Einkommens, Vermögens und sozialen Rangs, bestimmt werden. Der Senat hat allerdings die Annahme des Oberlandesgerichts, Einkünfte in der Größenordnung, wie sie von der Beklagten und ihrem Ehemann erzielt worden seien, dienten zur Finanzierung der Lebensführung, nicht gebilligt. Diese Annahme sei nicht damit zu vereinbaren, daß die Sparquote in Deutschland rund 10 % des verfügbaren Einkommens beträgt. Mit Rücksicht darauf könne nicht ohne weiteres von einem Verbrauch des gesamten Familieneinkommens ausgegangen werden. Vielmehr müsse der für seine eingeschränkte Leistungsfähigkeit darlegungsbelastete Unterhaltspflichtige dann, wenn das Familieneinkommen die ihm und seinem Ehegatten zuzubilligenden Mindestselbstbehaltssätze übersteige, vortragen, wie sich der Familienunterhalt gestalte und ob und ggf. welche Beträge zur Vermögensbildung verwendet würden. Soweit das Einkommen der Ehegatten der Vermögensbildung zugeführt werde, fließe es nicht in den Familienunterhalt. Vermögensbildende Maßnahmen des Unterhaltspflichtigen dürften sich - soweit es nicht etwa um die Finanzierung eines angemessenen Eigenheims oder in angemessenem Rahmen betriebene zusätzliche Altersversorgung geht - nicht zu Lasten eines unterhaltsberechtigten Elternteils auswirken. Je nach dem, wie der Familienunterhalt danach zu bemessen sei, könne sich für die Beklagte, die hierzu nur anteilig beizutragen habe, die Verpflichtung ergeben, mit dem verbleibenden Teil ihres Einkommens Elternunterhalt zu leisten. Ihr angemessener Eigenbedarf sei nämlich durch den Familienunterhalt gesichert. Eine verdeckte Schwiegersohnhaftung werde dadurch nicht begründet, weil auch der angemessene Familienunterhalt des Ehegatten nicht beeinträchtigt werde. Das Oberlandesgericht wird deshalb zu prüfen haben, in welcher Höhe der Familienunterhalt der Beklagten und ihres Ehemannes anzusetzen ist.

Urteil vom 17. Dezember 2003 - XII ZR 224/00

Karlsruhe, den 17. Dezember 2003

Pressestelle des Bundesgerichtshofs

76125 Karlsruhe

Telefon (0721) 159-5013

Telefax (0721) 159-5501