Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle

 

 

Nr. 135 /2003

 

Zur Unterhaltspflicht einer wieder verheirateten Hausfrau gegenüber einem vom Vater betreuten Kind aus früherer Ehe

Der u.a. für Familiensachen zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte sich im Rahmen seiner sogenannten Hausmann-Rechtsprechung erneut mit der Frage zu befassen, in welchem Umfang ein Elternteil, der in einer neuen Ehe die Haushaltsführung übernommen hat, gegenüber seinem Kind aus einer früheren Ehe, das vom anderen Elternteil betreut wird, Barunterhalt zu leisten hat.

Der 1991 geborene Kläger verlangt von der Beklagten, seiner Mutter, einen monatlichen Unterhalt von 296 DM. Der Kläger lebt seit der Scheidung der Ehe seiner Eltern bei seinem Vater, der ihn betreut. Der Vater des Klägers ist wieder verheiratet. Er verdient aus einer halbschichtigen Tätigkeit 1.800 DM monatlich. Auch die Beklagte ist wieder verheiratet und betreut ihren 1998 geborenen Sohn aus dieser Ehe. Ebenso wie in ihrer früheren Ehe ist sie auch jetzt nicht berufstätig. Ihr jetziger Ehemann verdient monatlich 2.600 DM netto und hat weitere Einkünfte aus einem landwirtschaftlichen Nebenbetrieb.

Das Familiengericht hat die Beklagte zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts von 296 DM verurteilt. Die Beklagte könne sich nicht auf die Sorge für die Mitglieder ihrer neuen Familie beschränken. Ihr obliege es, eine Nebentätigkeit anzunehmen, mit der sie den geforderten Unterhaltsbetrag verdienen könne. Ihr jetziger Ehemann sei verpflichtet, in dieser Zeit die Betreuung des gemeinsamen Kindes zu übernehmen.

Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung der Beklagten ihre Unterhaltsverpflichtung auf monatlich 159 DM herabgesetzt. Ihre Leistungsfähigkeit sei im Wege einer Kontrollrechnung auf diesen Betrag zu begrenzen. Sie müsse dem Kläger nämlich keinen höheren Unterhalt zahlen als im Falle ihrer gedachten vollen Erwerbstätigkeit. Würde sie voll arbeiten, wäre sie ihrem jetzigen Ehemann, der dann das gemeinsame Kind betreuen müßte, und ihren beiden Kindern unterhaltspflichtig. Dann aber läge ein sogenannter Mangelfall vor, weil die Beklagte nur 2.100 DM monatlich verdienen könnte. Nach Abzug ihres Selbstbehalts reichte dies zum vollen Unterhalt für ihren Ehemann und die Kinder nicht aus, so daß der Unterhalt für den Kläger anteilig auf 159 DM monatlich herabzusetzen sei. Einen höheren Unterhalt brauche sie aber auch als Hausfrau nicht zu zahlen.

Der Senat hat auf die Revision des Klägers das familiengerichtliche Urteil wiederhergestellt. Eine Kontrollrechnung, wie sie in den Fällen eines sogenannten Rollenwechsels vorgenommen werde, bei denen ein Ehegatte, der in der alten Ehe erwerbstätig war, sich in der neuen Ehe in die Rolle des haushaltsführenden Teils begibt, beruhe nämlich auf dem Gedanken, daß dieser Ehegatte dadurch nicht schlechter stehen dürfe als wenn er erwerbstätig geblieben wäre. Eine solche Fallkonstellation liege hier jedoch nicht vor, da die Beklagte keinen Rollenwechsel vorgenommen habe. Für die Bemessung der Unterhaltspflicht der Beklagten sei von den tatsächlichen Verhältnissen und nicht von hypothetischen auszugehen. Es komme somit nicht darauf an, welchen Unterhalt der Kläger erhielte, wenn die Beklagte voll erwerbstätig wäre. Entscheidend sei vielmehr, daß der eigene Unterhalt der Beklagten nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts in ihrer neuen Ehe durch ihren jetzigen Ehemann gesichert sei und sie den geforderten Unterhaltsbetrag von knapp 300 DM durch eine Nebentätigkeit, etwa in den Abendstunden, aufbringen könne, in denen ihr Ehemann die Betreuung des gemeinsamen Kindes übernehmen müsse. Da von den tatsächlichen Verhältnissen auszugehen sei, könne sich der Umstand, daß der Unterhaltsverpflichtete wieder verheiratet sei, zum Nachteil, oder, wie hier, zum Vorteil des Unterhaltsberechtigten auswirken.

Urteil vom 12. November 2003 - XII ZR 111/01 -

Karlsruhe, den 14. November 2003

 

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